OGH 4Ob214/24k

OGH4Ob214/24k18.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * GmbH, *, vertreten durch die Haider Obereder Pilz Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei * AG, *, Deutschland, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien und die Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Partei 1. * (publ), *, Schweden, 2. * AB, *, Schweden, 3. * SAS, *, Frankreich, und 4. * GmbH, *, Deutschland, sämtliche Nebenintervenientinnen vertreten durch die E + H Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 98.018,50 EUR sA, aus Anlass der außerordentlichen Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 59.216,73 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. November 2024, GZ 5 R 96/24p‑126.2, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00214.24K.0318.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

1. Die Erst- bis Viertnebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Partei sind durch Widerruf ihres Beitritts aus dem Verfahren ausgeschieden.

2. Die teilweise Zurückziehung der außerordentlichen Revision der klagenden Partei, nämlich hinsichtlich eines Zahlungsbegehrens von insgesamt 15.393,55 EUR in Zusammenhang mit dem Erwerb folgender Lkws der Marke Renault

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wird zur Kenntnis genommen.

3. Das Verfahren über das verbleibende Zahlungsbegehren (Revisionsinteresse nunmehr 43.823,18 EUR) wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof am 27. Februar 2025 zu 3 Ob 215/24z gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.

Die Fortsetzung des Verfahrens erfolgt nur auf Antrag.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Zum Widerruf des Beitritts:

[1] 1.1. Sämtliche Nebenintervenientinnen widerriefen ihren Beitritt mit Schriftsatz vom 20. 2. 2025.

[2] 1.2. Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Person obsiege, kann dieser Partei gemäß § 17 Abs 1 ZPO im Rechtsstreit beitreten (Nebenintervention).

[3] Der Beitritt liegt dabei ausschließlich im Interesse des Nebenintervenienten. Die Prozessparteien haben weder ein Recht, die Unterstützung des Nebenintervenienten zu genießen, noch einen Anspruch auf Sacherledigung gegenüber einem Nebenintervenienten (4 Ob 193/09z [Pkt 1.1.] unter Verweis auf 3 Ob 2022/96s).

[4] Der Nebenintervenient kann daher seinen Beitritt auch widerrufen. Dadurch scheidet er aus dem Verfahren aus (4 Ob 193/09z [Pkt 1.2] mwH). Dies ist in jeder Lage des Verfahrens zulässig, auch noch im Revisionsverfahren (6 Ob 105/18m [Pkt 1] unter Hinweis auf 7 Ob 13/16m).

[5] 1.3. Nach § 18 Abs 1 ZPO hat die Nebenintervention durch Zustellung eines Schriftsatzes an beide Parteien zu erfolgen. Für den im Gesetz nicht geregelten Widerruf ist diese Form analog heranzuziehen.

[6] Wegen der Auswirkungen auf die Parteistellung wird der Widerruf mit deklarativem Beschluss zur Kenntnis genommen. Funktionell ist dafür jene Instanz zuständig, bei der die Rechtssache gerade anhängig ist (vgl 7 Ob 13/16m [Pkt 2] iZm der Einbringung eines Beitrittsschriftsatzes).

2. Zur teilweisen Zurückziehung der Revision:

[7] 2.1. Die Klägerin zog ihre außerordentliche Revision mit Schriftsatz vom 20. 2. 2025 (nur) für die im Spruch genannten Ansprüche zurück.

[8] 2.2. Eine Partei kann ihre Revision nach §§ 484, 513 ZPO bis zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zurückziehen (RS0118330 [T1]). Auch eine nur teilweise Zurückziehung ist möglich (RS0118330).

[9] Dies ist vom Gericht mit deklarativer Wirkung zur Kenntnis zu nehmen (RS0042041 [T3]).

3. Zur Unterbrechung des Verfahrens:

[10] 3.1. Im Verfahren zu 3 Ob 215/24z hat der Oberste Gerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art 267 AEUV in einer vergleichbaren Konstellation folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art 3 Abs 2 in Verbindung mit Art 22 Abs 2 der Richtlinie 2014/104/EU dahin auszulegen, dass Art 3 Abs 2 betreffend die Zahlung von Zinsen aus dem Kartellschaden auf Schadenersatzklagen anzuwenden ist, die ab dem 26. 12. 2014 bei einem nationalen Gericht erhoben wurden?

Wenn diese Frage verneint werden sollte: Welcher andere Zeitpunkt ist für die Anwendbarkeit von Art 3 Abs 2 der Richtlinie 2014/104/EU maßgebend?

2. Ist Art 3 Abs 2 der Richtlinie 2014/104/EU dahin auszulegen, dass der Zeitpunkt, zu dem der Kartellschaden entstanden ist und ab dem die Zinsen aus dem Kartellschaden zu zahlen sind, mit jenem Zeitpunkt anzusetzen ist, zu dem der aufgrund einer verbotenen Preisabsprache verlangte überhöhte Preis vom Geschädigten gezahlt wurde?

Wenn diese Frage verneint werden sollte: Welcher andere Zeitpunkt ist für den Schadenseintritt maßgebend?

 

[11] 3.2. Das vorliegende Verfahren betrifft einen ähnlichen Sachverhalt, weshalb sich auch dieselben unionsrechtlichen Rechtsfragen wie im Verfahren zu 3 Ob 215/24z stellen. Da der Oberste Gerichtshof von der allgemeinen Wirkung von Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs auszugehen und diese auch auf andere Fälle als den unmittelbaren Ausgangsfall anzuwenden hat, war das hier anhängige Revisionsverfahren bis zur Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof zu unterbrechen (RS0110583).

[12] 3.3. Nach Vorliegen der Vorabentscheidung wird das Verfahren nur auf Antrag einer Partei fortgesetzt werden. Eine amtswegige Fortsetzung ist nicht erforderlich, weil die Parteien zunächst selbst ihre Schlüsse aus der dann vorliegenden Vorabentscheidung ziehen und über die Fortsetzung dieses Verfahrens disponieren können (2 Ob 2/23t; 4 Ob 30/25b).

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