OGH 4Ob5/25a

OGH4Ob5/25a25.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. *, geboren am * 2013, 2. *, geboren am * 2015, beide wohnhaft bei den und vertreten durch die Eltern * und *, diese vertreten durch Mag. Petra Cernochova, Rechtsanwältin in Wien, wegen pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung eines Schenkungsvertrags, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 6. Dezember 2024, GZ 16 R 288/24b‑15, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 27. August 2024, GZ 13 Pg 123/24z‑11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00005.25A.0225.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

[1] Die (mittlerweile) zwölf- und zehnjährigen Minderjährigen sind die Töchter von * und *, denen die Obsorge für die Kinder zukommt.

[2] Mit Vertrag vom 2. 7. 2024 schenkte die 1956 geborene Tante der Minderjährigen diesen eine Liegenschaft im ersten Wiener Bezirk je zur Hälfte. Die Liegenschaft ist – abgesehen von dem im Vertrag eingeräumten Fruchtgenussrecht – unbelastet.

[3] Laut Punkt III. des Schenkungsvertrags behält sich die Geschenkgeberin das höchstpersönliche, auf ihre Lebensdauer beschränkte Fruchtgenussrecht an der Liegenschaft vor. Nach Punkt III.2. dieses Vertrags stehen der Geschenkgeberin im Rahmen des Fruchtgenusses sämtliche Rechte in vollem Ausmaß zu, wie diese ihr als bisherige zivilrechtliche Eigentümerin zugestanden sind. Aufgrund des Fruchtgenusses ist sie daher insbesondere berechtigt, die Liegenschaft ohne alle Einschränkungen zu genießen, Erträge aus der Liegenschaft zu ziehen, Um-, Aus- und Zubauten nach ihrem Gutdünken vorzunehmen und sämtliche sich aus der Stellung als Vermieterin ergebenden Rechtshandlungen zu setzen. Sofern die Unterfertigung von Bauansuchen bei der zuständigen Baubehörde ungeachtet des vorliegenden Fruchtgenusses dennoch durch die Geschenknehmerinnen zu erfolgen hätte, erteilten diese der Geschenkgeberin ausdrücklich die Vollmacht, sämtliche Bauansuchen betreffend Um-, Aus- oder Zubauen in ihren Namen zu unterfertigen. Die Geschenkgeberin als Fruchtgenussberechtigte hat nach Punkt III.3. des Vertrags sämtliche mit der Liegenschaft und ihren Rechten als Fruchtgenussberechtigte verbundenen Kosten und Aufwendungen inklusive der Kosten der Erhaltung sowie allfälliger Um-, Aus- und Zubauten zu tragen. Die Geschenkgeberin verpflichtete sich entsprechend den Regelungen in der Randziffer 113a der Einkommensteuerrichtlinien, den Geschenknehmerinnen je zur Hälfte eine jährliche aliquote Substanzabgeltung in Höhe der bisher geltend gemachten Absetzung für Abnutzung zu bezahlen (Punkt III.4.). Darüber hinaus haben die Geschenknehmerinnen ein Belastungs‑ und Veräußerungsverbot zugunsten der Geschenkgeberin eingeräumt (Punkt IV.). Der Vater verpflichtete sich zur Tragung aller Kosten und Gebühren der Verfassung, Errichtung, Abwicklung und grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrags, der Grunderwerbssteuer, der Eintragungsgebühr sowie sämtlicher Aufwendungen der Geschenknehmerinnen im Zusammenhang mit der vertragsgegenständlichen Liegenschaft bis zum Zeitpunkt der jeweiligen Volljährigkeit der Kinder sowie zu deren Schad- und Klagsloshaltung (Punkt V. des Vertrags).

