OGH 15Os9/25z

OGH15Os9/25z4.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. März 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin FOI Bayer in der Strafsache gegen * R* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3, Abs 5 SMG, § 12 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 1. Oktober 2024, GZ 607 Hv 8/23s‑513, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0150OS00009.25Z.0304.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * R* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3, Abs 5 SMG, § 12 zweiter Fall StGB (A./) und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 3, Abs 5 SMG (B./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* und andernorts als führend tätiges Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen „zur Begehung solcher Straftaten“, bestehend aus * M*, * J*, * V* und * F*, dem unbekannt gebliebenen „Vi*“ und weiteren teils bekannten, teils unbekannten Mittätern, insbesondere mehr als sechs albanischen Kurieren, vorschriftswidrig Suchtgift

A./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus anderen Staaten aus‑ und nach Österreich eingeführt (I./) bzw andere dazu bestimmt (II./, III./), nämlich

I./ zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten in den Jahren 2018 und 2020 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei unbekannten Komplizen als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) insgesamt vier Kilogramm Kokain, enthaltend eine Reinsubstanz von zumindest zwei Kilogramm Cocain, indem sie es gemeinsam aus den Niederlanden nach W* brachten;

II./ „am 05.12.2018“ in W* (teils) namentlich genannte Kuriere dadurch, dass er zumeist gemeinsam mit M* die Aufträge an die albanischen Kuriere, die das Suchtgift bis nach R*/Serbien brachten, erteilte und dann selbst bzw über M* Logistiker, darunter auch J*, mit dem Weitertransport bis Österreich beauftragte, „die wiederum ihrerseits Kuriere beauftragten, und [er] auch direkt unbekannt gebliebene Kuriere mit Importen beauftragte“, dazu bestimmt, Cannabisblüten aus dem Kosovo über Serbien, Ungarn und teilweise die Slowakei nach Österreich zu bringen, nämlich in den im Urteil zu den Punkten 1) bis 8) genannten Angriffen betreffend insgesamt zumindest 2.000 Kilogramm Cannabisblüten (enthaltend rund 200 Kilogramm THCA und 10 Kilogramm Delta-9-THC Reinsubstanz), die diese nach Österreich brachten;

III./ nicht mehr auszuforschende Kuriere dadurch, dass er diese damit beauftragte, 30 Kilogramm Cannabisblüten (enthaltend 0,5 % Delta-9-THC und 10 % THCA) aus dem Westbalkan nach Österreich einzuführen, und zwar am 10. Februar 2021 und 14. Februar 2021;

B./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Nachgenannten überlassen bzw verschafft, nämlich

I./ * A* sowie anderen unbekannt gebliebenen Abnehmern in den Jahren 2018 bis 2020 in W* insgesamt etwa vier Kilogramm Kokain, enthaltend eine Reinsubstanz von zumindest zwei Kilogramm Cocain, indem er es den Genannten in mehrfachen Angriffen anlässlich gewinnbringender Verkäufe übergab;

II./ indem er in den unter A./II./ genannten Fällen (ausgenommen der Sicherstellung von 127,8 Kilogramm Cannabisblüten am 22. Oktober 2018 sowie 44,8 Kilogramm Cannabisblüten am 5. Dezember 2018) entweder seine Importeure und Mittäter, darunter auch F*, zur Übergabe an * Al*, * D*, * S*, * Se* und weitere unbekannt gebliebene Abnehmer aufforderte oder das Suchtgift nach der Übernahme von seinen Importeuren und Mittätern selbst den Abnehmern übergab.

[3] Die Geschworenen bejahten die Hauptfragen in Richtung des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3, Abs 5 SMG, § 12 zweiter Fall StGB (Hauptfrage 1./) und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 3, Abs 5 SMG (Hauptfrage 2./). Weitere Fragen wurden nicht gestellt.

Rechtliche Beurteilung

[4] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 4, 6, 8 und 9 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die nicht berechtigt ist.

[5] Die zu A./II./ des Schuldspruchs im Hinblick auf den Tatzeitraum sowie eine Faktenbezeichnung behaupteten Widersprüche zwischen Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) und dem Wahrspruch der Geschworenen (ON 512 S 5 iVm Beilage ./C zu ON 512) betreffen – entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) – keine für die Frage der Schuld oder die rechtliche Kategorie entscheidende Tatsache (siehe zur Tatzeit RIS‑Justiz RS0098557) und sind daher unbeachtlich (vgl Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 9).

