OGH 14Os5/25d

OGH14Os5/25d25.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Brüggler LL.M., BSc in der Strafsache gegen * B* wegen Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Jugendschöffengericht vom 1. Oktober 2024, GZ 13 Hv 45/24s‑57.5, weiters überdie Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht sowie einer bedingten Entlassung und Verlängerung der jeweiligen Probezeiten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00005.25D.0225.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* jeweils zweier Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (I./A./ und B./) sowie der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (II./ iVm I./A./ und B./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er im Zeitraum Dezember 2023 bis 3. April 2024 in S* und andernorts

I./ sich als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an terroristischen Vereinigungen (§ 278b Abs 3 StGB), die als auf längere Zeit angelegte Zusammenschlüsse von mehr als zwei Personen darauf ausgerichtet sind, dass von mehreren Mitgliedern der Vereinigungen terroristische Straftaten (§ 278c StGB), und zwar insbesondere Morde, Körperverletzungen und erpresserische Entführungen zum Nachteil von Personen, die nicht diesen Vereinigungen angehören, begangen werden, beteiligt, wobei er mit dem Wissen handelte, durch seine Beteiligung die terroristischen Vereinigungen oder deren strafbare Handlungen zu fördern, und zwar

A./ an der seit 1987 bestehenden palästinensisch sunnitisch-islamistischen Terrororganisation Hamas(„Harakat al-Muqawama al-islamiyya“), die die Vernichtung des Staates Israel und die Errichtung eines vom Islam als Staatsreligion geprägten Gottesstaates auf dem Staatsgebiet Israels und auf dem Territorium des Staates Palästina zum Ziel hat, indem er

1./ * G* aufforderte, die Hamas zu unterstützen, da diese ihre Brüder und Schwestern verteidigen müsse, dies auch weiterzusagen und andere davon zu überzeugen;

2./ N* S*, * Z*, O* S*, * A* und * D* gegenüber wiederholt sinngemäß äußerte, dass die Hamas ihre Brüder und Schwestern in Palästina verteidige und das gut und richtig sei, dass Allah Juden vernichten und man deswegen die Hamas unterstützen müsse;

3./ durch die zu I./A./1./ genannten Handlungen in G* und durch die zu I./A./2./ genannten Handlungen in D* den Entschluss weckte, für die Hamas gegen Israel zu kämpfen;

B./ an der seit Juni 2014 als „Islamischer Staat (IS)“ bezeichneten radikal islamistischen Terrormiliz, die das Ziel verfolgt, weite Gebiete des Nahen und Mittleren Ostens umfassende radikal-islamische „Gottesstaaten“ auf Grundlage einer strikten Auslegung der Scharia zu errichten, indem er

1./ G* einen Siegelring mit dem (auch in der Flagge des Islamischen Staates vorkommenden) Siegel des Propheten Mohammed zum Tragen überließ;

2./ selbst für Dritte sichtbar einen derartigen Ring trug, um durch Zurschaustellen von vom IS verwendeter Symbolik seine Sympathie für den IS und die Ideologie des IS zu verbreiten;

3./ G*, N* S*, Z* und O* S* sinngemäß dazu aufforderte, den IS zu unterstützen, sich ihm anzuschließen und in den Jihad zu ziehen, um die Brüder und Schwestern gegen Ungläubige zu verteidigen;

4./ A* gegenüber wiederholt sinngemäß äußerte, dass Schiiten und Christen Ungläubige seien, man den IS unterstützen müsse, weil dieser die Ungläubigen und Bösen bekämpfe und dies gut sei;

II./ sich durch die zu I./A./ und B./ genannten Taten an auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindungen einer größeren Zahl von Personen, und zwar nach militärischem Vorbild gegliederten Gruppierungen mit (zu I./A./) zumindest mehreren hunderten und (zu I./B./) mehreren zehntausenden Mitgliedern, die in mehreren Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, darunter Syrien, Irak und Afghanistan, den palästinensischen Autonomiegebieten, dem Libanon und Israel, aktiv sind,

• die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln ausgerichtet sind,

• die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang durch Erzielung von Einnahmen sowie durch Ausstattung mit Waffen und Kampfmitteln anstreben,

• und die andere, insbesondere politische Verantwortungsträger und sonstige ideologische Gegner, zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen suchen,

als Mitglied beteiligt (§ 278 Abs 3 StGB).