[4] Die Minderjährigen beantragen die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung dieses Schenkungsvertrags. Der Einheitswert der Liegenschaft betrage 126.450,73 EUR, der Grundstückswert der gesamten Liegenschaft 2.121.364,27 EUR. Der Gewinn aus der Vermietung belaufe sich vor Steuer auf 137.919,79 EUR im Jahr 2021, auf 152.487,70 EUR im Jahr 2022 und auf 122.976,16 EUR im Jahr 2023. Die von der Geschenkgeberin jährlich geltend gemachte Absetzung für Abnutzung betrage derzeit 13.735,17 EUR, die die Geschenkgeberin entsprechend dem Schenkungsvertrag künftig an die Geschenknehmerinnen zu überweisen habe. Die Schenkung diene daher der Vermögensvermehrung der Minderjährigen. Grundbesitz sei als sicherste Anlage anzusehen. Sämtliche Kosten, Steuern und Aufwendungen würden vom Vater getragen, sodass die Minderjährigen durch allfällige Kosten im Zusammenhang mit der Liegenschaft nicht belastet seien. Das auf der Liegenschaft befindliche Gebäude befinde sich in einem ausgezeichneten Erhaltungszustand. Die Minderjährigen kämen in den Genuss einer unbelasteten Liegenschaft in Wiener Bestlage. Der Abschluss dieses Rechtsgeschäfts entspreche somit dem Wohl der Minderjährigen.

[5] Das Erstgericht wies den Antrag ab, weil der Schenkungsvertrag nicht ausschließlich dem Wohl der Minderjährigen diene. Den Minderjährigen würden auf nicht absehbare Zeit unter Berücksichtigung der Geburtsdaten der Vertragsparteien lediglich Eigentümerpflichten hinsichtlich der gegenständlichen Liegenschaft erwachsen. Rechte stünden ihnen hingegen – abgesehen von der Absetzung für Abnutzung – nicht zu. Überdies würden die Minderjährigen für Kosten und Aufwendungen für die Liegenschaft (Erhaltungskosten, Reparaturkosten, Kosten für allfällige Um-, Aus- oder Zubauten nach alleiniger Entscheidung der Fruchtgenussberechtigten) nur bis zur Volljährigkeit schad- und klaglos gehalten werden. Es könne derzeit nicht beurteilt werden, welche Kosten auf die mit 18 Jahren unter Umständen noch nicht selbsterhaltungsfähigen Geschenknehmerinnen zukommen könnten, die diese mangels jeglicher Rechte allenfalls nicht bedienen könnten.

[6] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Auch der Abschluss einer mit Belastungen verbundenen Schenkung an Minderjährige bedarf der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung. Ein Rechtsgeschäft dürfe (ua) dann nicht genehmigt werden, wenn Nachteile für den Pflegebefohlenen für die Folgezeit seiner Eigenberechtigung nicht auszuschließen sind. Die Kinder hätten zugunsten der Geschenkgeberin ein Belastungs- und Veräußerungsverbot eingeräumt. Im Falle ihrer Inanspruchnahme während des Fruchtgenusses sei zur Belastung oder Veräußerung der Liegenschaft die Zustimmung der Geschenkgeberin erforderlich. Die mit der Liegenschaft verbundenen Kosten seien nicht konkret sichergestellt. Es bestehe damit die Gefahr, dass die Rekurswerberinnen die Liegenschaft aufgrund des Fruchtgenussrechts nicht nutzen könnten, diese aber infolge des darüber hinaus bestehenden Belastungs- und Veräußerungsverbots auch nicht belasten oder veräußern dürften, als Eigentümer jedoch für allfällige – nicht von der Fruchtgenussberechtigten getragenen – Kosten aufzukommen hätten oder nach Eintritt ihrer Volljährigkeit bei Wegfall des Fruchtgenussrechts der Geschenkgeberin Aufwendungen für die Liegenschaft zu tragen hätten, ohne hierzu in der Lage zu sein.

[7] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Minderjährigen ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

[9] 1.1 Nach § 167 Abs 3 ABGB bedürfen Vertretungshandlungen und Einwilligungen in Vermögensangelegenheiten zu ihrer Rechtswirksamkeit der Genehmigung des Gerichts, sofern die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Unter dieser Voraussetzung gehört zu diesen Geschäften unter anderem die Annahme einer mit Belastungen verbundenen Schenkung.

