OGH 12Os9/25b

OGH12Os9/25b4.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. März 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Haslwanter LL.M., Dr. Sadoghi und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Müller BSc in der Strafsache gegen * G* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * S* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 25. Oktober 2024, GZ 34 Hv 47/24k‑34, ferner über die Beschwerde des Genannten gegen den zugleich ergangenen Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0120OS00009.25B.0304.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht Innsbruck zu.

Dem Angeklagten * S* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche anderer Angeklagter enthält, wurden – soweit hier relevant – * K* des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (I./), * G* des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB (II./) und * S* des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB (III./) schuldig erkannt.

[2] Danach haben am 15. Juni 2024 in I*

I./ * K* dem * M* fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er ihm eine Zigarettenpackung im Wert von 5,80 Euro aus der Hand nahm und sie einsteckte;

II./ * G* unmittelbar im Anschluss an den zu I./ durch * K* begangenen Diebstahl Gewalt gegen * M* angewandt, um K* die soeben weggenommene Zigarettenpackung zu erhalten, indem er M*, der seine Zigaretten zurückforderte, zwei „Genickwatschen“ versetzte und ihn gewaltsam durch die Tür ins Freie drängte;

III./ * S* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit vier weiteren im Urteil namentlich genannten Mittätern „einige Zeit nach dem zu II./ beschriebenen Sachverhalt“ * M* schwer am Körper zu verletzen versucht, indem sie hinter dem fliehenden M* herliefen, ihn zu Fall brachten und ihm, als er am Boden lag, wiederholt Faustschläge und Fußtritte gegen den gesamten Körper versetzten, wodurch dieser Abschürfungen an beiden Knien, am rechten Ellbogen, an beiden Handflächen, am linken Handrücken sowie im Bereich der linken Hüfte und Prellungen im Bereich der Schläfen und im Bereich des rechten Brustkorbes erlitt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen den Schuldspruch III./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*, die nicht berechtigt ist.

[4] Der Beschwerdekritik zuwider (nominell Z 5a, der Sache nach Z 5 vierter Fall) hat sich das Erstgericht mit der leugnenden Verantwortung des Angeklagten auseinandergesetzt, diese jedoch als unglaubwürdig verworfen (US 18). Zu einer Erörterung sämtlicher Details seiner Aussagen war es entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0098778).

[5] Indem die Beschwerde – gestützt auf Z 5 vierter Fall – die Angaben des (Mit‑)Angeklagten G* (für sich betrachtet) als zur Fundierung der Feststellungen betreffend die Beteiligung des Beschwerdeführers ungeeignet erachtet, lässt sie außer Acht, dass das Erstgericht diese vor allem auf die (insoweit) als glaubwürdig beurteilten Einlassungen des * K* und * V* gründete (US 15 f). Solcherart orientiert sie sich nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe und verfehlt damit den Bezugspunkt einer Mängelrüge (RIS‑Justiz RS0119370).

[6] Soweit die der Sache nach auf Z 5 zweiter Fall gestützte Rüge moniert, die Würdigung der entlastenden Angaben des (Mit‑)Angeklagten V* in der Hauptverhandlung sei unterblieben, wonach dieser „keinen Tritt vom * S*“ gesehen habe (ON 33 S 18), ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie die in Rede stehende Aussage sinnentstellt verkürzt wiedergibt (RIS‑Justiz RS0116504 [T4]). Der Genannte verwies nämlich in dieser Vernehmung (auch) darauf, wahrgenommen zu haben, „wie“ der Angeklagte „mit der Faust ins Gesicht [des Opfers] geschlagen“ habe (vgl US 16; ON 33 S 17).

[7] Inwiefern die nach dem Beschwerdevorbringen (Z 5 zweiter Fall, nominell Z 5a) divergierenden Angaben der Zeugin F* und des Opfers zur genauen Anzahl der Angreifer den Feststellungen zur Tatbeteiligung (auch) des Angeklagten erörterungsbedürftig entgegenstehen sollten, macht die Beschwerde nicht klar (vgl RIS‑Justiz RS0116767).

