OGH 12Os144/24d

OGH12Os144/24d4.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. März 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Haslwanter LL.M., Dr. Sadoghi und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Müller BSc in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. September 2024, GZ 36 Hv 17/24t‑33.2, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0120OS00144.24D.0304.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (I./), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II./) und des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* * A* M*

I./ Ende Mai 2023 durch gefährliche Drohung zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er ihr androhte, er werde Fotos, die deren heimliche Beziehung belegen und sie ohne Kopftuch sowie nur teilweise bekleidet zeigen, ihrer Familie schicken, wenn sie sich nicht von ihm anfassen lassen werde (gemeint: sexuelle Handlungen an ihr vornehmen lasse) und sie sodann am ganzen Körper unterhalb der Kleidung berührte, sie auszog, sich nackt auf sie legte und seinen Penis an ihrer Vagina bis zum Samenerguss rieb;

II./ am 30. Mai 2023 gefährlich mit einer Verletzung am Körper bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er sinngemäß zu ihr sagte: „Wieso kommst du so spät nach Hause? Ich werde dich jetzt töten!“ und dies durch drei Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht bekräftigte;

III./ am 31. Mai 2023 mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie an den Beinen festhielt und sie vaginal penetrierte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 5, 5a, 8 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

[4] Zum Faktum I./ vernachlässigt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370). Denn die Tatrichter haben den Bedeutungsinhalt der inkriminierten Ankündigung, für den Fall sexueller Handlungen kompromittierende Fotos des Opfers an dessen Familie zu übersenden, genau aus einer diesbezüglichen, zuvor getätigten Inaussichtstellung und nicht nur aus der Mitteilung, diese löschen zu wollen, abgeleitet (US 4).

[5] Entgegen der weiteren Beschwerde (Z 5 vierter Fall) ist der (zu III./) aus dem objektiven Verhalten gezogene Schluss auf die subjektive Tatseite unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882).

[6] Die Argumentation, wonach das Festhalten der Beine und die Bewegung des Beckens der Frau beim Geschlechtsakt nicht zwingend auf einen Vergewaltigungsvorsatz schließen ließen, beschränkt sich auf eine Infragestellung der Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer Schuldberufung, die im kollegialgerichtlichen Verfahren aber nicht vorgesehen ist.

[7] Die Tatsachenrüge (Z 5a) erweckt keine erheblichen Bedenken gegen den Ausspruch über die Schuld, indem sie auf Basis eigenständiger Beweiswerterwägungen das Opferverhalten vor und nach der Tat als unplausibel darstellt und davon ausgehend die Feststellungen zum Tathergang (zu III./) als „lebensfern“ und „unglaubwürdig“ kritisiert.

[8] Der Einwand der Überschreitung der Anklage (Z 8) bezieht sich darauf, dass das Erstgericht das von der Staatsanwaltschaft als Vergehen der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 erster Fall StGB angeklagte Tatgeschehen (III./) abweichend als Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB abgeurteilt hätte, ohne den Angeklagten dazu entsprechend § 262 StPO zu hören. Der Beschwerdeführer übersieht aber, dass ihm die entsprechende Information ohnedies ausdrücklich erteilt wurde (vgl ON 33.1 S 12).

[9] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst (zu I./) Konstatierungen zum Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich der fehlenden Einwilligung des Opfers. Sie geht aber prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) an der Feststellung vorbei, wonach sich dessen subjektive Tatseite darauf bezog, dass er das Opfer dazu nötigte, die sexuellen Handlungen über sich ergehen zu lassen (US 5).

[10] Aus welchem Grund die Konstatierung, wonach der Angeklagte (zu II./) in der Absicht handelte, das Opfer in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 5), für eine Tatbeurteilung nach § 107 Abs 1 StGB nicht ausreichen sollte, macht die Beschwerde nicht deutlich.

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

[12] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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