European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00009.25M.0219.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.639,40 EUR (darin enthalten 439,90 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Zwischen den Streitteilen bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung – ARB 2008 zugrunde lagen. Diese lauteten auszugsweise:
„[...]
Artikel 9
Wann und wie hat der Versicherer zum Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers Stellung zu nehmen? Was hat bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer über die Art der Vorgehensweise oder die Erfolgsaussichten zu geschehen (Schiedsgutachterverfahren)
[...]
2. Davon unabhängig hat der Versicherer das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzustellen. Kommt er nach Prüfung des Sachverhaltes unter Berücksichtigung der Rechts- und Beweislage zum Ergebnis,
[...]
2.3. dass erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, hat er das Recht, die Kostenübernahme zur Gänze abzulehnen.
[...]“
Rechtliche Beurteilung
[2] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
[3] 1. Die Vorinstanzen beurteilten – entsprechend der bereits bestehenden oberstgerichtlichen Judikatur (vgl 7 Ob 112/23f) – Art 9.2.3. ARB weder als intransparent nach § 6 Abs 1 KSchG, noch als ungewöhnlich nach § 864a ABGB oder gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB, wogegen der Kläger keine beachtenswerten neuen Argumente bringt.
[4] 2. In der Rechtsschutzversicherung ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten kein strenger Maßstab anzulegen (RS0081929). „Offenbar aussichtslos“ ist eine Prozessführung, die schon ohne nähere Prüfung der Angriffs- oder Verteidigungsmittel als erfolglos erkannt werden kann (insbesondere bei Unschlüssigkeit, aber auch bei unbehebbarem Beweisnotstand). Eine nicht ganz entfernte Möglichkeit des Erfolgs genügt (RS0117144). Auch dann, wenn der Ausgang im zu deckenden Prozess bei Fehlen einer klaren Gesetzeslage von einer bisher nicht gelösten Rechtsfrage abhängt, rechtfertigt dies nicht die Annahme, dass keine oder keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (RS0124256 [T3]). Eine klare Gesetzeslage oder bereits gelöste Rechtsfragen können die Annahme rechtfertigen, dass keine oder keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (7 Ob 112/23f mwN).
[5] 3.1 Zum Haftungsausschluss nach § 2 Abs 3 AHG und dessen Verfassungskonformität (RS0077508) besteht langjährige und gefestigte Judikatur (RS0077508 [T1, T2, T3]).
[6] 3.2.Die Bestimmung des § 2 Abs 3 AHG ordnet ohne jede Einschränkung an, dass aus einem Erkenntnis der Höchstgerichte kein Ersatzanspruch abgeleitet werden kann. Gerechtfertigt ist dieser Haftungsausschluss, weil es sonst zu einer nachträglichen Überprüfung eines höchstgerichtlichen Erkenntnisses durch ein ordentliches Gericht (das Amtshaftungsgericht) käme und jede andere Regelung theoretisch zu einer unendlichen Prozesskette führen würde (RS0077508 [T1]; 1 Ob 22/18w mzwN).
[7] 3.3 Unter Erkenntnis iSd § 2 Abs 3 AHG ist jede Art von Entscheidung durch ein Höchstgericht zu verstehen, in welcher verfahrensrechtlich vorgesehenen Weise auch immer sie gefällt wird (RS0077508 [T4]; 1 Ob 83/21v mzwN).
[8] 3.4 Ist dem Höchstgericht die Überprüfung bekämpfter Entscheidungen nur im eingeschränkten Ausmaß möglich, sind Amtshaftungsansprüche aus nicht überprüfbaren Verhaltensweisen möglich, weil sie nicht aus einem Erkenntnis eines Höchstgerichts abgeleitet werden. So können die Art der Verfahrensführung und die Herbeiführung der Grundlagen für die freie Beweiswürdigung, aber auch deren Missbrauch vom angerufenen Höchstgericht nicht immer wahrgenommen werden (RS0077496).
[9] 4.1 Hier begehrt der Kläger Rechtsschutzdeckung für die Führung eines Amtshaftungsverfahrens, weil der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung rechtswidrig und schuldhaft vom festgestellten Sachverhalt abgegangen sein soll.
[10] 4.2 Er führt damit begründend für seinen behaupteten Amtshaftungsanspruch eine fehlerhafte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs an und leitet ihn daher geradezu aus einem Erkenntnis des Höchstgerichts ab.
[11] 4.3 Wenn daher die Vorinstanzen davon ausgingen, dass bereits aufgrund der klaren Rechtslage und den bereits gelösten Rechtsfragen für die beabsichtigte Amtshaftungsklage keine Aussicht auf Erfolg bestehe, ist dies nicht zu beanstanden.
[12] 4.4 An dieser Beurteilung vermag auch die vom Kläger herangezogene Entscheidung des VfGH G 64/10 nichts zu ändern: Der VfGH betonte, dass aus Erkenntnissen eines Höchstgerichts keine Schadenersatzansprüche abgeleitet werden können, was aber lediglich im Fall eines Schadenersatzanspruchs wegen Säumnis eines solchen Gerichts nicht zutrifft, weil es in diesen Fällen nicht mehr um die gleiche Rechtsfrage wie in einem Erkenntnis oder in einer sonstigen Entscheidung eines Höchstgerichts geht, sondern darum, ob das Höchstgericht bei der Erlassung der betreffenden Entscheidung schuldhaft säumig war. Zu einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Inhalts einer Entscheidung und damit zu einem endlosen Regress, dessen Vermeidung den Ausschluss der vom Art 23 Abs 1 B‑VG grundsätzlich vorgesehenen Amtshaftung rechtfertigt, kann es in diesen Fällen nicht kommen.
[13] 4.5 Im vorliegenden Fall geht es aber aufgrund der dem Obersten Gerichtshof vorgeworfenen Fehlerhaftigkeit seiner Entscheidung ausschließlich um die Rechtmäßigkeit des Inhalts dieser Entscheidung.
[14] 5. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
[15] 6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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