OGH 13Os113/24b

OGH13Os113/24b19.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. März 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Vogel in der Strafsache gegen * E* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach (richtig) § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 und Abs 4 Z 1 SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * A* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 8. Juli 2024, GZ 26 Hv 11/24g‑179, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00113.24B.0319.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil – das im Übrigen unberührt bleibt – im Schuldspruch des Angeklagten * A*, demzufolge auch im Strafausspruch des Genannten, sowie im Einziehungserkenntnis aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Auf diese Entscheidung werden der Angeklagte * A* mit seinen Rechtsmitteln und die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – * A* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach „§§ 12 dritter Fall StGB, 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und 3 sowie Abs 4 Z 1 SMG“ (F 1) und – wie vom Erstgericht eingeräumt (siehe US 29), aber von der Staatsanwaltschaft nicht bekämpft, irrtümlich ohne Annahme der Qualifikation des § 27 Abs 4 Z 2 SMG – des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (F 2) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er vom Mai 2023 bis zum 31. Oktober 2023 in I* als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, bestehend aus ihm selbst und zumindest acht weiteren Personen,

F 1) dazu beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), dass die beiden nachgenannten Mitglieder dieser kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift in einer insgesamt das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge (US 9 iVm US 12) an andere überließen, nämlich

* E* zumindest 90 g Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 64,5 % Cocain und 33 g Cannabisharz mit einem Reinsubstanzgehalt von 19,2 % THCA und 9,7 % Delta-9-THC (A 1) sowie

* B* zumindest 300 g Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 64,5 % Cocain (B 1),

indem er sie nach ihrer Ankunft in I* als Untermieter aufnahm und ihnen seine Wohnungen für den Handel mit Suchtgift zur Verfügung stellte, sowie

F 2) vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar Kokain, anderen überlassen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * A*.

[4] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, dass das angefochtene Urteil mit – nicht geltend gemachter – materieller Nichtigkeit (Z 10) behaftet ist, die zum Nachteil des Angeklagten * A* wirkt und daher von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[5] Denn zum Schuldspruch F 1 haben die Tatrichter keine Feststellungen zu einem auf die Leistung eines Beitrags (§ 12 dritter Fall StGB) zum Überlassen von Suchtgift – wie schon für die Erfüllung des Grundtatbestands des § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG erforderlich – in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge (§ 28b SMG) gerichteten Vorsatz des Genannten (zum Erfordernis der originären Erfüllung des Tatbestands durch den – hier – Beitragstäter Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 40) getroffen. Vielmehr stellten sie lediglich das Wissen des Beschwerdeführers darüber fest, dass er auf die im Urteil näher beschriebene Weise den „Handel mit Kokain und Cannabis“ erheblich erleichterte (US 12).

[6] Jene Feststellungen zum Schuldspruch F 1, die einen nicht erfolgten Schuldspruch nach § 12 dritter Fall StGB, § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG stützen würden, können für sich alleine nicht bestehen bleiben (Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 18).

[7] Schon dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen erforderte die Aufhebung des Schuldspruchs F 1 bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

[8] Daran anknüpfend (§ 289 StPO) war mit Blick auf die Bestimmungen der §§ 35 und 37 SMG auch die Aufhebung des Schuldspruchs des Beschwerdeführers wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (F 2) erforderlich (RIS‑Justiz RS0119278).

[9] Die Aufhebung des Schuldspruchs des Beschwerdeführers hatte jene des ihn betreffenden Strafausspruchs zur Folge.

[10] Auf diese Entscheidung waren der Beschwerdeführer mit seinen Rechtsmitteln und die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung zu verweisen.

[11] Überdies haftet dem angefochtenen Urteil im Einziehungserkenntnis nicht geltend gemachte, allen drei Angeklagten zum Nachteil gereichende, materielle Nichtigkeit an (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[12] Denn in Bezug auf „die sichergestellten Suchtgifte“ (US 5) lässt das Urteil offen, ob der – durch diese Bezeichnung allein zudem nicht hinreichend determinierte (RIS‑Justiz RS0121298 [T9]) – Gegenstand der Einziehung zu einer der festgestellten (Anlass‑)Taten (vgl RIS‑Justiz RS0088115 [T3]) in dem von § 26 Abs 1 StGB iVm § 34 SMG geforderten Verhältnis steht (dazu Hinterhofer in Hinterhofer [Hrsg] SMG2 § 34 Rz 13 ff), was Nichtigkeit aus Z 11 erster Fall begründet (Haslwanter in WK2 StGB § 26 Rz 18).

[13] Da das Einziehungserkenntnis nicht mit Berufung bekämpft wird (RIS‑Justiz RS0119220 [T9]), war es bereits bei der nichtöffentlichen Beratung wie aus dem Spruch ersichtlich aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

[14] Für den zweiten Rechtsgang sei hinzugefügt, dass § 28a Abs 4 Z 1 SMG im Verhältnis zu § 28a Abs 2 Z 2 SMG die speziellere Norm ist, weshalb letztere von ersterer verdrängt wird (Hinterhofer in Hinterhofer [Hrsg] SMG2 § 28a Rz 98 mwN).

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