European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00012.25K.0227.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.000,75 EUR (darin 166,79 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 27. 7. 2022 aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden. Seit Oktober 2023 ist die Klägerin Alleineigentümerin jenes Einfamilienhauses, das früher als Ehewohnung diente und im Miteigentum der Streitteile stand.
[2] Die Klägerin war während aufrechter Ehe mit 25 Wochenstunden als Büroassistentin tätig, wodurch sie ein monatliches Einkommen von 1.249,12 EUR erzielte. Nachdem das Dienstverhältnis zum 15. 3. 2023 aufgekündigt wurde, ist sie ohne Beschäftigung. Die Klägerin hätte aber ungeachtet ihrer gesundheitlichen Einschränkungen binnen fünf Monaten eine Vollzeitbeschäftigung antreten und dadurch ein monatliches Einkommen von 1.874,47 EUR erzielen können.
[3] Das monatliche Einkommen des Beklagten betrug 4.130,93 EUR im Jahr 2022, 3.800,38 EUR im Jahr 2023 und 3.504,75 EUR im Jahr 2024. Darüber hinaus erhielt er im Oktober 2023 ein Jubiläumsgeld von 5.020,33 EUR.
[4] Die Klägerin begehrt monatlichen Unterhalt von 753,92 EUR für die Zeit von September bis Dezember 2022, von 891,95 EUR für die Zeit von Jänner bis September 2023, von 1.141,65 EUR für die Zeit von Oktober bis Dezember 2023 sowie von 1.153,43 EUR ab Jänner 2024.
[5] Der Beklagte wendet ein, dass der Klägerin eine eigene Erwerbstätigkeit zumutbar wäre und der Unterhaltsanspruch aufgrund ihrer Wohnversorgung entsprechend zu mindern sei.
[6] Das Berufungsgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 545 EUR für die Zeit von September bis Dezember 2022, von 445 EUR für Jänner 2023, von 130 EUR für die Zeit von Oktober bis Dezember 2023 sowie von 40 EUR ab Jänner 2024 und wies das darüber hinausgehende Zahlungsbegehren ab. Auch wenn die Klägerin während aufrechter Ehe nur teilzeitbeschäftigt gewesen sei, wäre ihr ab September 2022 die Annahme einer Vollzeitbeschäftigung zumutbar gewesen, sodass sie sich ein solches Einkommen auf ihren Unterhaltsanspruch anrechnen lassen müsse. Darüber hinaus müsse sich die Klägerin für die Wohnversorgung 25 % ihres Haushaltseinkommens (Einkommen einer Vollzeitbeschäftigung samt rechnerischem Ergänzungsunterhalt) abzüglich der Betriebskosten des Hauses von 180 EUR monatlich anrechnen lassen, sodass sich der Unterhaltsanspruch entsprechend mindere und für die Zeit von Februar 2023 bis zur Auszahlung des Jubiläumsgeldes im Oktober 2023 kein Unterhaltsanspruch bestehe. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision im Hinblick auf die Frage der Anrechenbarkeit einer Wohnkostenersparnis zulässig sei.
[7] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit welcher sie den Zuspruch eines monatlichen Unterhalts von 902 EUR für die Zeit von September bis Dezember 2022, von 770 EUR im Jänner 2023, von 395,15 EUR für die Zeit von Februar bis September 2023 sowie von 444 EUR ab Jänner 2024 begehrt; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[8] Der Beklagte beantragt die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
[10] 1. Der Unterhaltsanspruch des schuldlos Geschiedenen beträgt grundsätzlich vierzig Prozent des gemeinsamen Einkommens abzüglich des eigenen Einkommens (RS0057433; RS0012492). Hat der Unterhaltsberechtigte nicht für die Kosten der Wohnversorgung aufzukommen, so bedarf er aber regelmäßig nicht mehr des gesamten Geldunterhalts (RS0047254). Der unterhalts-berechtigte Ehegatte, dem der Unterhaltsschuldner unentgeltlich eine Wohnung überlassen hat, muss sich deshalb die Wohnungskosten, die er andernfalls selbst zahlen müsste, in angemessener Höhe auf seinen Geldunterhaltsanspruch anrechnen lassen (RS0119434). Dabei ist auf den fiktiven Mietwert der Wohnung abzustellen (RS0047254 [T11, T15]). Eine fiktive Mietersparnis ist auch dann anzurechnen, wenn der Unterhaltsschuldner – wie dies hier bis September 2023 der Fall war – nur Miteigentümer der dem Unterhalts-berechtigten zur Verfügung stehenden Wohnung ist (RS0121283).
