OGH 3Ob212/24h

OGH3Ob212/24h26.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*, vertreten durch M2S Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S* GmbH, *, vertreten durch Dr. Manfred Palkovits, Mag. Martin Sohm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Verbesserung und Feststellung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss im Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Juni 2024, GZ 2 R 22/24f‑53, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21. November 2023, GZ 42 Cg 13/20g‑47, teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00212.24H.0226.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger erwarb im Jahr 2017 von der Beklagten nach mehrmaliger Besichtigung eine Eigentumswohnung. Im Kaufvertrag vereinbarten die Parteien, dass der Käufer die „vorhandenen sichtbaren und feststellbaren Qualitäts‑ und Arbeitsmängel an den Oberflächen gesehen und zur Kenntnis genommen“ habe und dass alle diese sichtbaren Mängel „durch eine Preisreduktion im Ausmaß von insgesamt 49.000 EUR (...) endgültig abgegolten“ seien.

[2] Der Kläger begehrte, die Beklagte zu konkret (in insgesamt 18 Punkten) formulierten Mängelbeseitigungs-maßnahmen zu verpflichten, sowie die Haftung der Beklagten für Folgeschäden festzustellen.

[3] Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, die Verbesserungsbegehren beträfen zum Großteil allgemeine Teile des Hauses, weshalb der Kläger dafür nicht aktivlegitimiert sei. Die anderen Mängel seien durch die Preisreduktion abgegolten.

[4] Das Erstgericht wies die Verbesserungsbegehren – mit Ausnahme der als Punkte 13. und 15. bezeichneten (betreffend die Sanierung eines Feuchtigkeitsflecks in einem Zimmer sowie das Unter-Putz-Verlegen der Stromverkabelung in drei Zimmern) – sowie das Feststellungsbegehren ab.

[5] Einen Mehrheitsbeschluss für seine Begehren, die allgemeine Teile des Hauses beträfen, habe der Kläger nicht eingeholt; die übrigen Mängel (mit Ausnahme der beiden zuerkannten) seien bei den Besichtigungen vor dem Kauf erkennbar gewesen und daher durch die Kaufpreisreduzierung abgegolten. Mit Folgeschäden sei nicht zu rechnen.

[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise und der des Klägers zur Gänze Folge. Es bestätigte die Entscheidung „mit der Maßgabe“, dass es betreffend die Verpflichtung der Beklagten zu der in Punkt 15. begehrten Sanierungsmaßnahme der Beklagten auftrug, „die fehlende Leerverrohrung für die Einleitung eines Koaxial‑Internetkabels zur U‑Dose im Nebenzimmer links zu verlegen“. Im Übrigen – also hinsichtlich sämtlicher anderen Verbesserungsbegehren sowie des Feststellungsbegehrens – hob es das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

[7] Der Kläger habe zu den in seiner Klage formulierten Verbesserungsbegehren, die allgemeine Teile der Liegenschaft beträfen, vorgebracht, dass durch diese Ansprüche auf Mängelbeseitigung Gemeinschaftsinteressen nicht beeinträchtigt werden könnten. Die Frage der Aktivlegitimation des Klägers könne auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen aber nicht abschließend beantwortet werden. Ebenso könne die Frage, inwieweit die nach den Feststellungen des Erstgerichts als „erkennbar“ qualifizierten Mängel durch die vertraglich vereinbarte Kaufpreisreduzierung erfasst und abgegolten seien, nicht abschließend beurteilt werden. Es bedürfe geeigneter Feststellungen, um beurteilen zu können, welche sichtbaren Qualitäts‑ und Arbeitsmängel an den Oberflächen die Vertragsparteien für den anderen erkennbar gemeint hätten, ob der Kläger die Schäden „in der nunmehr vorhandenen Ausprägung gesehen und in ihrer Tragweite zur Kenntnis genommen“ habe, und ob aus diesen Mängeln künftige Schäden auszuschließen seien.

[8] Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss sei zur Frage zulässig, ob die Aktivlegitimation des Erwerbers einer Eigentumswohnung betreffend die Geltendmachung von Verbesserungsansprüchen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft „für jedenfalls sanierungsbedürftige (Feuchtigkeits‑)Mängel der gegenständlichen Art generell zu bejahen“ sei oder ob eine Verbesserung auch solcher Mängel die mögliche Beeinträchtigung von Gemeinschaftsinteressen in sich berge.

[9] Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungs-gerichts richtet sich der Rekurs der Beklagten, der auf eine Abweisung der verbleibenden Klagebegehren abzielt.

[10] In seiner Rekursbeantwortung beantragt der Kläger, das Rechtsmittel „zurück‑ oder abzuweisen“.