[8] Die Kritik an Mängeln amtswegiger Sachverhaltsermittlung (hier: in Bezug auf die unterbliebene Beischaffung der Bilder einer Überwachungskamera) scheitert schon daran, dass der Beschwerdeführer nicht darlegt, wodurch er an darauf abzielender Antragstellung gehindert gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0115823).

[9] Weshalb es bei hier angenommener Mittäterschaft (US 11 f; RIS‑Justiz RS0090006, RS0089808; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 26) zur rechtsrichtigen Subsumtion in Ansehung der subjektiven Tatseite noch weiterer Konstatierungen dazu bedurft hätte, „ob sich der Vorsatz des Angeklagten darauf bezog, durch seine Handlung eine [schwere] Körperverletzung zu bewirken“, legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht methodengerecht dar (RIS‑Justiz RS0116565).

[10] Der Mängelrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung der subjektiven Tatseite im Hinblick auf die von den Angeklagten intendierte schwere Verletzungsfolge aus den beschriebenen Angriffshandlungen gegen ein bereits am Boden liegendes Opfer (US 11) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0099413). Mit seinen dagegen erhobenen Einwänden bekämpft der Beschwerdeführer bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (vgl § 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die (implizite) Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[12] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

[13] Hinzugefügt sei, dass die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zu Recht aufzeigt, dass dem den Angeklagten G* betreffenden Schuldspruch II./ (wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB) ein Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) anhaftet:

[14] Täter nach § 131 StGB kann nur derjenige sein, der am Grundtatbestand des Diebstahls (§ 127 StGB) beteiligt war (Salimi, SbgK § 131 Rz 35; Kienapfel/Schmoller, StudB BT II § 131 Rz 25; Stricker in WK2 StGB § 131 Rz 52).

[15] Nach den Urteilsfeststellungen forderte M* die ihm von K* (alleine) weggenommene Zigarettenpackung „direkt im Anschluss an die Wegnahme und das Einstecken“ wieder von diesem zurück.Dabei schlug ihm G* zweimal mit der flachen Hand auf den Nacken und drängte ihn „gewaltsam“ durch die Ausgangstür ins Freie. Es kam G* (unter anderem) darauf an, „durch Anwendung von Gewalt – 'Genickwatschen' und gewaltsames Hinausdrängen – gegen * M*, diesen zur Abstandnahme von der Zurückforderung seiner Sachen zu bringen“ (US 10 f). Solcherart verwirklichte der Angeklagte zu II./ nicht das Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB, sondern das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (Salimi, SbgK § 131 Rz 35; Kienapfel/Schmoller, StudB BT II2 § 131 Rz 25).

[16] Der aufgezeigte Subsumtionsfehler wirkte sich jedoch mangels Einflusses auf den (unter Anwendung von §§ 28 Abs 139a Abs 2 Z 3 StGB und § 19 Abs 4 Z 1 JGG nach § 84 Abs 4 StGB zu bildenden) Strafrahmen weder als solcher noch im Rahmen der Strafbemessung konkret zum Nachteil des Angeklagten aus. Dass das Erstgericht das Zusammentreffen von „2 Verbrechen“ (US 20) statt (nunmehr richtig) eines Verbrechens mit einem Vergehen wertete, betrifft bloß das Gewicht des – zu Recht angenommenen – Erschwerungsgrundes nach § 33 Abs 1 Z 1 StGB (RIS‑Justiz RS0116878 [T2 und T3]). Daher sah sich der Oberste Gerichtshof nicht zu amtswegigem Vorgehen bestimmt.

[17] Nach dieser Klarstellung besteht im Übrigen keine Bindung an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch (RIS‑Justiz RS0129614), sodass das Erstgericht in der Folge nach § 5 Abs 1 StRegG vorzugehen haben wird.

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