OGH 7Ob17/25p

OGH7Ob17/25p19.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. R* P*, vertreten durch Dr. Peter Lösch Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M* O*, 2. V*, beide vertreten durch Dr. Maria Windhager, Rechtsanwältin in Wien, wegen 21.880,74 EUR sA, über die Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 7. November 2024, GZ 6 R 145/24x‑29, womit das Zwischenurteil des Landegerichts Salzburg vom 30. Juli 2024, GZ 4 Cg 65/23g‑21, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00017.25P.0219.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.795,78 EUR (darin enthalten 297,78 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[2] 1. Der Kläger begehrt den Ersatz reiner Vermögensschäden. Bloße (reine oder primäre) Vermögensschäden sind nachteilige Veränderungen im Vermögen des Geschädigten, die ohne Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts eintreten. Im deliktischen Bereich genießen derartige Vermögensschäden keinen umfassenden Schutz, sie sind vielmehr nur unter besonderen Voraussetzungen auszugleichen. Ein derartiger Schadenersatzanspruch ist – abgesehen vom Anwendungsbereich spezieller Bestimmung (insbesondere dem UWG) – dann denkbar, wenn ein Schutzgesetz verletzt wurde, das auch den Schutz des bloßen Vermögens bezweckt, wenn der Vermögensschaden die Folge der Verletzung eines absolut geschützten Guts ist oder, wenn eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung iSd § 1295 Abs 2 ABGB vorliegt (RS0016754; RS0023122 [T2]; RS0022813 [T4, T5]).

[3] Für absichtliche Schädigung iSd § 1295 Abs 2 ABGB genügt nach der Rechtsprechung bedingter Vorsatz (RS0026603). Dieses und die Sittenwidrigkeit sind gesonderte Tatbestandsmerkmale. Eine sittenwidrige deliktische Schädigung erfordert einen besonderen personalen Handlungsunwert, der in einer zielgerichteten Schädigung liegt (8 Ob 85/19m mwN). Der Vorsatz muss sich sowohl auf den herbeigeführten Schaden als auch auf die dem Sittenwidrigkeitsurteil zugrunde liegenden Tatsachen erstrecken, die dem Schädiger bekannt sein mussten (4 Ob 201/18i mwN, 8 Ob 85/19m mwN).

[4] 2.1 Mit Kundmachung vom 22. 2. 2023 veröffentlichte die Stadt Salzburg die „zivilrechtliche Weitervergabe“ für Fiakerstandplätze für den Zeitraum von fünf Jahren ab 1. 5. 2023. Der Kläger stellte fristgerecht einen Antrag auf „Zulassung“ von zwei Fiakerstandplätzen.

[5] Der Erstbeklagte erklärte sich gegenüber den Vertretern des zweitbeklagten Tierschutzvereins bereit, sich einem Vorgehen gegen Fiakerfahrten in Salzburg anzuschließen. Eine auf Vergaberecht spezialisierte Anwaltskanzlei brachte am 23. 3. 2023 beim Landesverwaltungsgericht Salzburg über Veranlassung und auf Kosten des Zweitbeklagten unter dem Namen des Erstbeklagten einen „Nachprüfungsantrag“ gegen die Ausschreibung „Zivilrechtliche Vergabe Fiakerstandplätze am Residenzplatz“ verbunden mit dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ein. Im Nachprüfungsantrag wurde die Nichtigerklärung der Ausschreibung mit der Begründung begehrt, es würden zwingende Bestimmungen des Vergaberechts nicht eingehalten. Zur Aktivlegitimation des Erstbeklagten wurde vorgebracht, dieser sei deutscher Staatsbürger und führe gewerbliche Personenbeförderungen mit Pferdekutschen durch. Die massiv rechtswidrige Bekanntmachung verhindere seine aussichtsreiche Bewerbung. Er habe an der Erlangung der gegenständlichen Dienstleistungskonzession ein hohes Interesse. Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde damit begründet, dass dem Erstbeklagten eine unmittelbare Schädigung seiner Interessen drohe. Die Möglichkeit der Legung eines Angebots könne nur wirksam gesichert werden, wenn das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache offengehalten werde, um seine Teilnahme zu ermöglichen. Ihm drohe – ohne die begehrte einstweilige Verfügung – eine massive, nicht wiedergutzumachende Schädigung seiner Interessen, insbesondere aber der Entgang der Dienstleistungskonzession und sohin eines Referenzprojekts sowie der Entgang des kalkulierten Gewinns und die Kosten für die rechtsfreundliche Vertretung.

