OGH 4Ob21/25d

OGH4Ob21/25d25.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Dr. Günther Egger und Dr. Karl Heiss, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei * AG, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 8.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. Oktober 2024, GZ 5 R 37/24p‑57, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 28. Dezember 2023, GZ 16 C 416/22p‑51, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00021.25D.0225.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 992,41 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 158,45 EUR an 19 %iger USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger schloss am 15. 9. 2015 mit einer Kfz‑Händlerin einen Kaufvertrag über einen (gebrauchten) Audi Q5 2,0 TDI quattro daylight, in dem ein von der Beklagten hergestellter Dieselmotor Typ EA189 verbaut ist.

[2] Mit seiner Klage begehrt er von der Beklagten Schadenersatz wegen des vorsätzlichen Einbaus unzulässiger Abschalteinrichtungen, nämlich jenen Betrag, den er bei Kenntnis im Jahr 2015 weniger bezahlt hätte, als „Kaufpreisminderung“, sowie die Feststellung der Haftung für „jeden Schaden“, der ihm aus dem Kauf des PKW und dem darin verbauten Dieselmotor EA189 künftig entsteht.

[3] Das Erstgericht wies die Klage mangels Schadens ab; die ursprünglich vorhandene „Umschaltlogik“ sei durch ein Software-Update beseitigt worden, und die temperaturabhängige Abgasrückführung („Thermofenster“) sei zum Motorschutz notwendig.

[4] Das Berufungsgericht bestätigte die Klagsabweisung im Ergebnis. Zwar handle es sich beim „Thermofenster“ des EA189 ebenfalls um eine unzulässige Abschalteinrichtung, allerdings sei die Klage unschlüssig. Die Beklagte habe ausführlich vorgebracht, dass der Kläger nur Leasingnehmer gewesen sei und die behaupteten Schäden aus dem Ankauf im Jahr 2015 sohin nicht bei ihm, sondern bei der Leasinggeberin eingetreten seien. Daher habe es auch keiner Erörterung gemäß § 182a ZPO bedurft. Der Kläger, der sich bereits in seiner Klage als Leasingnehmer bezeichnet habe, sei dem nicht entgegengetreten, und habe insbesondere kein Vorbringen oder Beweisanbot zur konkreten Leasingkonstruktion und seinem Schaden daraus erstattet.

[5] Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich zu, weil es bei seiner Entscheidung ergänzendes Vorbringen des Klägers übersehen habe, das im elektronischen Akt mittels Aktenvermerk dem Verhandlungsprotokoll angeschlossen worden sei, sowie den (als „Sonstiges“ bezeichneten) Leasingvertrag.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die – von der Beklagten beantwortete – Revision des Klägers, mit der er eine Klagsstattgebung, hilfsweise eine Rückverweisung anstrebt, ist ungeachtet des, den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts, nicht zulässig und daher zurückzuweisen.

[7] 1. Eine Aktenwidrigkeit ist nur gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, das heißt wenn der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolgedessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (RS0043347 uvm). Eine Schlussfolgerung, gleich ob tatsächlicher oder rechtlicher Natur, verwirklicht diesen Revisionsgrund nicht (RS0043256 [T1]). Ebensowenig führt die unrichtige Wiedergabe, unzutreffende Auslegung oder gänzliche Übergehung von Tatsachenbehauptungen oder sonstigen Parteivorbringens im Urteil des Berufungsgerichts zu einer Aktenwidrigkeit; dies kann allerdings einen wesentlichen Verfahrensmangel oder eine unrichtige rechtliche Beurteilung begründen (RS0041814 [T8], RS0043402 [T5]).

[8] 2. Ein dem Berufungsgericht unterlaufener Verfahrensverstoß bildet nur dann den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO, wenn er abstrakt geeignet war, eine unrichtige Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz herbeizuführen (RS0043027). In einer Verfahrensrüge wegen Verletzung der Pflichten des § 182a ZPO hat der Rechtsmittelwerber daher darzulegen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er aufgrund der von ihm nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte (RS0120056 [T2]). Bei fehlender Schlüssigkeit des Sachantrags muss er dartun, welches konkrete Sachvorbringen er erstattet hätte, um seinen Sachantrag schlüssig zu stellen (RS0043027 [T7]).

[9] Im Übrigen kommt der Frage, ob eine Klage schlüssig ist – von Fällen auffallender Fehlbeurteilung abgesehen – keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu (vgl RS0116144, RS0037780).

[10] 3. Der Oberste Gerichtshof unterscheidet im Zusammenhang mit der Finanzierung des Kaufs eines mit einer Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs durch Leasing in nunmehr ständiger Rechtsprechung – auf die das Berufungsgericht bereits hinwies – danach, ob ein Kaufvertrag des Leasingnehmers mit dem Fahrzeughändler nur der Spezifikation des Fahrzeugs diente (sodass der Leasinggeber unmittelbar in den Kaufvertrag eintrat) oder ob der Leasingvertrag erst nach dem Erwerb des Fahrzeugs geschlossen wurde. Ausschließlich im letztgenannten Fall erleidet der spätere Leasingnehmer (schon) durch den Abschluss des Kaufvertrags einen aus diesem resultierenden Schaden in seinem Vermögen. Tritt der Leasinggeber dagegen unmittelbar in den Kaufvertrag ein, entsteht daraus nur ihm und nicht dem Leasingnehmer ein Schaden (jüngst 10 Ob 46/24y mwN; so auch 4 Ob 69/24m, 4 Ob 103/24m, 4 Ob 197/24k).

[11] 4. Eine derartige Einheit von Kauf- und Leasingvertrag ergibt sich auch hier aus den (überwiegend vom Kläger) vorgelegten und wechselseitig nicht bestrittenen Urkunden (zur Verwertbarkeit im Rechtsmittelverfahren s RS0121557, RS0040083 [T1]). Im Kaufvertrag vom 15. 9. 2015 scheint zwar der Kläger als Käufer auf, als „Sondervereinbarung“ wurde jedoch bereits „Leasing“ vereinbart sowie ein Ankauf des vormaligen klägerischen Fahrzeugs durch die Leasinggeberin samt Aufrechnung mit dem Kaufpreis. Der Leasingantrag des Klägers datiert mit 16. 9. 2015, die Annahme durch die Leasinggeberin mit 17. 9. 2015. In den Zulassungs- und Übergabeunterlagen vom 17. 9. 2015 ist bereits die Leasinggeberin als Eigentümerin genannt.

[12] Die Revision geht weder auf diese Frage ein, noch auf das vom Berufungsgericht übersehene Vorbringen, sondern behauptet nur abstrakt einen Schadenseintritt beim Kläger, weil er, ungeachtet ob Kauf oder Leasing, in die Irre geführt worden sei und nicht das bekommen habe, auf das er einen Anspruch habe. Dass und warum der Kläger hier im Jahr 2015 einen selbstständigen Kaufvertrag geschlossen und aus diesem eigene Schäden erlitten haben sollte, wie er sie mit der Klage geltend macht, wird gerade nicht dargelegt.

[13] Soweit der Kläger mit einer Schutzgesetzverletzung argumentiert, ist ihm entgegenzuhalten, dass nur derjenigen Person oder Stelle eine Verletzung des Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG zur Last gelegt werden kann, die im Typengenehmigungsverfahren als Herstellerin des Fahrzeugs auftrat und die Übereinstimmungsbescheinigung ausstellte. Eine Haftung des Motorenherstellers, der – wie hier – nicht Inhaber der EG-Typengenehmigung und Aussteller der Übereinstimmungsbescheinigung ist, ist nur nach § 1295 Abs 2 und § 875 ABGB denkbar (RS0134616, insb [T6]).

[14] 5. Im Ergebnis gelingt es der Revision somit nicht, eine relevante Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens oder eine (unvertretbare) Fehlbeurteilung der (Un‑)Schlüssigkeit des Klagebegehrens aufzuzeigen, weswegen sie als unzulässig zurückzuweisen ist.

[15] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen und Vorbringen zur Umsatzsteuer erstattet.

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