OGH 12Os5/25i

OGH12Os5/25i4.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. März 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Haslwanter LL.M., Dr. Sadoghi und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Müller BSc in der Strafsache gegen E* A* wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, AZ 14 U 54/23z des Bezirksgerichts Hietzing, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Schreiber LL.M., zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0120OS00005.25I.0304.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Das Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 26. Jänner 2024, GZ 14 U 54/23z‑5, verletzt § 270 Abs 4 Z 2 StPO iVm § 166 Abs 1 und 3 StGB.

Dieses Urteil sowie die gemäß § 494 Abs 1 StPO und § 494a Abs 1 Z 2 und 6 StPO gefassten Beschlüsse werden aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

 

E* A* wird von der Anklage, er habe am 16. November 2023 in W* eine fremde Sache beschädigt, indem er die Kristallvase der DI Dr. G* A* zu Boden warf, wodurch diese zerbrach, gemäß § 259 Z 1 StPO freigesprochen.

 

Gründe:

[1] Mit gekürzt ausgefertigtem (§ 270 Abs 4 iVm § 447 StPO) Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 26. Jänner 2024, GZ 14 U 54/23z-5, wurde E* A* des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 16. November 2023 in W* eine fremde Sache „beschädigt“, indem er die Kristallvase der DI Dr. G* A* zu Boden warf, wodurch diese zerbrach.

[3] Die Verfahrensergebnisse der Hauptverhandlung weisen darauf hin, dass DI Dr. G* A* die Großmutter des Angeklagten ist (vgl ON 5.1 S 1).

Rechtliche Beurteilung

[4] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht dieses Urteil mit dem Gesetz nicht im Einklang.

[5] Nach § 166 Abs 1 StGB ist wegen Begehung im Familienkreis unter anderem derjenige, der eine Sachbeschädigung nach § 125 StGB zum Nachteil eines Verwandten in gerader Linie begeht, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen. Nach § 166 Abs 3 StGB ist der Täter nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen; die Durchführung eines Hauptverfahrens setzt somit in diesem Fall die Erhebung der Privatanklage durch diesen voraus (§ 71 Abs 3 StPO).

[6] Eine (wie hier) gekürzte Urteilsausfertigung hat gemäß § 270 Abs 4 Z 2 StPO (der gemäß § 447 StPO auch im Verfahren vor dem Bezirksgericht Anwendung findet) im Fall der Verurteilung des Angeklagten unter anderem die vom Gericht als erwiesen angenommenen entscheidenden Tatsachen in gedrängter Darstellung zu enthalten (vgl Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 60), sodass insgesamt die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nachvollziehbar und überprüfbar ist (RIS‑Justiz RS0125764).

[7] Vorliegend ergab sich bereits aus der – unter Hinweis auf ihre Angehörigeneigenschaft „als Großmutter“ des Angeklagten erfolgten – „Aussageverweigerung“ der Geschädigten in der Hauptverhandlung (ON 5 S 1) ein Anhaltspunkt dafür, dass der Angeklagte die ihm angelastete Sachbeschädigung zum Nachteil einer Verwandten in gerader Linie begangen haben könnte.

[8] Trotz dieses in der Hauptverhandlung vorgekommenen Umstands, der eine Tatbegehung im Familienkreis indiziert, hat das Bezirksgericht Hietzing die in Rede stehende Tat dem § 125 StGB unterstellt, ohne gemäß § 270 Abs 4 Z 2 StPO iVm § 447 StPO in der gekürzten Urteilsausfertigung Tatumstände, die der Privilegierung des § 166 Abs 1 StGB und der Anwendbarkeit des § 166 Abs 3 StGB entgegenstehen, durch Konstatierungen zu klären. Dieser Feststellungsmangel des Urteils verletzt das Gesetz wie im Spruch ersichtlich.

[9] Aufgrund des damit für den Angeklagten verbundenen Nachteils sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu versehen und den Angeklagten aufgrund des Fehlens eines gesetzlich berechtigten Anklägers (§ 259 Z 1 StPO) freizusprechen (§ 292 letzter Satz StPO). Denn mit Blick auf die Aktenlage (ON 2.2 S 2, ON 2.7 S 4, ON 5.1 S 1) ist nicht zu erwarten, dass im zweiten Rechtsgang – das Einschreiten des öffentlichen Anklägers rechtfertigende – Feststellungen zum Nichtbestehen der Angehörigeneigenschaft des Opfers im Sinn des § 166 Abs 1 StGB getroffen werden können (vgl RIS‑Justiz RS0100239).

[10] Den von der kassierten Entscheidung rechtslogisch abhängigen Entscheidungen und Verfügungen ist damit die Basis entzogen (RIS‑Justiz RS0100444; Ratz, WK‑StPO § 292 Rz 28).

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