[11] 2. Die Klägerin meint, dass das Berufungsgericht die Wohnversorgung der Klägerin nur bis zu jenem Zeitpunkt, in dem die Klägerin Alleineigentümerin des Hauses wurde, unterhaltsmindernd berücksichtigen hätte dürfen. Richtig ist, dass die Wohnversorgung der Klägerin ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als Naturalunterhaltsleistung des Beklagten qualifiziert werden kann. Dies ändert aber nichts daran, dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch der Unterhaltsberechtigte, der seinen Wohnbedarf in einem ihm selbst gehörenden Haus deckt, nicht mehr des gesamten festgesetzten Geldunterhalts bedarf (RS0047254 [T17]). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach die Wohnversorgung der Klägerin auch für jene Zeit, in der sie bereits Alleineigentümerin des von ihr bewohnten Hauses war, eine Minderung des Unterhaltsanspruchs bewirkt, kann sich damit auf die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stützen.
[12] 3. Die Klägerin macht geltend, dass ihr das Berufungsgericht jedenfalls einen Geldunterhalt zusprechen hätte müssen, weil sie von der Wohnversorgung allein nicht leben könne. Richtig ist, dass die Wohnkostenersparnis auf den Unterhaltsanspruch nur so weit anzurechnen ist, wie der sonstige Unterhaltsbedarf gedeckt ist (RS0047254 [T1]). Jedenfalls dann, wenn sich der Geldunterhalt (rechnerisch) aufgrund der Wohnversorgung um mehr als ein Viertel mindern würde, ist zu überprüfen, ob der Restunterhalt noch zur angemessenen Deckung der Restbedürfnisse ausreicht (RS0123484 [T4]). Zumindest bei durchschnittlichen Verhältnissen lässt die Rechtsprechung eine Kürzung des Geldunterhaltsanspruchs aufgrund der Wohnversorgung des Unterhaltsberechtigten deshalb lediglich um ein Viertel zu (4 Ob 42/10w; 6 Ob 43/12k; 8 Ob 164/22h).
[13] 4. Dieses Viertel ist bei Unterhaltsberechtigten, die ein eigenes Einkommen haben, nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs aus dem Eigeneinkommen und dem ungekürzten Ergänzungsunterhalt zu ermitteln (RS0123484 [T6]). Die Wohnversorgung des Unterhaltsberechtigten kann deshalb auch zum vollständigen Erlöschen des Ergänzungsunterhaltsanspruchs führen. Die Klägerin verfügt zwar derzeit über kein Einkommen, muss sich aber nach § 66 EheG jenes Einkommen anrechnen lassen, das sie als Vollzeitbeschäftigte erzielen hätte können (RS0080396; RS0110630). Dass sie während der aufrechten Ehe nur einer Teilzeitbeschäftigung nachging, macht eine solche Vollzeitbeschäftigung im Anwendungsbereich des § 66 EheG nicht unzumutbar (RS0057355). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Anrechnung der Wohnversorgung angesichts der ihr zumutbaren Vollzeitbeschäftigung für die Zeit von Februar bis Oktober 2023 zum vollständigen Erlöschen ihres Unterhaltsanspruchs führt, ist damit von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gedeckt.
[14] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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