European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00118.24W.0225.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Sexualdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Innsbruck zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde *D* des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (1./), sowie jeweils eines Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (2./a./) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (2./b./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in der Nacht vom 28. auf den 29. Dezember 2023 in K*
1./ eine wehrlose Person, „die unfähig war, die Bedeutung des Vorganges einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln“, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr den Beischlaf vornahm, indem er an der schlafenden und „aus dem Schlaf erwachenden“ (gemeint: schlaftrunkenen) * L* den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog;
2./ L*
a./ durch die Äußerungen „if you ever say to someone I raped you, I will kill you“, somit durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper (US 5), zur Abstandnahme einer Anzeige wegen der zu 1./ beschriebenen Tat zu nötigen versucht;
b./ am Körper verletzt, indem er ihr einen Stoß mit den Händen gegen den Brustbereich versetzte, wodurch sie mit ihrem Kopf an der Wand anschlug und eine Schwellung am Hinterkopf erlitt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 2, 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Aus Z 2 kritisiert der Beschwerdeführer den trotz seines Widerspruchs in der Hauptverhandlung vorgenommenen Vortrag (ON 36, 24) seiner im polizeilichen Abschlussbericht (ON 2.2, 12) sowie in einem polizeilichen Amtsvermerk (ON 2.14, 3) enthaltenen (formlosen) „Erstbefragung“ und bringt unter Verweis auf § 152 Abs 1 StPO vor, es handle sich hierbei um eine nichtige Erkundigung, durch welche „infolge der Unterlassung der gebotenen Belehrung“ den Beschuldigtenrechten nicht Genüge getan worden sei und er seine Verteidigungsrechte nicht wahrnehmen habe können. Indem er nach dem (unbedenklichen) Protokoll der Hauptverhandlung in seinem Widerspruch lediglich vorgebracht hat, dass „sich in diesem Abschlussbericht ein Hinweis darauf ergeben würde, dass der Angeklagte informell mit einem Polizisten gesprochen hätte und sich diesbezüglich kein Hinweis in den Abschlussberichten ergeben würde“ (ON 36, 24), legte er jedoch keine gegen die Verlesung sprechenden Umstände dar – und waren solche im Zeitpunkt des Vortrags auch nicht ohne weiteres ersichtlich –, zumal nicht einmal behauptet wurde, dass der zuständige Organwalter ihn bei der (nicht in Form eines Protokolls festgehaltenen) „Erstbefragung“ über die Vorwürfe und seine daraus resultierende Stellung und Rechte im Unklaren gelassen habe, somit eine Umgehung der Bestimmungen über die Vernehmung als Beschuldigter (§ 164 Abs 1 StGB) im Raum stehe (vgl 14 Os 68/16f; RIS‑Justiz RS0129599 [T3]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 187, 191).
[5] Der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Angeklagte durch die Abweisung (ON 36, 23) seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags (ON 36, 22) auf Einholung eines medizinischen Gutachtens zum Beweis, „dass der Angeklagte nicht in die Zeugin * L* eingedrungen sein kann“, in seinen Verteidigungsrechten nicht verletzt. Denn der Antrag war mit Blick auf das bloß spekulative und auf logisch nicht haltbare Schlussfolgerungen gegründete Vorbringen, wonach „im Falle einer Penetration Spermaspuren im Bereich der Scheide des Opfers zu finden gewesen wären“, solche jedoch weder beim Angeklagten noch „im Kondom“ vorgefunden worden seien, „sodass es allein aus diesem Grund zum sexuellen Missbrauch wie von Frau L* geschildert nicht gekommen sein kann“, lediglich auf eine – im Hauptverfahren unzulässige – Erkundungsbeweisführung gerichtet (RIS-Justiz RS0107040, RS0118123). Im Übrigen genügt für die Vornahme des Beischlafs ein „Unternehmen“ desselben, worunter auch schon die bloße Berührung der (unbekleideten) Geschlechtsteile fällt (RIS‑Justiz RS0090720 [T5]; Philipp in WK2 StGB § 205 Rz 23 iVm § 201 Rz 43 mwN), sodass der Antrag schuld- oder subsumtionserhebliche Tatsachen nicht ansprach (RIS‑Justiz RS0118319).
[6] Da bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrags von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Antragstellung und den dabei vorgebrachten Gründen auszugehen ist, war das ergänzende Vorbringen in der Beschwerdeschrift unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).
