European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0120OS00148.24T.0304.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Das Urteil des Bezirksgerichts Korneuburg vom 15. Jänner 2013, GZ 10 U 30/12p‑23, verletzt im Schuldspruch 2./ § 146 StGB sowie § 270 Abs 4 Z 2 StPO.
Gründe:
[1] Mit – unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem und in gekürzter Form ausgefertigtem (§ 270 Abs 4 StPO) – Urteil des Bezirksgerichts Korneuburg vom 15. Jänner 2013, GZ 10 U 30/12p‑23, wurde * M* der Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB (1./), des Gebrauchs fremder Ausweise nach § 231 Abs 1 StGB und des Betrugs nach § 146 StGB (2./), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (3./) und der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB (4./) schuldig erkannt.
[2] Soweit hier von Relevanz hat der Angeklagte nach dem Inhalt des Schuldspruchs 2./ am 20. Juli 2011 in W* „einen amtlichen Ausweis, der für einen anderen ausgestellt ist, im Rechtsverkehr gebraucht, als wäre er für ihn ausgestellt, indem er den Behindertenausweis von * K* in seinem Auto hinter die Windschutzscheibe legte, um an einem Behinderten-Halteverbot zu parken und sich so die Parkgebühr erspart“ (ON 23 S 2).
Rechtliche Beurteilung
[3] Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht das Urteil des Bezirksgerichts Korneuburg vom 15. Jänner 2013, GZ 10 U 30/12p‑23, mit dem Gesetz nicht im Einklang.
[4] Nach § 270 Abs 4 StPO (der gemäß § 447 StPO auch für das Hauptverfahren vor dem Einzelrichter des Bezirksgerichts gilt) hat eine gekürzte Urteilsausfertigung die in § 270 Abs 2 StPO genannten Angaben mit Ausnahme der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 4 Z 1 StPO) sowie im Fall einer Verurteilung die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 4 Z 2 StPO) zu enthalten. Es muss daher auch aus einer gekürzten Urteilsausfertigung hervorgehen, welcher Tat der Angeklagte für schuldig befunden worden ist, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände, worunter nichts anderes zu verstehen ist, als die für die Subsumtion entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0101786 [T4]). Durch ein vollständiges Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) wird dem Gesetz insoweit Genüge getan (RIS‑Justiz RS0125764 [T2]). Liegt – wie hier – nur ein solcher Ausspruch vor, ist dieser der alleinige Bezugspunkt für die materiell‑rechtliche Beurteilung (vgl RIS‑Justiz RS0125764 [T4]; Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 60).
[5] Betrug nach § 146 StGB begeht, wer mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt.
[6] Nach dem (vorliegend in den Blick zu nehmenden) Referat der entscheidenden Tatsachen stellte der Angeklagte sein Fahrzeug „in einem Behinderten-Halteverbot“ ab (ON 23 S 2). Dass er dabei einen gebührenpflichtigen Parkplatz in Anspruch nahm (vgl 15 Os 111/22w), lässt sich dem bezeichneten Sachverhaltssubstrat gerade nicht entnehmen. Davon ausgehend bleibt die (offenkundig auf den Bereicherungsvorsatz abzielende) weitere Urteilsannahme, er habe sich „so die Parkgebühr erspart“, ohne Sachverhaltsbezug (RIS‑Justiz RS0119090).
[7] Solcherart verletzt die dennoch erfolgte Subsumtion des zu 2./ beschriebenen Verhaltens (auch) unter § 146 StGB diese Bestimmung sowie § 270 Abs 4 Z 2 StPO.
[8] Die aufgezeigte Gesetzesverletzung wirkte sich jedoch mangels Einflusses auf den (hier nach § 229 Abs 1 StGB determinierten) Strafrahmen weder als solche noch im Rahmen der Strafbemessung konkret zum Nachteil des Verurteilten aus. Denn das Erstgericht wertete bloß das „Zusammentreffen mehrerer Straftaten“ als erschwerend (ON 23 S 3), sohin einen Umstand, der (nach § 33 Abs 1 Z 1 StGB) weiterhin aggravierend ins Gewicht fällt (vgl RIS‑Justiz RS0116878 [T2], 12 Os 138/24x und 11 Os 4/24h). Folglich hat es mit der Feststellung der Gesetzesverletzung sein Bewenden (§ 292 vorletzter Satz StPO; vgl Ratz, WK‑StPO § 292 Rz 27).
[9] Nach dieser Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof besteht im Übrigen keine Bindung an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch (vgl RIS‑Justiz RS0129614), sodass das Erstgericht in der Folge nach § 5 Abs 1 StRegG vorzugehen haben wird.
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