European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:010OBS00017.25K.0318.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Sozialrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die Klägerin ab 16. 10. 2023 oder erst ab 3. 11. 2023 Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld (als Ersatz des Erwerbseinkommens) für ihr am 12. 10. 2023 im Rahmen einer anonymen Geburt geborenes Pflegekind hat.
[2] Ab 14. 10. 2023 kümmerte sich die Klägerin zunächst im Krankenhaus um das Kind. Am 16. 10. 2023 meldete der Kinder- und Jugendhilfeträger das Kind beim Standesamt und stellte der Klägerin eine Pflegebestätigung „zur Vorlage bei Gebietskrankenkasse, Meldeamt, Dienstgeber und Finanzamt“ aus. Am 17. 10. 2023 beantragte er die Namensgebung. Der entsprechende Bescheid erging am 18. 10. 2023; nach Abgabe eines Rechtsmittelverzichts erhielt der Kinder- und Jugendhilfeträger am 3. 11. 2023 die Geburtsurkunde, die er umgehend an die Klägerin übermittelte. Diese meldete ihr Pflegekind noch am selben Tag an ihrem Wohnsitz an.
[3] Mit Bescheid vom 20. 12. 2023 wies die Beklagte den Antrag der Klägerin, ihr einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld für ihr Pflegekind zu gewähren, für den Zeitraum von 16. 10. 2023 bis 2. 11. 2023 ab. Durch die erst am 3. 11. 2023 erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Pflegekindes sei die Meldefrist überschritten worden. Daher liege bis dahin kein gemeinsamer Haushalt iSd KBGG vor.
[4] Mit der dagegen gerichteten Klage begehrt die Klägerin die Zuerkennung von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld auch für die Zeit von 16. 10. 2023 bis 2. 11. 2023. Bis zur Übermittlung der Geburtsurkunde habe sie dieWohnsitzmeldung gar nicht vornehmen können.
[5] Das Erstgericht wies das auf diesen Zeitraum bezogene Begehren ab.
[6] Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Die Anspruchsvoraussetzung des gemeinsamen Haushalts iSd § 2 Abs 1 Z 2 iVm Abs 6 iVm § 24 Abs 1 Z 1 KBGG sei nur dann erfüllt, wenn auch eine „hauptwohnsitzliche Meldung“ des Kindes am Ort des gemeinsamen Haushalts vorliege. Fehle die gemeinsame hauptwohnsitzliche Meldung, führe das für den betroffenen Zeitraum zum Anspruchsverlust. Die vorliegende Meldung am 3. 11. 2023 sei verspätet, nämlich außerhalb der dafür vorgesehenen Toleranzfrist von 13 Tagen nach der – unstrittig spätestens am 17. 10. 2023 erfolgten – Unterkunftnahme vorgenommen worden. Eine Meldung des Pflegekindes wäre auch schon vor Rechtskraft des Namensgebungsbescheids und der Übermittlung der Geburtsurkunde möglich gewesen. Zum einen folge aus § 4a Abs 3a MeldeG, dass die Meldung (durch Vorlage eines vollständig ausgefüllten Meldezettels; Abs 1 leg cit) auch dann durchzuführen sei, wenn die Identität des Meldepflichtigen nicht mit der gebotenen Verlässlichkeit festgestellt werden könne. Zum anderen sei der Klägerin ohnedies schon am 16. 10. 2023 mit der Pflegebestätigung eine öffentliche Urkunde iSd § 3 Abs 3 MeldeG vorgelegen, aus der sich die erforderlichen Identitätsdaten des Pflegekindes ergeben hätten. Durch Vorlage dieser Pflegebestätigung gegenüber der Meldebehörde trotz des noch nicht bindend feststehenden Namens des Kindes hätte sich die Klägerin nicht gemäß § 22 Abs 1 Z 4 MeldeG wegen Angabe unrichtiger Identitätsdaten strafbar gemacht. Von einem die Strafbarkeit begründenden fahrlässigen Handeln könne diesfalls nicht ausgegangen werden.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels einer darin aufgezeigten Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[8] 1. Dass die Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 2 iVm Abs 6 iVm § 24 Abs 1 Z 1 KBGG nur dann erfüllt ist, wenn kumulativ zum gemeinsamen Haushalt eine „hauptwohnsitzliche Meldung“ des Kindes am Ort des gemeinsamen Haushalts vorliegt (RS0132649) und das Fehlen der gemeinsamen hauptwohnsitzlichen Meldung zum Anspruchsverlust für den betroffenen Zeitraum führt (10 ObS 40/18g ErwGr 3.; 10 ObS 136/18z ErwGr 2.1.; 10 ObS 89/23w Rz 10 ua), ist im Verfahren nicht strittig.
[9] Die Klägerin steht jedoch auch noch in dritter Instanz auf dem Standpunkt, die Wohnsitzmeldefrist nach § 2 Abs 6 Satz 2 KBGG könne im Fall einer anonymen Geburt erst mit Rechtskraft des Namensgebungsbescheids bzw dem Vorliegen der Geburtsurkunde beginnen. Ihre Rechtsansicht beruht auf der Prämisse, dass eine frühere Anmeldung des anonym geborenen Pflegekindes bei der Meldebehörde rechtlich gar nicht möglich, zumindest aber unzumutbar sei.
[10] 2. Diese Annahme trifft nicht zu:
[11] 2.1. Nach § 2 Abs 6 Satz 2 KBGG in der hier anzuwendenden Fassung vor dem BGBl I 2023/115 (§ 50 Abs 40 KBGG) schadet eine höchstens bis zu zehn Tage verspätet (§ 3 Abs 1 MeldeG) erfolgte Hauptwohnsitzmeldung nicht. Im Zusammenhalt mit der in § 3 Abs 1 MeldeG normierten Frist von drei Tagen steht den Eltern – bzw hier der Klägerin als Unterkunftgeberin (§ 7 Abs 2 MeldeG) – ab dem der Unterkunftnahme folgenden Tag somit eine Frist von insgesamt 13 Tagen für die Anmeldung des Kindes am gemeinsamen Hauptwohnsitz zur Verfügung (RS0132596; RS0132533).
[12] 2.2. Es trifft zwar grundsätzlich zu, dass für die Anmeldung bei der Meldebehörde neben einem entsprechend vollständig ausgefüllten Meldezettel auch öffentliche Urkunden erforderlich sind, aus denen die Identitätsdaten (§ 1 Abs 5a MeldeG) des Unterkunftnehmers – also insbesondere auch dessen Namen – hervorgehen (§ 3 Abs 2 und 3 MeldeG). Die Anmeldung ist aber erfolgt, sobald der Meldebehörde der entsprechend vollständig ausgefüllte Meldezettel vorliegt (§ 4a Abs 1 MeldeG). Kann die Identität des Meldepflichtigen nicht mit der gebotenen Verlässlichkeit festgestellt werden, ist die Meldebehörde ermächtigt, diesen Umstand im Melderegister und im ZMR bei den Identitätsdaten zu verarbeiten. Der diesbezügliche Vermerk „Identität nicht gesichert festgestellt“ ist zu löschen, wenn die Identität festgestellt wurde. Stellen andere Behörden die Identität des Betroffenen fest, haben sie davon die Meldebehörde in Kenntnis zu setzen (§ 4a Abs 3a MeldeG).
[13] Schon daraus erhellt, wie bereits vom Berufungsgericht zutreffend angemerkt, dass die Anmeldung vom Meldepflichtigen auch im Fall eines fehlenden Identitätsnachweises des (minderjährigen) Unterkunftnehmers durch öffentliche Urkunden innerhalb der dafür vorgesehenen Frist vorzunehmen ist, der Meldepflichtige also nicht etwa mit der Anmeldung zuzuwarten hat, bis ihm die entsprechenden Urkunden iSd § 3 Abs 3 MeldeG vorliegen.
[14] In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass ein neugeborenes Kind – auch im Fall einer anonymen Geburt (vgl 10 ObS 89/23w Rz 13) – nach § 12 Abs 1 Satz 1 PStG 2013 anstelle einer Anmeldung gemäß § 3 Abs 1 MeldeG bereits anlässlich der Eintragung seiner Geburt (§ 10 PStG 2013) unter Anschluss eines entsprechend vollständig ausgefüllten Meldezettels im Weg der Personenstandsbehörde (und bereits vor Unterkunftnahme) angemeldet werden kann. Die Personenstandsbehörde hat in diesem Fall für die für den Wohnsitz zuständige Meldebehörde die Meldedaten dem Bundesminister für Inneres im Wege eines Änderungszugriffs auf das Zentrale Melderegister zu übermitteln (§ 12 Abs 1 Satz 2 PStG; zu dem zugrundeliegenden One-Stop-Shop-Gedanken vgl ErläutRV 1907 BlgNR 24. GP 8; 10 ObS 19/19w ErwGr 4.2). Da unter anderem § 4a MeldeG sinngemäß gilt (§ 12 Abs 1 Satz 3 PStG), ist die Anmeldung auch auf diesem Weg erfolgt, sobald der Personenstandsbehörde der vollständig ausgefüllte Meldezettel vorliegt (10 ObS 121/18v ErwGr 6.2 [zum FamZeitbG]), und zwar unabhängig von der erst später eintretenden Rechtskraft der Namensfestsetzung eines anonym geborenen Kindes (idS bereits 10 ObS 89/23w Rz 13 ff).
[15] 3. Damit kommt es aber nicht darauf an, ob es sich bei der in Rede stehenden Pflegebestätigung des Kinder- und Jugendhilfeträgers um eine öffentliche Urkunde iSd § 3 Abs 3 MeldeG handelt. Mit der Kritik an dieser Hilfsbegründung des Berufungsgerichts vermag die Klägerin folglich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen (RS0118709 [T2]; RS0042736).
[16] Ebenso wenig ist entscheidend, ob sie im Fall der Vorlage dieser Pflegebestätigung bei der Meldebehörde aufgrund der darin angeführten (bloß vorläufigen) Namensdaten des Kindes eine Verwaltungsübertretung nach § 22 Abs 1 Z 4 MeldeG zu verantworten hätte. Abgesehen davon legt die Klägerin in ihrem Rechtsmittelvortrag von vornherein nicht nachvollziehbar dar, weshalb ihr diese Urkundenvorlage als zumindest leicht fahrlässige Angabe unrichtiger Identitätsdaten anzulasten gewesen wäre.
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