[7] Die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) behauptet, die Feststellung, wonach es „dem Angeklagten bewusst“ war, „dass * L* sich in einem massiv durch Alkohol beeinträchtigten Schlafzustand befand, in welchem sie unfähig war, die Bedeutung des Vorganges einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln“ (US 5), sei undeutlich, weil nicht erkennbar sei, „welche erheblichen Tatsachen das Erstgericht zur inneren Tatseite treffen“ habe wollen. Sie vernachlässigt jedoch, dass das konstatierte Wissen des Angeklagten ohnehin auch die – allen Vorsatzformen immanente – Willenskomponente inkludiert (RIS-Justiz RS0088835 [T4]).
[8] Soweit die Beschwerde vermeint, es bleibe unklar, „inwiefern“ das Opfer beeinträchtigt gewesen und „welcher Grad der Alkoholbeeinträchtigung“ vorgelegen sei, nimmt sie schon nicht die Gesamtheit der Entscheidungsgründe in den Blick (RIS-Justiz RS0119370), denen zufolge L* „erheblich durch Alkohol beeinträchtigt, schlafend und wehrlos“ war „und sich in einem Zustand befand, in welchem sie unfähig war, die Bedeutung des Vorganges einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln“ (US 5).
[9] Entgegen der Unvollständigkeit reklamierenden Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) musste sich das Schöffengericht – schon mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) – nicht gesondert mit der insgesamt als „haltlose Schutzbehauptung“ beurteilten (US 11) – Aussage des (leugnenden) Angeklagten auseinandersetzen, wonach bei ihm oft, wenn er nur minimal Alkohol trinke, „nichts mehr“ gehe (ON 36, 13; RIS-Justiz RS0098778, RS0098642 [T1]). Im Übrigen betrifft das genannte Verfahrensergebnis auch keine erhebliche Tatsache, weil es für die Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache (hier: das Vornehmen des Beischlafs [vgl dazu abermals RIS‑Justiz RS0090720]) nicht von Bedeutung ist (RIS-Justiz RS0116877).
[10] Da schon allein der Zustand des Schlafes oder der Schlaftrunkenheit aus diesem die nach der ersten Deliktsvariante des § 205 Abs 1 StGB geforderte Wehrlosigkeit des Opfers begründet (RIS-Justiz RS0102727, RS0095097 [T2, T3]), spricht die weitere Rüge (Z 5 zweiter Fall) mit der Behauptung, das Gericht habe einen beim Opfer durchgeführten Alkoholtest mit einer Atemluftalkoholkonzentration von 0,25 mg/l nicht berücksichtigt, keine entscheidende, also für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage maßgebliche Tatsache an (RIS-Justiz RS0117499).
[11] Die unter Darlegung der menschlichen Schlafphasen erhobene Kritik (nominell Z 5 dritter Fall; vgl zum inneren Widerspruch aber RIS-Justiz RS0099651), es lasse sich aus dem Urteil nicht ableiten, „wie – nämlich in einem beeinträchtigten und schlafenden Zustand oder nicht – sich der maßgebliche Sachverhalt zugetragen haben sollte“, vernachlässigt abermals die dazu getroffenen Konstatierungen (US 4 f) und erschöpft sich in Beweiswürdigungskritik nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Schuldberufung.
[12] Mit Spekulationen über den Zustand des Opfers aufgrund dessen Wahrnehmung, dass der Angeklagte „sich zum Nachtkästchen beugte und dort herumkramte“ (US 4), wird eine offenbar unzureichende, also den Kriterien der Logik und Empirie widersprechende Begründung (vgl dazu RIS-Justiz RS0116732) nicht aufgezeigt, sondern abermals in unzulässiger Form die Beweiswürdigung des Schöffengerichts kritisiert. Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer die Wehrlosigkeit des Opfers anzweifelt, indem er auf eine behauptete allgemeine Lebenserfahrung in Betreff der Schwierigkeiten verweist, einerseits eine liegende Person zu entkleiden, und andererseits die „beschriebene Sexualpraktik“, welche „einer gewissen Intensität“ bedürfe, durchzuführen.
[13] In Betreff des Schuldspruchs zu 2./b./ haben die Tatrichter die Feststellungen zur Schwellung am Hinterkopf des Opfers unter anderem auf Aussagen der Zeugin * P* gestützt, welche angab, eine Beule am Hinterkopf des Opfers „im Zimmer von E*“ gesehen zu haben (US 11 iVm ON 36, 22). Dass die Zeugin im Rahmen ihrer Vernehmung zuvor im Zusammenhang mit dem (der Tat vorangehenden) Vorfall in einer Bar auch angegeben hat, es habe „später am Abend“ eine Beule am Kopf des Opfers gegeben, welche sich „im mittleren bzw. unteren Bereich des Hinterkopfs bewegt“ habe (ON 36, 15), steht nicht im Widerspruch zu den zuvor genannten Aussagen dieser Zeugin und war daher – der weiteren Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider – unter dem Aspekt von Unvollständigkeit nicht gesondert erörterungsbedürftig (vgl RIS-Justiz RS0098646 [T8]).
[14] Die zum Schuldspruch zu 1./ erhobene Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, die Feststellungen würden das Tatbestandsmerkmal der Wehrlosigkeit nicht erfüllen, macht aber nicht klar, welche „entsprechende(n) Feststellungen zur Beeinträchtigung bzw. Wehrlosigkeit“ zusätzlich zu den bestehenden, wonach das Opfer im Zeitpunkt der Vornahme des Beischlafs „erheblich durch Alkohol beeinträchtigt, schlafend und wehrlos“ war (US 5), zu treffen gewesen wären.
[15] Soweit die Beschwerde vermeint, das Urteil beinhalte „angesichts des aus dem Akt ersichtlichen Alkoholgehalts sowie der Zeugenaussage der * L*“ zu ihren Wahrnehmungen kurz vor dem Einschlafen „keine Anhaltspunkte einer massiven Beeinträchtigung“, nimmt sie nicht an den Urteilsfeststellungen Maß (RIS-Justiz RS0099810), sondern übt in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik.
[16] Mit demVorbringen, die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite würden sich auf die „verba legalia“ beschränken, erklärt die Rüge nicht, weshalb es den Feststellungen, wonach es dem Angeklagten bewusst war, dass sich das Opfer in einem „massiv durch Alkohol beeinträchtigten Schlafzustand“ befand, und der Angeklagte in der Absicht handelte, diesen Zustand auszunutzen, um an ihm den Beischlaf vorzunehmen und es dadurch zu missbrauchen (US 5), mit Blick auf die im Urteil enthaltenen Annahmen zur objektiven Tatseite am gebotenen Sachverhaltsbezug fehlen sollte (RIS-Justiz RS0119090 [T2, T3]). Warum nach diesen Urteilsannahmen nicht (auch) die Wehrlosigkeit des Opfers vom Vorsatz des Angeklagten umfasst gewesen sein soll, erklärt die Beschwerde nicht.
[17] In Betreff des Schuldspruchs zu 2./a./ bestreitet die Rechtsrüge die Eignung der tatgegenständlichen Äußerung, begründete Besorgnis zu erwecken, legt aber nicht dar, weshalb eine solche bei der konstatierten verbalen Ankündigung, „If you say to someone I raped you, i will kill you“, welche die Tatrichter als solche einer „ernstgemeinten Ankündigung einer bevorstehenden Verletzung“ am Körper erachteten (US 5), bei gebotener Anlegung eines objektiv‑individuellen Maßstabs (RIS-Justiz RS0092753 [T1]) nicht gegeben sein sollte. Soweit sie auch eine Beurteilung der Drohung als situationsbedingte Unmutsäußerung anstrebt, werden die gegenteiligen Konstatierungen zum Bedeutungsinhalt und zur Ernstlichkeit der Äußerung (US 5) vernachlässigt (RIS-Justiz RS0092448 [T5]).
[18] Die von der Beschwerde vermissten Feststellungen, dass der Vorsatz des Angeklagten auch die Ernstlichkeit seiner Ankündigung einer nicht ganz unerheblichen Körperverletzung umfasste, befinden sich auf US 5 und werden in der Rechtsmittelschrift ohnehin wörtlich wiedergegeben. Insoweit erweist sich die Beschwerde als unschlüssig.
[19] Weshalb neben den zum Schuldspruch zu 2./b./ getroffenen Feststellungen, wonach L* durch den vom Angeklagten versetzten wuchtigen Stoß gegen ihren Brustbereich das Gleichgewicht verlor, nach hinten fiel und mit dem Hinterkopf gegen die Wand stieß, wodurch sie eine Schwellung am Hinterkopf erlitt (US 5 f), weitere „zu allfälligen sonstigen Verletzungs(er)folgen“ zu treffen gewesen wären, erklärt die Rechtsrüge nicht (RIS-Justiz RS0116565). Der in diesem Zusammenhang gegebene Hinweis, dass sich das Opfer bereits zuvor in einer Bar den Kopf angeschlagen hat, erschöpft sich in – in dieser Form unzulässiger – Beweiswürdigungskritik.
[20] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[21] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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