[10] 1.2 Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Rechtsgeschäft durch das Pflegschaftsgericht nur genehmigt werden, wenn der Abschluss im Interesse des Pflegebefohlenen liegt und somit dem Wohl des Pflegebefohlenen entspricht (§ 164 Abs 1 ABGB). Dies ist der Fall, wenn das Vermögen des Pflegebefohlenen vermehrt wird. Die angeführte Voraussetzung ist aber nicht erfüllt, wenn eine Verminderung des Vermögens des Pflegebefohlenen nicht ausgeschlossen werden kann (RS0048176).

[11] 1.3 Bei der Prüfung der Frage, ob ein Rechtsgeschäft dem Wohl des Pflegebefohlenen entspricht, kann nicht bloß die Zeit der fehlenden Eigenberechtigung berücksichtigt werden. Es darf daher ein Rechtsgeschäft auch dann nicht genehmigt werden, wenn Nachteile für den Pflegebefohlenen für die Folgezeit seiner Eigenberechtigung nicht auszuschließen sind. Eine Haftungserklärung des Geschenkgebers (oder einer dritten Person) muss sich daher auch auf diesen Zeitraum erstrecken (RS0048155).

[12] 2.1 Die Vorinstanzen haben sich zentral auf den Umstand gestützt, dass die Kinder nach Erreichen der Volljährigkeit (und dem damit verbundenen Wegfall der Haftung ihres Vaters) die Liegenschaft weder veräußern, belasten noch nutzen können und es dennoch nicht ausgeschlossen sei, dass sie Aufwendungen tragen müssten, ungeachtet fehlender Selbsterhaltungsfähigkeit.

[13] 2.2 Demgegenüber argumentieren die Minderjährigen im Rechtsmittel im Wesentlichen mit dem Wesen und dem Inhalt des eingeräumten Fruchtgenussrechts. Die im Zeitpunkt der Einräumung des Fruchtgenussrechts mit der Sache verbundenen Lasten müsse keinesfalls der Eigentümer, sondern der Fruchtnießer tragen. Mit Blick auf § 513 ABGB gebe es keine denkbaren Kosten, die die Kinder zu tragen hätten. Zudem seien allfällige Reparaturarbeiten durch Einnahmen aus den Mietzinsen gedeckt und von der Fruchtnießerin zu finanzieren. Die Unvorhersehbarkeit der Finanzierung der künftig anfallenden Kosten liege somit nicht vor, weil keine solche Kosten denkbar seien.

[14] Damit sind die Rechtsmittelwerber nicht im Recht.

[15] 3.1 § 483 ABGB legt zwar fest, dass der Aufwand zur Erhaltung der Sache, die zur Dienstbarkeit bestimmt ist, (nur) „in der Regel“ vom Dienstbarkeitsberechtigten getragen werden muss. Das entspricht auch der für den Fruchtgenuss normierten Regel des § 513 ABGB, wonach der Fruchtnießer verbunden ist, die dienstbare Sache zu erhalten. Aus der Formulierung des § 483 ABGB geht aber hervor, dass der Dienstbarkeitsberechtigte die Kosten nicht ausnahmslos tragen muss (Rassi in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 483 ABGB Rz 2).

[16] 3.2 Zu den nach § 513 ABGB genannten Aufwendungen ist der Fruchtnießer nur nach Maßgabe des erzielten Betrags verpflichtet (RS0011900); das Fehlende muss der Eigentümer beitragen (Iro/Riss, Sachenrecht8 Rz 15/36). Zudem normiert §§ 514 f ABGB für das Fruchtgenussrecht Ausnahmen für Bauführungen. Schließlich ist auch bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen des Eigentümers, zB bei Behebungen von Baugebrechen (7 Ob 2427/96d), dieser zur Tragung dieser Kosten verpflichtet.