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

[4] Die ausschließlich Teile des Faktums I./A./3./ betreffende, Widersprüchlichkeit (Z 5 dritter Fall) und das Fehlen einer Begründung (Z 5 vierter Fall) reklamierende Mängelrüge spricht von vornherein keine entscheidenden, also auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss übenden Tatsachen an (RIS-Justiz RS0117499, RS0106268). Denn – wie hier (US 21 f) – mehrere von kontinuierlichem „Mitwirkungsvorsatz“ getragene gleich- oder verschiedenartige Beteiligungshandlungen (§ 278b Abs 2, § 278a zweiter Fall jeweils iVm § 278 Abs 3 StGB) des Täters an derselben terroristischen Vereinigung und/oder kriminellen Organisation (gegenständlich: die wiederholte Beteiligung als Mitglied an der Terrororganisation Hamas im Zeitraum Dezember 2023 bis 3. April 2024) bilden eine tatbestandliche Handlungseinheit (vgl zum Begriff RIS-Justiz RS0122006) und sind demnach als eine einzige Tat § 278b Abs 2 StGB und/oder § 278a zweiter Fall StGB zu unterstellen (RIS-Justiz RS0124166; Plöchl in WK² StGB § 278 Rz 71, § 278a Rz 32, § 278b Rz 17). Somit werden mit der gegenständlich erfolgten bloßen Bekämpfung einzelner Ausführungshandlungen, welche die rechtliche Beurteilung nicht tangieren, keine für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage entscheidenden Tatsachen angesprochen (vgl RIS-Justiz RS0127374).

[5] Da das Schöffengericht die leugnende Verantwortung des Angeklagten als „unglaubwürdige Schutzbehauptung“ gewertet hat (US 24), war es mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten, sich mit der Antwort des Genannten auf die Fragen nach seiner Einstellung zur Tätigkeit der Hamas und „zum IS“ (ON 57.4, 31) gesondert auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0106642, RS0098642 [T1]).

[6] Unter dem Aspekt von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) war auch eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit den in einer Passage der Vernehmung des N* S* enthaltenen Gegenfragen dieses Zeugen und seiner Beteuerung, sich nicht erinnern zu können, dass ihn der Angeklagte zur Unterstützung des IS und der Hamas aufgefordert hätte (ON 57.4, 54 f), nicht erforderlich. Ebenso wenig bedurfte die isolierte Angabe des Zeugen D*, mit dem Angeklagten eigentlich nie über den IS geredet zu haben (ON 57.4, 72), einer gesonderten Erörterung (RIS‑Justiz RS0118316).

[7] Auch Bezugspunkt der Tatsachenrüge (Z 5a) sind lediglich Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (vgl abermals RIS‑Justiz RS0117499). Solche spricht die Beschwerde aber nicht an, indem sie unter Verweis auf einzelne Passagen in Protokollen der teils als Zeugen und teils als Beschuldigte Vernommenen G*, D*, A*, N* S* und O* S* lediglich Teile der Fakten I./A./2./ und I./A./3./ in den Blick nimmt und zu B./1./ und 2./ kritisiert, bei den gegenständlichen Ringen würde es sich nicht um verbotene Gegenstände handeln. Indem sieeingangs auch auf das zur Mängelrüge erstattete Vorbringen verweist, wird im Übrigen der wesensmäßige Unterschied der – (demnach) gesondert auszuführenden – Nichtigkeitsgründe vernachlässigt (RIS‑Justiz RS0115902).

[8] Mit dem mehrfachen Verweis auf Passagen der (leugnenden) Verantwortung des Angeklagten und den Umstand, dass dieser erst im November 2023 bedingt entlassen wurde, gelingt es der Beschwerde nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken (RIS-Justiz RS0118780). Gleiches gilt für Hinweise auf eine per „WhatsApp“ gesendete Nachricht des Angeklagten in der Chatgruppe „M*“ (ON 41.8, 35).

[9] Die Überlegungen zum Erfolg der vermeintlichen Überzeugungsarbeit des Angeklagten sowie zu allfälligen Missverständnissen über die „Lehren“ desselben erschöpfen sich ebenso in Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung wie die eigenständige Interpretation eines im Urteil wiedergegebenen Chats zwischen dem Angeklagten und G* (US 20). Dies gilt auch, soweit der Beschwerdeführer der Beweiswürdigung des Erstgerichts mehrfach eigene Erwägungen entgegensetzt, die ihn belastenden Aussagen der Zeugen anzweifelt, Erklärungen zu seinem Verhalten, seinen Moscheebesuchen, seiner Büchersammlung sowiezum Besitz von Propagandamaterial bietet, eine als „interessant“ befundene Passage der Aussage des Zeugen A* erklärt sowie Angaben des Zeugen G* wiedergibt und interpretiert.

[10] Die abermals bloß Teile des Faktums I./A./3./ in den Blick nehmende Rüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565), weshalb die von ihr aufgezeigten Teilaspekte – ausgehend vom (in der Mängelrüge dargestellten) Vorliegen einer tatbestandlichen Handlungseinheit in Betreff der wiederholten Beteiligung als Mitglied an der Terrororganisation Hamas und vom Umstand, dass für die Beteiligung als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung die Ausführung einer (einzigen) Beteiligungshandlung reicht (vgl Plöchl in WK2 StGB § 278b Rz 11) – für die Frage des Schuldspruchs (hier:) wegen eines Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB entscheidend sein sollte.

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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