[6] Das Vergabeverfahren wurde in der Folge mittels einstweiliger Verfügung des Landesverwaltungsgerichts ausgesetzt und der Stadt Salzburg für die Dauer des Verfahrens der Abschluss einer zivilrechtlichen Vereinbarung mit (unter anderem) dem Kläger untersagt. Die einstweilige Verfügung wurde mit Wirkung vom 8. 5. 2023 wieder aufgehoben. Der Kläger erhielt am 26. 5. 2023 die Bewilligung für einen zweiten Standplatz und konnte mit 1. 6. 2023 den Betrieb – verzögert – aufnehmen.

[7] Tatsächlich hatte der Erstbeklagte nie die Absicht, sich um einen Fiakerstandplatz in Salzburg zu bewerben und hier Kutschenfahrten durchzuführen. Dies war den Vertretern des Zweitbeklagten bekannt. Ihnen kam es darauf an, dass durch die Erlassung der einstweiligen Verfügung der Fiakerbetrieb sofort eingestellt wird, wobei sie in Kauf nahmen, dass die betroffenen Unternehmen Einkommenseinbußen erleiden.

[8] 2.2 DasBerufungsgericht erblickte den besonders personalen Handlungsunwert des Vorgehens des Zweitbeklagten darin, dass dieser unter dem Namen eines „Strohmanns“ bewusst unrichtige Angaben aufstellte und er mit dieser vorsätzlichen Manipulation und der damit einhergehenden Täuschung des Landesverwaltungsgerichts Salzburg die Erlassung einer einstweiligen Verfügung erwirkte, um die Antragsteller im Vergabeverfahren – so auch den Kläger – vorsätzlich zu schädigen. Das Berufungsgericht bejahte – jedenfalls vertretbar – das Vorliegen der absichtlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 1295 Abs 2 erster Fall ABGB, wogegen der Zweitbeklagte keine stichhaltigen Argumente bringt:

[9] 2.2.1 Das Berufungsgericht ging – entgegen der Ansicht des Zweitbeklagten – ohnedies nicht von einem Missbrauch einer formalen Rechtsstellung durch ihn selbst aus; ein Eingehen auf die in diesem Zusammenhang erhobenen Ausführungen erübrigt sich daher.

[10] 2.2.2 DieBeurteilung, ob bzw in welcher Form eine Abwägung der Interessen im Zusammenhang mit einer sittenwidrigen Schädigung nach § 1295 Abs 2 erster Fall ABGB zu erfolgen hat, kann hier dahingestellt bleiben. Zum einen meintder Zweitbeklagte unrichtig, dass das Berufungsgericht eine Interessenabwägung nicht vorgenommen habe. Dieses kam aber ausdrücklich zu dem Ergebnis, dass auch eine Interessenabwägung zu keiner Rechtmäßigkeit der Schädigung des Klägers führen könne, weil einerseits nicht feststehe, ob der Kläger überhaupt gegen eine Tierschutzvorschrift verstoßen habe, und andererseits der Zweitbeklagte mit dem auf Falschangaben beruhenden Provisorialantrag über das Ziel „hinausgeschossen“ sei. Dies gelte auch um so mehr, als Tierschutz zwar den Rang eines verfassungsrechtlich abgesicherten Staatsziels genieße, nicht aber ein verfassungsrechtlich gewährleistetes subjektives Recht begründe.

[11] Gegen diese Beurteilung bringt der Zweitbeklagte keine Argumente vor. Soweit er nur bemängelt, dass das Berufungsgericht bei dieser Interessenabwägung weder sein verfassungsgesetzlich gewährleistetes subjektives Grundrecht auf Betätigung im Rahmen seines Vereinszwecks noch jenes der freien Meinungsäußerung berücksichtigt habe, liegt dies allein darin begründet, dass er diese weder in erster noch in zweiter Instanz als beachtenswerte Interessen ins Treffen geführt hat.

[12] 3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

[13] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat im Ergebnis auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, wobei nach überwiegender jüngerer Rechtsprechung (RS0123222 [T10]; 6 Ob 107/21k, 2 Ob 138/24v) kein Kostenvorbehalt erfolgt. Der Streitgenossenzuschlag gebührt nicht, weil der Kläger im Revisionsverfahren nur der Zweitbeklagten gegenübersteht.

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