[17] 4.1 Die Bestimmung des § 513 ABGB ist zwar disponibel (vgl etwa 4 Ob 506/89; Winkler in Klang3 § 513 ABGB Rz 1); die Antragsteller vertreten aber (auch in dritter Instanz) nicht den Standpunkt, dass die Parteien des Vertrags die gesetzlichen Pflichten des Eigentümers zu Lasten der Fruchtgenussberechtigten abbedungen hätten. Vor dem Erstgericht verwiesen die Kinder nur darauf, dass ihr Vater (ohnedies) sämtliche Aufwendungen tragen werde. Im Rekurs- und Revisionsrekursverfahren stützen sich die Kinder zusätzlich auch darauf, dass potentielle Belastungen nach Erreichen ihrer Volljährigkeit bereits wegen der sich aus § 513 ABGB ergebenden (gesetzlichen) Stellung der Geschenkgeberin als Fruchtgenussberechtigte und auch wegen § 3 MRG ausgeschlossen seien.

[18] 4.2 Ob sich aus der Bestimmung des Punktes III.3. des Schenkungsvertrags zweifelsfrei ergibt, dass sich die Geschenkgeberin vertraglich umfassend auch zur Deckung all jener Kosten verpflichtet hat, die sonst der Eigentümer (ungeachtet eines bestehenden Fruchtgenuss-rechts) zu tragen hätte, musste auch mit Blick auf das referierte Vorbringen damit nicht näher geprüft werden.

[19] In diesem Zusammenhang ist freilich auch darauf hinzuweisen, dass die Vertragsparteien in Punkt III.3. bei der Geschenkgeberin ausdrücklich an die mit „ihren Rechten als Fruchtgenussberechtigte verbundenen Kosten und Aufwendungen“ und ihre Stellung als „Fruchtgenussberechtigte“ angeknüpft haben. Zudem gingen die Parteien des Schenkungsvertrags auch in Punkt V.3. des Vertrags davon aus, dass – ungeachtet des Fruchtgenussrechts – „Aufwendungen der Geschenknehmerinnen im Zusammenhang mit der vertragsgegenständlichen Liegenschaft“ anfallen können. Es wäre nämlich nicht erklärbar, warum sich in diesem Punkt der Vater der Kinder diesen gegenüber (allerdings nur bis zum Zeitpunkt der Volljährigkeit) sonst zur Tragung sämtlicher Aufwendungen verpflichten hätte sollen. Bereits diese Passage des Vertrags widerlegt den Standpunkt der Rechtsmittelwerber, dass es (allein) wegen § 513 ABGB (bzw § 3 MRG) keine denkbaren Kosten gebe, die die Kinder zu tragen hätten.

[20] 5. Die behauptete Mangelhaftigkeit wurde geprüft, sie liegt schon mangels Relevanz nicht vor. Es kann dahinstehen, ob die Geschenkgeberin ausreichendes Vermögen hat, um ihren Verpflichtungen (als Fruchtgenussberechtigte) nachzukommen, weil der Vertrag nicht ausschließt, dass die Geschenknehmerinnen zur Tragung von Kosten (wegen deren Stellung als Eigentümerinnen) verpflichtet sind, für die weder die Fruchtgenussberechtigte noch ihr Vater (nach Erreichung ihrer Volljährigkeit) herangezogen werden kann.

[21] 6. Die Vorinstanzen sind damit zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass der Schenkungsvertrag wegen der potentiellen Kostentragungspflicht der Kinder nicht ihrem Wohl und ihren Interessen dient, zumal sie nach Erreichen ihrer Volljährigkeit (= Wegfall der Haftung des Vaters) die Liegenschaft zur Deckung allfälliger Aufwendungen ohne Zustimmung der Geschenkgeberin (und ohne Bedachtnahme auf ihre allenfalls noch fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit) weder belasten noch veräußern können.

[22] 7. Dem unbegründeten Rechtsmittel ist damit keine Folge zu geben.

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