Rechtliche Beurteilung

[11] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Rekurs an den Obersten Gerichtshof mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

[12] 1.1 Nach ständiger Rechtsprechung zur Geltend-machung von Gewährleistungsansprüchen wegen Mängeln allgemeiner Teile des Hauses durch den Erwerber einer Eigentumswohnung ist bei Bestehen einer Rechtsgemeinschaft am Erfordernis eines Mehrheitsbeschlusses grundsätzlich festzuhalten, weil die möglicherweise unterschiedlichen Interessen der anderen Wohnungseigentümer nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (RS0108158 [T27]; vgl auch RS0082907 [T9]). Entbehrlich ist ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft oder die Entscheidung des Außerstreitrichters (nur) dann, wenn bei der Geltendmachung von Gewährleistungs‑ und/oder Schadenersatzansprüchen betreffend allgemeine Teile durch einen einzelnen Mit‑ und Wohnungseigentümer Gemeinschaftsinteressen nicht beeinträchtigt werden können, also kein Interessenkonflikt möglich ist (5 Ob 167/23d [Rz 29] mwN; Painsi in GeKo Wohnrecht II2 § 18 WEG Rz 32 mwN). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die den einzelnen Wohnungseigentümern zustehenden Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche auf ordnungsgemäße Herstellung und Beseitigung von Mängeln allgemeiner Teile mit dem der Verwaltung zuzuordnenden Bereich der Erhaltung allgemeiner Teile und Behebung ernster Schäden in einzelnen Wohnungseigentumsobjekten weitgehend deckungsgleich sind (vgl RS0119208). Daher kann in bestimmten Konstellationen die Rechtsverfolgung des Einzelnen die Gemeinschaftsinteressen beeinträchtigen. Wenn und soweit das Vorgehen des einzelnen Wohnungseigentümers Gemeinschaftsinteressen beeinträchtigen könnte, fordert die Rechtsprechung daher die Einholung eines die Rechtsverfolgung deckenden Mehrheits-beschlusses oder eine entsprechende Entscheidung des Außerstreitgerichts (Painsi in GeKo Wohnrecht II2 § 18 WEG Rz 28 mwN). Jedenfalls bei Gefahr der Verfristung wird eine Klage aus Gewährleistung oder Schadenersatz wegen Mängel an allgemeinen Teilen des Hauses, die von einem Erwerber einer Eigentumswohnung erhoben wird, auch schon vor einem Mehrheitsbeschluss zugelassen, wobei einem fristwahrenden Kläger Gelegenheit zu geben ist, die fehlende Zustimmung der Mehrheit in gesetzmäßiger Form beizubringen. Es reicht dann aus, dass der entsprechende Mehrheitsbeschluss bei Schluss der Verhandlung vorliegt (RS0108159). Haben die Beteiligten ihre Wahl bereits getroffen (etwa, weil die Sanierung bereits veranlasst wurde), besteht überhaupt keine Möglichkeit eines Interessenkonflikts mehr, weshalb die Forderung nach einem Mehrheitsbeschluss obsolet ist (RS0108158 [T12 und T13]).

[13] 1.2 Die Beklagte hat – worauf sie in ihrem Rekurs zutreffend hinweist – bereits in ihrer Klagebeantwortung den Einwand erhoben, dass der Kläger für die Geltendmachung von Mängeln an allgemeinen Teilen des Hauses einen entsprechenden Mehrheitsbeschluss weder behauptet noch vorgelegt habe. Dieser hat dem allerdings (wenngleich erst wesentlich später) im erstinstanzlichen Verfahren erwidert, ein solcher Mehrheitsbeschluss sei hier nicht erforderlich (gewesen), weil durch die konkret geltend gemachten Sanierungsbegehren keine Gefährdung von Gemeinschaftsinteressen möglich (denkbar) sei. Etwa seien allfällige Ansprüche anderer Mit‑ und Wohnungseigentümer gegen die Beklagte bereits verfristet (Protokoll ON 58 Seite 6 = AS 258). Dass Gemeinschaftsinteressen grundsätzlich nicht gefährdet seien, wenn wegen einer Verfristung allfälliger Ansprüche der anderen Wohnungseigentümer keine Wahl zwischen Verbesserung und Preisminderung mehr zu treffen sei, wurde bereits ausgesprochen (5 Ob 130/05m mwN).

[14] 1.3 Zur Zulassungsfrage des Berufsgerichts ist daher auf die ständige Rechtsprechung hinzuweisen, nach der die Frage, ob für geltend gemachte Behebungsmaßnahmen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft ein Mehrheitsbeschluss erforderlich ist, nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden kann.

[15] 1.4 Feststellungen zur Frage einer hier möglichen Beeinträchtigung der Interessen der anderen Mit‑ und Wohnungseigentümer hat das Erstgericht bisher nicht getroffen, sondern die Abweisung der sich auf allgemeine Teile der Liegenschaft beziehenden Begehren des Klägers allein mit dem fehlenden Mehrheitsbeschluss begründet. Wenn das Berufungsgericht daher der Ansicht ist, dass der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, so kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (RS0042179).

[16] 2. Ob die vom Berufungsgericht zur Frage, ob andere der geltend gemachten Mängel von der vertraglich vereinbarten Preisreduktion erfasst sind oder nicht, als notwendig erachtete Ergänzung des Verfahrens und der Feststellungen notwendig ist, hat der Oberste Gerichtshof ebenfalls nicht zu prüfen (vgl RS0042179 [T19]).

[17] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Im Zwischenstreit über die (mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte) Zulässigkeit des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluss im Sinn des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO gibt es keinen Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO (RS0123222 [T4]). Der Kläger hat aber in seiner Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses nicht hingewiesen (RS0035979 [T15]).

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