OGH 14Os119/24t

OGH14Os119/24t25.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Brüggler LL.M., BSc in der Strafsache gegen * H* wegen des Verbrechens der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 und 2 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. September 2024, GZ 127 Hv 14/21s‑915, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00119.24T.0225.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Amtsdelikte/Korruption

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * H* des Verbrechens der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (I) und des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 146, 147 Abs 2 StGB (II) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 17. und am 29. April 2013 in W* und P*

I/ als Werkmeister der Stadt W*, mithin als Amtsträger, für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts einen 3.000 Euro übersteigenden Vorteil von 7.000 Euro für sich gefordert, indem er von * Hu* verlangte, dieser solle bei zukünftigen Aufträgen sogenannter „Fangsanierungen“ (Rauchfangreparaturarbeiten), die dessen Bauunternehmen aufgrund des zwischen diesem und der Stadt W* abgeschlossenen Rahmenvertrags von H* in dessen Funktion als Werkmeister von „Wi*“ (einer Unternehmung der Stadt W*) erhalten werde, tatsächlich nicht erbrachte Leistungen in Höhe von fünf Prozent der jeweiligen Auftragssumme verrechnen, wobei H* im Gegenzug für den Erhalt dieser fünf Prozent in seiner Funktion als Werkmeister die Erbringung der Leistungen und damit die Richtigkeit der gelegten Rechnungen bestätigen werde;

II/ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Hu* durch die zu I/ geschilderte Tat dazu zu bestimmen versucht, Verfügungsberechtigte der Stadt W* durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorgabe tatsächlicher Erbringung sämtlicher verrechneter Leistungen, zur Auszahlung nicht gebührenden Werklohns in der Höhe von 7.000 Euro, mithin zu die Stadt W* in diesem 3.000 Euro übersteigenden Ausmaß schädigenden Handlungen, zu verleiten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden die Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung von * K* (ON 914, 35) und * Kr* (ON 914, 37) zu Recht abgewiesen. Das Thema des ersten Antrags, dass (zusammengefasst) der Beschwerdeführer nicht von K* (seinem Vorgesetzten) „instruiert wurde“, Vorteile von Hu* „einzufordern“ und kein gleichartiges System der Vorteilsgewährung im Zusammenhang mit Auftragserteilungen schon vor Abschluss des Rahmenvertrags zwischen „Wi*“ und Hu* bestanden habe, betraf jedenfalls keine unmittelbar erhebliche Tatsache (RIS‑Justiz RS0116503). Unter dem Aspekt – grundsätzlich zulässiger – Überprüfung der Glaubwürdigkeit des (einzigen direkten) Belastungszeugen Hu* lieferte das Antragsvorbringen keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt habe (RIS‑Justiz RS0120109 [T3 und T4]). Im Übrigen gingen die Tatrichter ersichtlich (vgl US 10 f) nicht von einer derartigen Praxis der Vorteilsgewährung in früheren Jahren aus (vgl RIS‑Justiz RS0099135).

[5] Der Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung von Kr* scheiterte schon daran, dass er kein konkretes Beweisthema nannte. Mit Blick auf eine damit allenfalls angestrebte Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Hu* ließ das Vorbringen nicht erkennen, wie diese durch den erwähnten Umstand, dass ein Privatdetektiv Ermittlungen gegen den Beschwerdeführer im Auftrag von „Wi*“ (im Übrigen erst nachdem dieser Zeuge vor der Kriminalpolizei ausgesagt hatte [vgl ON 2, 27 und ON 174, 93 ff]) durchgeführt habe, tangiert sei.

[6] Den Bedeutungsinhalt der inkriminierten Forderung sah das Erstgericht darin, dass das von Hu* betriebene Unternehmen bei sämtlichen vom Beschwerdeführer beauftragten Sanierungen um fünf Prozent überhöhte (also in diesem Ausmaß nicht erbrachte) Leistungen gegenüber „Wi*“ verrechnen und diese fünf Prozent des jeweiligen Rechnungsbetrags diesem als Vorteil im Gegenzug für die zugesagte pflichtwidrige Bestätigung (als Amtsgeschäft) der (inhaltlichen) Richtigkeit der gelegten Rechnungen zukommen lassen soll (US 6). Diese Feststellung leitete es „aus dem äußeren Tatgeschehen“, damit insbesondere dem – vom Zeugen Hu* nach Ansicht der Tatrichter glaubhaft geschilderten (US 8) – Wortlaut der von diesem mit dem Beschwerdeführer geführten Unterhaltung und dem Transkript einer Audioaufzeichnung des ersten Gesprächs ab (US 9). Dies widerspricht entgegen dem von der Mängelrüge erhobenen Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall, nominell auch erster Fall) keineswegs den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS‑Justiz RS0118317). Dass aus von der Rüge ins Treffen geführten Verfahrensergebnissen für den Beschwerdeführer günstigere Schlussfolgerungen möglich gewesen wären, stellt diesen Nichtigkeitsgrund ebenso wenig her (RIS‑Justiz RS0116732 [T3]) wie die kritisierte – eine inhaltliche Begründung indes keineswegs ersetzende – Verwendung bestimmter Formulierungen („bei lebensnaher Betrachtungsweise“ [US 9]) in den Entscheidungsgründen (RIS‑Justiz RS0099494 [T5, T6]).

[7] Ob es bereits früher „Fehlverrechnungen“ auf der Basis ähnlicher Korruptionsvereinbarungen gab, betrifft keine entscheidende Tatsache und liegt demnach außerhalb des gesetzlichen Anfechtungsrahmens einer Mängelrüge (RIS‑Justiz RS0117499).

[8] Dass die Richtigkeit der von den beauftragten Unternehmen gelegten Rechnungen nur in – nach nicht näher beschriebenen Kriterien ausgewählten – zehn Prozent und bei diesen nicht nur vom Beschwerdeführer, sondern von zumindest einem weiteren Mitarbeiter von „Wi*“ überprüft wurde, hat das Erstgericht ohnehin festgestellt (US 4 f), weshalb der Sache nach eingewendete Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht vorliegt.

[9] Im Übrigen kritisiert das gegen die Begründung der Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der inkriminierten Forderung erstattete Vorbringen die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.

[10] Die Annahme, der Beschwerdeführer habe „die Leistungssummen der Vergangenheit zumindest in groben Zügen im Hinterkopf gehabt“ (US 12 [durchschnittlich etwa 55.000 Euro jährlich im Zeitraum 2006 bis 2013]) und daher im Tatzeitpunkt mit dem Vorsatz gehandelt, dass sein Tatplan auf einen 3.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils (zu I/) und einen Schaden der Stadt W* von mehr als 5.000 Euro (II/) gerichtet gewesen sei (US 7), ist unter der Berücksichtigung ebenfalls festgestellter dreijähriger Laufzeit des Rahmenvertrags mit dem von Hu* betriebenen Unternehmen (US 5) entgegen der weiteren Mängelrüge (Z 5 vierter Fall, nominell auch erster Fall) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Weshalb in der festgestellten Konstellation einer andauernden Geschäftsbeziehung, bei der ein Amtsträger im Zusammenhang mit der regelmäßigen Vergabe gleichartiger Aufträge (Amtsgeschäften) an ein Unternehmen von diesem im Gegenzug (für das Unterbleiben der vorgeschriebenen Kontrolltätigkeit) Vorteile erhalten soll, deren Wert nicht über die gesamte (erwartete) Laufzeit des Rahmenvertrags, sondern bloß nach Jahren zusammenzurechnen sei (vgl aber RIS‑Justiz RS0096174; Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 304 Rz 86), erklärt die weitere Rüge nicht.

[11] Die weitere Kritik (nominell Z 9 lit a, teils auch Z 5 vierter Fall, der Sache nach [zufolge Idealkonkurrenz] Z 10), es fehlten Feststellungen zu einer vom Beschwerdeführer im Austausch für den geforderten Vorteil angekündigten pflichtwidrigen Vornahme eines (in seine Kompetenz fallenden, zumindest bestimmbaren [RIS‑Justiz RS0096009 {T1}]) Amtsgeschäfts, verfehlt die gebotene Bezugnahme auf den Urteilssachverhalt (RIS‑Justiz RS0099810). Nach diesem war es Aufgabe des Beschwerdeführers in seiner Funktion als Amtsträger, die von einem Computerprogramm (zufällig) ausgewählten Rechnungen des von ihm beauftragten Unternehmens (teils auch nach Kontrolle der von diesem tatsächlich erbrachten Leistungen) auf deren Richtigkeit zu überprüfen. Bei deren Bestätigung durch den Beschwerdeführer hatte zumindest ein weiterer Mitarbeiter eine Rechnungskontrolle vorzunehmen, bevor der Rechnungsbetrag von der Buchhaltungsabteilung angewiesen wurde (US 4 f). Weshalb davon ausgehend die Zusage des Beschwerdeführers, pflichtwidrig die Bestätigung der Rechnungen über (teils) nicht erbrachte Leistungen zu erteilen, nicht tatbildlich sei, erklärt die Subsumtionsrüge nicht. Spekulative Überlegungen dazu, ob angesichts der vorgesehenen Kontrolle durch weitere Amtsträger eine Auszahlung der überhöhten Rechnungsbeträge zu erwarten gewesen sei, nehmen nicht auf die Struktur des Tatbestands Bedacht (vgl aber RIS‑Justiz RS0116565), der tatsächliche Vornahme des Amtsgeschäfts, zumal im Sinn des Vorteilsgebers, ebenso wenig voraussetzt (RIS‑Justiz RS0129092; Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 304 Rz 6) wie übrigens alleinige Befugnis des Amtsträgers in Bezug auf das im Austausch stehende Amtsgeschäft.

[12] Die zu Punkt II/ des Schuldspruchs ausgeführte Subsumtionsrüge (Z 10, nominell Z 9 lit a) nimmt abermals nicht prozessordnungsgemäß Bezug auf die Gesamtheit des Urteilssachverhalts (erneut RIS‑Justiz RS0099810). Da nach diesem lediglich zehn Prozent der von den beauftragten Unternehmen gelegten Rechnungen auf deren Richtigkeit überprüft wurden, wurde in den anderen Fällen die Rechnungssumme (ohne vorherige Kontrolle) durch die Buchhaltungsabteilung (von „Wi*“) angewiesen (US 4 f). Weshalb die an Hu* gerichtete Aufforderung des Beschwerdeführers, in jeder Rechnung einen um fünf Prozent überhöhten Betrag auszuweisen, nicht zu einer Täuschung von Mitarbeitern der Buchhaltungsabteilung über die Richtigkeit der Rechnungen und den Umfang erbrachter Leistungen führen sollte, wird nicht klar.

[13] Der im Zusammenhang erstattete Verweis auf das Vorbringen zu Punkt I/ des Schuldspruchs ist ebenso unverständlich wie die Behauptung, in den zehn Prozent der Fälle, bei denen eine Rechnungsüberprüfung stattfinden sollte, „könnte … denklogisch keine Täuschung … vorliegen“.

[14] Die Diversionsrüge (Z 10a) verfehlt die gebotene Bezugnahme auf die Feststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens der in § 198 StPO normierten Voraussetzungen (vgl RIS‑Justiz RS0124801). Sie übergeht nämlich die Urteilsannahmen, nach denen der Beschwerdeführer schon das äußere Tatgeschehen (also Gespräche mit dem inkriminierten Inhalt) in Abrede stellte (US 8; vgl ON 914, 7 und 11 ff) und solcherart gerade nicht – wie für jede Form der Diversion erforderlich – von Unrechtsbewusstsein getragen Verantwortung übernahm (RIS‑Justiz RS0116299 [T2 und T3]).

[15] Im Übrigen ist hier auch nicht von atypisch geringem Schuldgehalt des dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Verhaltens auszugehen, was indes für diversionelles Vorgehen mit Blick auf den Schuldspruch (auch) wegen Bestechlichkeit mit einer Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe Voraussetzung gewesen wäre (RS0116021 [T8]; vgl jüngst auch 14 Os 21/24f [zu Missbrauch der Amtsgewalt]).

[16] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[17] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

[18] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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