OGH 10ObS18/25g

OGH10ObS18/25g18.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Schober und Dr. Vollmaier (Senat gemäß § 11a Abs 3 ASGG) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Mag. Thomas Beck, Rechtsanwalt in Eisenstadt, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, wegen Ausgleichszulage, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 19. Dezember 2024, GZ 8 Rs 88/24 f‑27, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:010OBS00018.25G.0318.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Sozialrecht, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Nach Zustellung des die Klage auf Gewährung einer Ausgleichszulage abweisenden Urteils erster Instanz beantragte der Kläger beim Erstgericht zur weiteren Führung des Verfahrens die Beigebung eines Rechtsanwalts im Wege der Verfahrenshilfe (ON 16.2), die das Erstgericht in der Folge mit Beschluss vom 10. 9. 2024 „für die Erhebung einer Berufung ... und das weitere Verfahren“ bewilligte (ON 17). Daraufhin wurde mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Burgenland vom 11. 9. 2024 Rechtsanwalt Mag. Thomas Beck zum Verfahrenshelfer für den Kläger bestellt (ON 20). Mit Schriftsatz vom 24. 9. 2024 (ON 23) gaben die Rechtsanwälte Dr. Karl‑Heinz Götz und Dr. Rudolf Tober jun. dem Erstgericht bekannt, den Kläger als „Wahlvertreter“ zu vertreten und brachten in seinem Namen eine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein. Das die erstgerichtliche Entscheidung bestätigende Urteil des Berufungsgerichts (ON 27) wurde den im Berufungsverfahren eingeschrittenen Klagevertretern am 30. 12. 2024 zugestellt. Am 23. 1. 2025stellte der Kläger neuerlich einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwalts zum Zweck der Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen das Berufungsurteil (ON 29.1). Der an das Berufungsgericht gerichtete Antrag wurde gemäß § 44 JN an das Erstgericht übermittelt, das diesen am 27. 1. 2025 „zur Erhebung einer außerordentlichen Revision“ an den ursprünglich bestellten Verfahrenshelfer des Klägers weiterleitete. Dieser brachte die außerordentliche Revision im Namen des Klägers am 20. 2. 2025 beim Erstgericht ein.

Rechtliche Beurteilung

[2] Damit erweist sich die Revision als verspätet.

[3] 1. Das Verhältnis zwischen der Partei und dem im Rahmen der Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt ist ausschließlich öffentlich‑rechtlicher Natur. Daher hindert die Bewilligung der Verfahrenshilfe die Partei nicht, einem anderen Rechtsanwalt Prozessvollmacht zu erteilen. Dies gilt auch dann, wenn der Partei im Rahmen der Verfahrenshilfe ein Rechtsanwalt beigegeben wurde (3 Ob 70/88; 6 Ob 34/14i ErwGr 1.1. mwN).

[4] Damit war die von den frei gewählten Vertretern im Berufungsschriftsatz bekannt gegebene Prozessvollmacht wirksam und umfasste jedenfalls auch die Zustellung des Berufungsurteils (§ 93 Abs 1 ZPO); der Fristenlauf zur Erhebung der außerordentlichen Revision wurde folglich bereits mit Bewirkung dieser Zustellung am 30. 12. 2024 in Gang gesetzt (vgl RS0035612 [insb T2]; vgl RS0102242).

[5] 2. Der neuerliche Antrag auf Verfahrenshilfe während laufender Revisionsfrist bewirkte keine Fristverlängerung, weil dem Kläger bereits mit der ursprünglichen Bewilligung der Verfahrenshilfe wirksam ein Rechtsanwalt für das (gesamte) weitere (Rechtsmittel‑)Verfahren beigegeben war und daran durch die (zusätzliche) Bevollmächtigung eines frei gewählten Vertreters keine Änderung eingetreten ist (RS0036213 [T8]). Die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch eine Partei, der ein Verfahrenshelfer bestellt worden ist, führt nämlich nicht ex lege zum Erlöschen der Verfahrenshilfe nach § 68 Abs 1 ZPO (6 Ob 34/14i ErwGr 2.2. und 2.3. mwN); zu einer Enthebung des Verfahrenshelfers ist es im vorliegenden Verfahren nicht gekommen.

[6] Nach dem Schutzzweck des § 464 Abs 3 ZPO muss der Partei die Unterbrechung der Berufungsfrist zwar grundsätzlich auch dann zustatten kommen, wenn sie bei der Stellung des Verfahrenshilfeantrags (noch) durch einen frei gewählten Rechtsanwalt vertreten ist (RS0041652 [T3]), zumal mitunter von einem Erlöschen des Vollmachtsverhältnisses auszugehen ist, wenn eine Partei, die von einem gewählten Rechtsanwalt vertreten wird, die Beigebung eines Verfahrenshelfers beantragt (RS0014579 [T5, T8]). Es entspricht allerdings ständiger Rechtsprechung, dass eine Partei, der im Rahmen der Verfahrenshilfe bereits ein Rechtsanwalt als Vertreter bestellt wurde, durch einen (neuerlichen) Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Rechtsanwalts nicht die Unterbrechung der im Lauf befindlichen Rechtsmittelfrist erreichen kann (RS0041621; eingehend 6 Ob 34/14i ErwGr 2.5. mwN).

[7] 3. Die am 20. 2. 2025 beim Erstgericht eingebrachte außerordentliche Revision wurde folglich außerhalb der vierwöchigen Revisionsfrist erhoben, die – mangels Fristunterbrechung – am 27. 1. 2025 endete.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte