OGH 4Ob178/24s

OGH4Ob178/24s25.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * Netherlands B.V., *, Niederlande, vertreten durch die CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei * GmbH, *, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 70.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 30. August 2024, GZ 5 R 77/24s‑57.1, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00178.24S.0225.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

 

Spruch:

I. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird von * BV, *, Niederlande, auf * Netherlands B.V., *, Niederlande, berichtigt.

II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Zu I.

[1] Aus der Revision und dem vorgelegten Auszug der niederländischen Wirtschaftskammer ergibt sich, dass die klagende Gesellschaft ihre Firma und ihre Adresse wie im Spruch ersichtlich geändert hat, sodass die Parteienbezeichnung gemäß § 235 Abs 5 ZPO entsprechend zu berichtigen war.

Zu II.

[2] Die Klägerin vertreibt die einzigen beiden in Österreich zugelassenen cannabis-basierten Arzneimittelspezialitäten. Diese enthalten die Wirkstoffe Cannabidiol (CBD) und Dronabinol (THC).

[3] Die Muttergesellschaft der Beklagten stellt CBD und THC in Arzneistoffqualität her, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimitteln verwendet zu werden. Die Schwestergesellschaft der Beklagten vertreibt diese Wirkstoffe im Internet an Arzneigroßhändler. Die Beklagte erbringt unter anderem Marketing- und Werbedienstleistungen für den Konzern. Sie fördert den Absatz von CBD und THC unter anderem über ihr passwortgeschütztes Online-Portal, zu dem nur Ärzte, Apotheker und Arzneimittelhersteller Zutritt haben. Dort zeigen Broschüren und Videos pharmakologische Wirkeigenschaften, Therapieeffekte und Anwendungsmöglichkeiten von CBD und THC auf. Weiters finden sich darin neben Bestellinformationen für die auch als Wirkstoff-Sets zur Herstellung von öligen Lösungen, Tropfen oder Kapseln erhältlichen Reinsubstanzen auch Hinweise zur Zubereitung magistraler Mischungen mit CBD und THC, wie zB Herstellungsanleitungen in Videoformat und tabellarische Dosierungsvorschläge.

[4] Die Beklagte bot vor Verfahrenseinleitung an, es zu unterlassen, CBD und THC als oder in magistrale/n Zubereitungen zu bewerben.

[5] Die Klägerin begehrte, der Beklagten die Bewerbung von CBD und THC durch vierzehn konkret genannte Aussagen zu therapeutischen Effekten von CBD bzw THC zu untersagen, sowie Urteilsveröffentlichung. Die Verletzung arzneimittelrechtlicher Werbebestimmungen des AMG schaffe einen Wettbewerbsvorteil durch Rechtsbruch iSd § 1 Abs 1 Z 1 UWG.

[6] Die Beklagte wandte ein, dass CBD und THC bloße Wirkstoffe seien. Wirkstoffe seien seit der Novelle BGBl I 2013/48 aber keine Arzneimittel iSd AMG mehr und daher nicht vom Werbeverbot der §§ 50 ff AMG erfasst. Zumindest sei diese Rechtsansicht vertretbar.

[7] Im Sicherungsverfahren erließ das Erstgericht die einstweilige Verfügung mit Einschränkungen. Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab, weil das AMG nur die Bewerbung von Arzneimitteln beschränke, die Bewerbung bloßer Wirkstoffe sei nicht verboten. Der Oberste Gerichtshof wies den dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zu 4 Ob 80/22a zurück. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass die von der Beklagten mit ihrem passwortgeschützten Onlineportal angesprochenen Fachkreise CBD und THC als bloße Wirkstoffe einordnen und nicht davon ausgehen würden, dass diese auch als Reinsubstanzen Patienten verabreicht werden könnten, sei nicht korrekturbedürftig. Die im Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen zur Zulässigkeit einer Bewerbung von magistralen Mischungen stelle sich in diesem Verfahren nicht, weil sich das Unterlassungsbegehren nicht auf magistrale Mischungen beziehe.

[8] Die Klägerin modifizierte im Hauptverfahren ihr Unterlassungsbegehren durch einen Zusatz (fett hervorgehoben), sodass der Beklagten die Bewerbung von CBD und THC zur Verwendung in oder als magistrale/n Zubereitungen durch vierzehn konkret genannte Aussagen zu den therapeutischen Effekten von CBD und THC verboten werden sollte. Die Beklagte bewerbe magistrale Zubereitungen, obwohl für diese ein absolutes Werbeverbot gelte – entgegen der Ansicht der Vorinstanzen im Sicherungsverfahren auch dann, wenn die Werbung nicht auf einen konkreten Arzt oder eine konkrete Apotheke Bezug nehme. Für die Spürbarkeit reiche es schon aus, wenn die Werbung den Absatz der für die magistrale Zubereitung konkret genannten Wirkstoffe fördere, mögen diese auch bei Herstellern außerhalb des Konzerns der Beklagten bezogen werden können.

