OGH 7Ob36/25g

OGH7Ob36/25g19.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Malesich, Dr. Weber, Mag. Fitz und Mag. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* K*, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. November 2024, GZ 1 R 124/24t‑14, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 27. Juni 2024, GZ 21 C 604/23m‑10, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00036.25G.0319.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig der beklagten Partei die mit 751,92 EUR (darin enthalten 125,32 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Zwischen den Streitteilen besteht ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2014) zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise:

Artikel 19 Schadenersatz‑ und Strafrechtsschutz für den Privat‑, Berufs‑ und Betriebsbereich

Der Versicherungsschutz erstreckt sich je nach Vereinbarung auf den Privat‑, Berufs‑ und/oder Betriebsbereich.

1. Wer ist in welcher Eigenschaft versichert?

Versicherungsschutz haben

1.1 im Privatbereich

der Versicherungsnehmer und seine Angehörigen (Art 5 Pkt 1) für Versicherungsfälle, die den privaten Lebensbereich, also nicht den Berufs‑ oder Betriebsbereich oder eine sonstige Erwerbstätigkeit betreffen;

1.2 im Berufsbereich

der Versicherungsnehmer und seine Angehörigen (Art 5 Pkt 1) in ihrer Eigenschaft als unselbständig Erwerbstätige für Versicherungsfälle, die mit der Berufsausübung unmittelbar zusammenhängen oder auf dem direkten Weg von und zur Arbeitsstätte eintreten;

1.3 im Betriebsbereich

der Versicherungsnehmer für den versicherten Betrieb und alle Arbeitnehmer iSd § 51 ASGG für Versicherungsfälle, die mit dem Betrieb oder der Tätigkeit für den Betrieb unmittelbar zusammenhängen oder auf dem direkten Weg von und zur Arbeitsstätte eintreten.

[...]“

Rechtliche Beurteilung

[2] Die Revision ist entgegen dem – dem Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[3] 1.1 Der Kläger begehrt die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten für die klageweise Geltendmachung seiner Ansprüche aus dem Kauf eines – behauptetermaßen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen – gebrauchten PKW gegen die Herstellerin.

[4] 1.2 Unstrittig ist, dass der Versicherungsfall mit dem Zeitpunkt des Erwerbs der mangelhaften Sache durch den Versicherungsnehmer eingetreten ist (vgl 7 Ob 121/24f mwN).

[5] 2.1 Das Erstgericht stellte – unter Würdigung der Einvernahme des Klägers und der vorgelegten Urkunden – fest, dass der Kläger das Fahrzeug als Privatperson und nicht für sein eingetragenes Einzelunternehmen erworben habe.

[6] 2.2 Das Berufungsgericht führte aus, aus den Urkunden folge vielmehr, dass der Kläger das Fahrzeug im Rahmen seiner Funktion als eingetragener Einzelunternehmer gekauft habe.

[7] 2.3 Ungeachtet der Ausführungen des Berufungsgerichts und deren Platzierung bei Behandlung der Rechtsrüge, stellt dieses Vorgehen ein Abweichen von den erstgerichtlichen Feststellungen dar. Geht das Berufungsgericht von den Feststellungen des Erstgerichts ohne Beweiswiederholung ab, so bewirkt dies eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes und damit eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (RS0043461, RS0043057). Einen solchen Mangel rügt die Revision jedoch nicht, sodass dem Obersten Gerichtshof die Wahrnehmung untersagt ist und eine in dritter Instanz unaufgreifbare, bindende Feststellung im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichts dahin vorliegt, dass der Kläger das Fahrzeug im Rahmen seines eingetragenen Einzelunternehmens erworben hat (vgl 3 Ob 39/17g mwN), weshalb die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis nicht zu korrigieren ist.

[8] 3.1 Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Das Transparenzgebot soll es dem Kunden ermöglichen, sich aus den AGB oder Vertragsbestandteilen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei Vertragsabwicklung zu informieren (RS0115217 [T41]). Dies setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig ist oder von ihm jedenfalls festgestellt werden kann. Das können naturgemäß auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht. Der durch ihre Verwendung geschaffene weite Beurteilungsspielraum schließt aus, dass der Verbraucher Klarheit über seine Rechte oder Pflichten gewinnen kann (RS0115217 [T3]). Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasste Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind (RS0122169 [T2]).

[9] 3.2 Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 ff ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Diese Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betracht erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insb T5, T7, T87]).

[10] 3.3.1 Unstrittig ist, dass der Kläger lediglich für den Privatbereich Versicherungsschutz genießt. Zum Begriff „privater Lebensbereich“ hat der Fachsenat schon mehrfach dahin Stellung genommen, dass damit auf Ereignisse des täglichen Lebens abgestellt wird, die nicht bei einer (geschäftlichen) Tätigkeit im Betrieb, Gewerbe oder Beruf eintreten (vgl 7 Ob 46/04x, 7 Ob 190/12k, 7 Ob 75/20k, 7 Ob 193/22s).

[11] 3.3.2 Inwieweit diese Abgrenzung unklar oder unverständlich sein soll, vermag der Kläger nicht aufzuzeigen.

[12] 3.4.1 Die Interessenwahrnehmung gehört nicht mehr zur privaten Sphäre des Versicherungsnehmers, wenn ein innerer sachlicher Zusammenhang von nicht ungeordneter Bedeutung zwischen der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen und der unternehmerischen Tätigkeit besteht. Ein bloß zufälliger Zusammenhang reicht nicht aus, die Interessenwahrnehmung darf durch die selbständige Tätigkeit nicht lediglich verursacht oder motiviert sein. Die Interessenwahrnehmung ist auch dann nicht mehr dem privaten Bereich zuordenbar, wenn ein nur mittelbarer Zusammenhang mit einer selbständigen Tätigkeit besteht (7 Ob 190/12k). Die Wahrnehmung der Interessen gehört dann zum privaten Bereich, wenn sie nicht selbst geschäftlichen Charakter hat, also der Versicherungsnehmer damit nicht eigene geschäftliche Interessen verfolgt (7 Ob 46/04x, 7 Ob 190/12k).

[13] 3.4.2 Zweifelsohne wird der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus dem im Rahmen des von ihm betriebenen (Einzel‑)Unternehmens erworbenen Fahrzeugs als geschäftliche Tätigkeit ansehen und nicht dem Privatbereich zuordnen. Ob das Fahrzeug nach Eintritt des Versicherungsfalls tatsächlich (steuerlich) dem Unternehmeneingegliedert oder (überwiegend) privat genutzt wurde, ist in diesem Zusammenhang irrelevant (vgl Pkt 1.2).

[14] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

[15] 5. Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 41, 50 ZPO, die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte