OGH 5Ob169/24z

OGH5Ob169/24z6.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin P* GmbH, *, vertreten durch die Leissner Kovaricek Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Eigentümergemeinschaft EZ * KG * (Liegenschaftsadresse *), vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in Wien, 2. sämtliche Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ * KG * (Liegenschaftsadresse *), darunter 2. J* R*, 3. A* R*, 5. Dr. H* H*, alle namentlich Genannten vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 8 iVm § 21 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Juli 2024, GZ 40 R 73/24t‑24, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00169.24Z.0306.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Erstgericht wies den Antrag auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung des Verwaltungsvertrags zwischen der Antragstellerin und der Eigentümergemeinschaft ab.

[2] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf; dieser ist daher zurückzuweisen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).

[4] 1. Die Bestellung des Verwalters und die Auflösung des Verwaltungsvertrags sind gemäß § 28 Abs 1 Z 5 WEG Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft (5 Ob 144/19s; 5 Ob 36/13z; RS0106051 [T5]). Ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft auf Kündigung des Verwaltungsvertrags ist daher sofort vollziehbar, sodass dieser zur (vorläufigen) Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung führt und deren Zugang zur Beendigung des Vertragsverhältnisses (5 Ob 144/19s; 5 Ob 36/13z; RS0125809 [T3]).

[5] Der Bestand des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft ist zwar insoweit auflösend bedingt, als er erst bei einem Unterbleiben fristgerechter Anfechtung oder ihrem rechtskräftigen Scheitern endgültig „bestandskräftig" ist (RS0125809). Für die Wirksamkeit der Verwalterkündigung reicht es aber aus, wenn der zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch nicht bestandkräftige Beschluss in der Folge bestandkräftig wird (5 Ob 144/19s; 5 Ob 36/13z).

[6] 2. Die Kündigung des Verwaltervertrags (als rechtsgeschäftliche Erklärung der Eigentümergemeinschaft) muss der Verwalter nur dann gegen sich gelten lassen, wenn sie auf einem wirksamen Beschluss der Eigentümergemeinschaft beruht, ihr also eine den Anforderungen des § 24 WEG genügende Willensbildung und Beschlussfassung vorangegangen ist (5 Ob 76/09a; RS0108767 [T1, T7]; RS0110769 [T3, T6, T14]). Mängel in der Willensbildung kann er in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG – grundsätzlich – als Vorfrage für die Unwirksamkeit der gegen ihn ausgesprochenen Kündigung relevieren (5 Ob 76/09a; RS0108767 [T1, T8, T13]; RS0110769 [T3]).

[7] Ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft ist allerdings dann jedenfalls rechtswirksam, wenn seine Rechtmäßigkeit im Anfechtungsverfahren evaluiert ist oder seine fristgerechte Anfechtung (durch einen der Wohnungseigentümer) überhaupt unterbleibt. Bei einem Unterbleiben fristgerechter Anfechtung oder ihrem rechtskräftigen Scheitern ist der Beschluss also endgültig bestandkräftig. Dadurch sind allfällige Mängel der Beschlussfassung saniert (5 Ob 12/23k; 5 Ob 76/09a mwN; RS0118450 [T1]; RS0122765 [T4]). Dies gilt auch für gravierende Mängel, wie die von der Antragstellerin geltend gemachte Verletzung des Anhörungsrechts aller Wohnungseigentümer (5 Ob 155/06i).

[8] Wirft der Verwalter im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG Fragen der Willensbildung als Vorfrage der Unwirksamkeit der gegen ihn gerichteten Kündigung auf, ist daher zu prüfen, ob nicht die behaupteten Mängel des Beschlusses durch Unterlassung einer Anfechtung seitens der Wohnungseigentümer bereits saniert sind (5 Ob 76/09a mwN). Ist der Beschluss infolge Unterbleibens fristgerechter Anfechtung endgültig bestandkräftig, so kann der Verwalter Mängel der Beschlussfassung nicht mehr relevieren (RS0108767 [T12]; RS0110769 [T13]).

[9] 3. Die Anfechtung von Maßnahmen der Liegenschaftsverwaltung nach § 24 Abs 6 WEG im Außerstreitverfahren ist freilich nur bei einem Anschein (Rechtsschein) eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft möglich und erforderlich. Besteht ein solcher Anschein (Rechtsschein) und unterbleibt die fristgerechte Anfechtung dieses Beschlusses, heilen dessen Mängel (RS0118450; RS0109645 [T2]; RS0117554 [T1]) und der Beschluss ist rechtsgültig und endgültig bestandskräftig (5 Ob 12/23k).

[10] Ob der Anschein eines Mehrheitsbeschlusses gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. In Zweifelsfällen ist im Interesse der Rechtssicherheit für (befristete) Anfechtbarkeit zu entscheiden (vgl RS0118451).

[11] Der Anschlag eines Beschlusses im Haus erweckt in der Regel den Anschein (Rechtsschein) einer bereits abgeschlossenen Beschlussfassung und löst damit die Anfechtungsfrist nach § 24 Abs 6 WEG aus (5 Ob 143/20w; RS0109645 [T8]). Nach den Feststellungen wurde hier nach der Eigentümerversammlung das in dieser Versammlung verteilte Abstimmungsformular als Hausaushang angeschlagen, wobei in dieses die Bezeichnung der bestellten neuen Verwalterin eingefügt, der Vermerk „zum Aushang“ angebracht und auf die dazu ausgehängte „Belehrung“ hingewiesen wurde. Diese Belehrung bestand in einem Ausdruck des Gesetzestexts des § 24 WEG, in dem dessen Abs 4 und 6 farblich markiert wurden. Wenn das Rekursgericht aufgrund dieser Gegebenheiten zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser Aushang den Anschein einer bereits positiv abgeschlossenen Beschlussfassung erweckte und damit die Anfechtungsfrist nach § 24 Abs 6 WEG auslöste, liegt darin keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung. Die Revisionsrekurswerberin zeigt daher auch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.

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