[9] Die Vorinstanzen wiesen die Klagebegehren ab. Magistrale Zubereitungen iSd § 2 Abs 11a AMG seien Arzneimittel iSd § 50 Abs 1 AMG. Da § 50a Abs 1 AMG die Ausnahmen vom Werbeverbot taxativ aufzähle, gelte für magistrale Zubereitungen das Werbeverbot. Dieser Rechtsbruch der Beklagten löse dennoch keinen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus, weil es nicht zu einer spürbaren Nachfrageverlagerung komme. Auf der Website der Beklagten würden nämlich keine bestimmten Ärzte oder Apotheken genannt. Ein Arzt ordne bei Verschreibung einer magistralen Zubereitung nicht an, bei welcher Apotheke diese einzulösen sei oder die Wirkstoffe welches Herstellers die Apotheke zu verwenden habe.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die außerordentliche Revision der Klägerin zielt auf die Stattgebung der Klagebegehren ab. Sie zeigt aber keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist daher nicht zulässig.

[11] 1. Nach Ansicht der Klägerin sei die Revision zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Bewerbung magistraler Mischungen und der Spürbarkeit damit zusammenhängender Verstöße fehle.

[12] 1.1. Die Anrufung des Obersten Gerichtshofs ist nach § 502 Abs 1 ZPO nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, die angeschnittene Rechtsfrage also für die Entscheidung präjudiziell ist (RS0088931). Fehlende Relevanz für die Entscheidung des zu beurteilenden Falls schließt das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus. Die im Rechtsmittel als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO erachteten Rechtsfragen sind aus nachstehenden Erwägungen für die Entscheidung nicht präjudiziell:

[13] 1.2. Die Klägerin stellte im Hauptverfahren nicht mehr in Frage, dass die angesprochenen Fachkreise die Werbung der Beklagten für Reinsubstanzen als Werbung für Wirkstoffe und nicht als Werbung für Präsentationsarzneimittel auffassen. Dies stellt die Klägerin im Hauptverfahren nicht mehr in Frage.

[14] 1.3. Schon im Sicherungsverfahren wies der Senat darauf hin, dass nicht die Zulässigkeit des Webauftritts der Beklagten schlechthin oder auch nur auf Basis des gesamten Tatsachenvorbringens zu prüfen ist, sondern ausschließlich, ob die von der Klägerin formulierten Unterlassungsansprüche auf Basis des von ihr behaupteten und bescheinigten Sachverhalts zu Recht bestehen.

[15] Auch nach der Klagsänderung betreffen die Unterlassungsbegehren der Klägerin ausschließlich die Bewerbung der Wirkstoffe CBD und THC durch vierzehn konkret genannte Aussagen zu ihren therapeutischen Effekten. Der Einschub „zur Verwendung in oder als magistrale Zubereitungen“ führt nicht dazu, dass nun die Bewerbung von magistralen Mischungen Gegenstand des angestrebten Verbots wäre. Ein bloßer allgemeiner Hinweis, dass ein beworbener Wirkstoff „in oder als magistrale Mischung“ Verwendung finden könne, ist noch keine Bewerbung von (bestimmten) magistralen Mischungen.

[16] 1.4. Dass dieser Aspekt der Schlüssigkeit des Klagebegehrens von den Vorinstanzen nicht thematisiert wurde, hindert den Obersten Gerichtshof nicht, ihn aufzugreifen. Die mangelnde Schlüssigkeit des Klagsvorbringens ist bei erhobener Rechtsrüge im Rahmen der gebotenen allseitigen rechtlichen Prüfung des Sachverhalts wahrzunehmen (vgl RS0037854; vgl auch RS0035027; RS0036355 [T6]; RS0115575).

[17] Trotz des auch im Rechtsmittelverfahren geltenden Überraschungsverbots (vgl RS0037300 [T1]), kann die Zurückverweisung des Verfahrens ans Erstgericht zur Erörterung des Klagebegehrens hier unterbleiben. Die Formulierung des Klagebegehrens war bereits Thema des Sicherungsverfahrens, sodass die Klägerin im Hauptverfahren Gelegenheit zur Anpassung ihres Urteilsantrags hatte.

[18] 2. Im Ergebnis müssen die in der Revision genannten Rechtsfragen zur Spürbarkeit als nicht präjudiziell dahingestellt bleiben (vgl RS0088931 [T2]; RS0111271).

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