[6] Weshalb in Bezug auf die dem Angeklagten zur Last gelegten zwei Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3, Abs 5 SMG, § 12 zweiter Fall StGB (A./) sowie nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 3, Abs 5 SMG (B./) ungeachtet der ungleichartigen Tatbilder der Aus‑ und Einfuhr einerseits sowie des Überlassens und Verschaffens von Suchtgift andererseits nur eine einzige Hauptfrage hätte gestellt werden dürfen (vgl aber RIS‑Justiz RS0118871 [T9]), legt die Fragenrüge (Z 6) nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar.

[7] Die Beschwerde (Z 6) kritisiert weiters, das Erstgericht habe es verabsäumt, „zur subjektiven Tatseite des Angeklagten entsprechende Fragen zu stellen“. Sie erklärt aber nicht, weshalb es ungeachtet der Vorschrift des § 7 Abs 1 StGB einer ausdrücklichen Aufnahme des Vorsatzes in die beiden Hauptfragen bedurft hätte (RIS‑Justiz RS0113270).

[8] Die Reklamation wortgleicher Übereinstimmung der Textierung von Anklagetenor und Hauptfragen (Z 6, nominell teilweise auch Z 9) lässt außer Acht, dass Abweichungen der Frageformulierung von der Anklage (hier: in Bezug auf einen Tatort, die Benennung eines Kuriers und eine Faktenbezeichnung), die weder den gesetzlichen Tatbestand noch die Identität der Tat berühren, ohne Weiteres zulässig sind (RIS‑Justiz RS0100562). Mit seinem weiteren Einwand, das Erstgericht habe abweichend von B./II./ der Anklageschrift (ON 374) nicht nach „Bestimmung [§ 12 zweiter Fall StGB] zum Überlassen“ (§ 28a Abs 1 fünfter Fall SMG), sondern „nach dem Verschaffen“ von Suchtgift (§ 28a Abs 1 sechster Fall SMG) gefragt, ist der Beschwerdeführer auf die in der Hauptverhandlung erfolgte, entsprechende Modifikation durch die Anklagebehörde zu verweisen (ON 414 S 9).

[9] Die Instruktionsrüge (Z 8) geht mit ihrer Kritik am Unterbleiben „der Erklärung“ (auch) der Begehungsformen des Erzeugens (§ 28a Abs 1 erster Fall SMG) und des Anbietens von Suchtgift (§ 28a Abs 1 vierter Fall SMG) daran vorbei, dass den Geschworenen Rechtsbelehrung nur zu gestellten Fragen zu erteilen ist (RIS‑Justiz RS0101085).

[10] Inwiefern der – im Übrigen angesichts der mehrfachen richtigen Benennung auch aus dem Empfängerhorizont eines maßgerechten Laienrichters (vgl dazu Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 58) leicht als solcher erkennbare – Schreibfehler in Bezug auf die Subsumtion der Taten (hier: unter die Qualifikation [auch] des § 28a Abs 5 SMG [Beilage ./B zu ON 512 S 23]) geeignet sein könnte, die richtige Beantwortung der Hauptfragen zu beeinflussen, lässt die Rüge (Z 8) offen. Hinzugefügt sei, dass die Geschworenen ohnedies nicht nach der rechtlichen Unterstellung zu fragen sind (RIS‑Justiz RS0100770).

[11] Die Instruktionsrüge (Z 8) moniert weiters, die schriftliche Rechtsbelehrung lasse Ausführungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf das Agieren als Mitglied einer „Großbande“ iSd § 28a Abs 4 Z 2 SMG vermissen, orientiert sich dabei aber – prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0119071) – nicht an deren Inhalt, wonach für „sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 28a SMG […] (zumindest bedingter) Vorsatz des Täters erforderlich“ ist (vgl Beilage ./B zu ON 512 S 20).

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß §§ 344, 285d Abs 1 StPO bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Dies gilt auch für die angemeldete (ON 512 S 8), im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehene (§§ 344, 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (RIS‑Justiz RS0098904). Die Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 344, 285i StPO).

[13] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte