European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00006.25W.0219.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.694,40 EUR (darin enthalten 282,40 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Dem zwischen den Streitteilen bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) 2003 zugrunde, die auszugsweise lauten:
„Artikel 6
Welche Leistungen erbringt der Versicherer
1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, übernimmt der Versicherer im Fall seiner Leistungspflicht die ab dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Deckungsanspruchs entstehenden Kosten gemäß Punkt 6, soweit sie für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers notwendig sind.
[...]
3. Notwendig sind die Kosten, wenn die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zweckentsprechend und nicht mutwillig ist und hinreichende Aussicht auf deren Erfolg besteht.
[...]
6. Der Versicherer zahlt
6.1. die angemessenen Kosten des für den Versicherungsnehmer tätigen inländischen Rechtsanwalts bis zur Höhe des Rechtsanwaltstarifgesetzes oder, sofern dort die Entlohnung für anwaltliche Leistungen nicht geregelt ist, bis zur Höhe der Autonomen Honorarrichtlinien für Rechtsanwälte.
[...]“
Rechtliche Beurteilung
[2] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
[3] 1.1 Nach der der Inhaltskontrolle gemäß § 879 ABGB vorgehenden Geltungskontrolle gemäß § 864a ABGB (RS0037089) ist nur eine Klausel objektiv ungewöhnlich, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der also nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen war; der Klausel muss somit ein Überrumpelungseffekt oder Übertölpelungseffekt innewohnen (RS0014646). Die Ungewöhnlichkeit eines Inhalts ist nach dem Gesetzestext objektiv zu verstehen. Die Subsumtion hat sich an der Verkehrsüblichkeit beim betreffenden Geschäftstyp zu orientieren (RS0014627).
[4] 1.2 Gemäß § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiden beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Das dadurch geschaffene bewegliche System berücksichtigt einerseits die objektive Äquivalenzstörung und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“ (RS0016914). Eine gröbliche Benachteiligung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht (RS0016914 [T4, T32]).
[5] 1.3 Maßstab für das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG ist das Verständnis des für die jeweilige Vertragsart typischen Durchschnittskunden. Es soll verhindert werden, dass der Verbraucher durch ein unzutreffendes oder unklares Bild zu einer vertraglichen Position von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird (RS0037107 [T6], RS0115219).
[6] 1.4 Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlichen verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insb T5, T7, T87]).
[7] 2.1 Welche Leistungen der Versicherer zu erbringen hat und welche Kosten er zu bezahlen hat, regelt Artikel 6 ARB 2003. Vergleichbare Klauseln hatte der Oberste Gerichtshof bereits vielfach zu beurteilen.
[8] 2.2 Bei der Prüfung, ob die Verfahrenskosten gemäß Artikel 6.3 ARB 2003 als notwendig anzusehen sind, können die zu §§ 41 ff ZPO entwickelten Grundsätze herangezogen werden (7 Ob 86/22f mwN; 7 Ob 208/22x). Als zweckentsprechend gilt jede – verfahrensrechtlich zulässige – Aktion, die zum prozessualen Ziel der Partei führen kann; die Prozesshandlung muss nach objektiver Beurteilung eine Förderung des Prozesserfolgs erwarten lassen (vgl RS0036038). Notwendig ist jede Aktion, deren Zweck mit geringerem Aufwand nicht erreicht werden kann (vgl RS0035774 [T2]). Eine Partei kann daher, wenn kosten- sparende Verfahrenshandlungen zum gleichen sachlichen oder formellen Ergebnis geführt hätten, nur jene Kosten beanspruchen, die diesen Zweck mit dem geringeren Aufwand erreicht hätten (vgl RS0035774 [T3]). In diesem Sinn wird auch der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer den Begriff „notwendig“ und „zweckentsprechend“ verstehen. Angemessenheit bedeutet Zulässigkeit und rechtmäßige Höhe der Kosten.
[9] 2.3 Der Kläger begründet die von ihm angenommene Unwirksamkeit der Klausel nach § 6 Abs 3 KSchG, § 864a ABGB und § 879 Abs 3 ABGB ausschließlich damit, dass auf eine „mieter‑ bzw konsumentenfeindlichste“ Auslegung abzustellen sei.Dabeiübergeht er völlig, dass es sich hier um einen Individualprozess handelt. Abgesehen davon, dassdie in der Klausel verwendeten Begriffe völlig klar und verständlich sind, lässt er offen, aus welchem Grund es ungewöhnlich nach § 864a ABGB oder gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB sein soll, wenn der Rechtsschutzversicherer lediglich die angemessenen, notwendigen und zweckentsprechenden Kosten übernimmt.
[10] 3. Die Beurteilung der Notwendig‑ und Zweckmäßigkeit der Kosten im bereits dargestellten Sinn hängt von den objektiven Umständen des Einzelfalls ab (7 Ob 52/24h mwN). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen zeigt der Kläger nicht auf:
[11] 3.1 Soweit er den Ersatz der Kosten für die Vollmachtsbekanntgabe und Stellungnahme vom 6. 11. 2018 begehrt, hielten ihm bereits die Vorinstanzen – jedenfalls vertretbar – entgegen, dass dieser Schriftsatz nicht notwendig und zweckentsprechend gewesen sei, weil er die Leistungen auch bei dem Termin am 16. 11. 2018 hätte erbringen können. Dies gilt umso mehr, als er bei diesem Termin den Inhalt seiner Stellungnahme im Wesentlichen ohnedies nur wiederholte.
[12] 3.2 Gleiches gilt für die – ohne Aufforderung der Behörde erfolgte – Stellungnahme vom 8. 6. 2020, die in der Verhandlung vom 28. 7. 2020 vorgebracht hätte werden können.
[13] 3.3 Mit Eingabe vom 31. 8. 2020 gab der Kläger bekannt, dass in einem ähnlich gelagerten Fall am 30. 9. 2020 eine Verhandlung am Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ausgeschrieben sei, im Rahmen derer die auch hier – bereits mit honorierter Stellungnahme vom 28. 8. 2020 – namhaft gemachte Auskunftsperson einvernommen werden soll. Nicht zu beanstanden ist die Beurteilung der Vorinstanzen, dass diese Eingabe nicht erforderlich gewesen sei. Wenn der Kläger nunmehr meint, dass sie als zweckentsprechend anzusehen sei, weil sie die Möglichkeit zu einer Verbindung der Verwaltungsstrafverfahren angeführt hätte, ist ihm entgegenzuhalten, dass ein derartiger Hinweis nicht feststeht.
[14] 3.4 Am 15. 9. 2020 legte der Kläger einen Auszug aus der Homepage und eine Bestätigung des Herstellers des inkriminierten „Radar‑ und Laserblockers“ vor. Die Beurteilung der Vorinstanzen, diese Bestätigungen hätten in der Verhandlung vom 26. 11. 2020 vorgelegt und das damit verbundene Vorbringen erstattet werden können, ist nicht zu beanstanden.
[15] 3.5 Am 7. 11. 2020 legte der Kläger ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 13. 10. 2020 vor. Nicht korrekturbedürftig ist die Ansicht der Vorinstanzen, dass eine derartige Vorlage schon nicht notwendig gewesen sei, jedenfalls aber in der Beschwerdeverhandlung vom 26. 11. 2020 erfolgen hätte können.
[16] 4.1 Die Revision argumentiert, es stehe für die Beschwerde gegen das Straferkenntnis die Verbindungsgebühr nach § 9 Abs 2 AHK in Höhe von 20 % zu, weil sie Grund und Höhe der Strafe bekämpft habe. Die Unrichtigkeit dieser Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof bereits in den Entscheidungen 1 Ob 237/21s, 7 Ob 45/24d, 7 Ob 52/24h, dargelegt, wogegen der Kläger auch keine neuen beachtenswerten Argumente bringt.
[17] 5.1 Gemäß § 2 Abs 2 AHK ist bei der Beurteilung der Angemessenheit des Honorars zu berücksichtigen, ob diese Leistungen nach Art und Umfang den Durchschnitt erheblich übersteigen oder unterschreiten. Der Fachsenat hat bereits in den Entscheidungen 7 Ob 208/22x und 7 Ob 45/24d ausgeführt: „Von der in der Bestimmung vorgesehenen Möglichkeit Abschläge vorzunehmen, ist Gebrauch zu machen, wenn offenkundig ist, dass die Anwendung der für ein geschworenengerichtliches Verfahren angemessenen Honoraransätze und die Heranziehung einer Bemessungsgrundlage von 26.000 EUR auf ein Verwaltungsstrafverfahren, in dem eine Geldstrafe von 300 EUR (600 EUR) verhängt wurde und dem lediglich die Übermittlung der Lenkerauskunft an die Behörde (Zustellung der Lenkererhebung) strittig war, auch unter Berücksichtigung der konkreten Strafdrohung nicht dem Angemessenheitsgebot entspricht.“
[18] 5.2 „Vergleichsmaßstab“ ist hier nicht – wie der Kläger meint – das geschworenengerichtliche Verfahren an sich, sondern, ob diefür ein solches vorgesehenen Honoraransätze und Bemessungsgrundlagen zu dem konkreten Verwaltungsstrafverfahren im Verhältnis stehen.
[19] 5.3 Die Vorinstanzen übertrugen diese Grundsätze auf die hier zu beurteilende Fallkonstellation, in der eine Geldstrafe von 2.000 EUR verhängt wurde, die zur damaligen Bemessungsgrundlage von 26.000 EUR ebenso außer Verhältnis stehe. Die zu klärende Frage habe sich darauf beschränkt, ob der zum Zeitpunkt 29. September 2018 im Fahrzeug des Klägers verbaute, allerdings mittels Software deaktivierte Laserblocker eine Beeinflussung oder Störung von technischen Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung im Sinn des § 98a Abs 1 KFG 1967 verursachen haben können.
[20] 5.4 Auch die vom Berufungsgericht angesetzten 50 % an Honorarabschlag gemäß § 2 Abs 2 AHK halten sich innerhalb des dafür zur Verfügung stehenden Ermessensspielraums.
[21] 5.5 Soweit der Kläger eine besondere (rechtliche) Komplexität des Verfahrens daraus ableiten möchte, dass der Verwaltungsgerichtshof erst mit seiner Entscheidung Ra 2020/02/0063 vom 13. 10. 2020 eine Klarstellung zu „Radar‑ und Laserblockern“ vorgenommen habe, übergeht er, dass sich diese Entscheidung bereits auf die Entscheidung Ra 2019/02/0069 vom 17. 6. 2019 (Zurückweisung einer Revision) bezieht. Schon dortführte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass bereits nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 98a Abs 1 KFG die bloße Eignung des im Kraftfahrzeug angebrachten oder mitgeführten Geräts oder Gegenstands zur Störung oder Beeinflussung von technischen Verkehrsüberwachungseinrichtungen reiche. Eine besondere rechtliche Komplexität sah der Verwaltungsgerichtshof aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht. Die Eignung des Geräts ist aber vielmehr – in der Regel von einem Sachverständigen zu klärende – Tatfrage.
[22] 6. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
[23] 7. Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 41, 50 ZPO, die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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