OGH 6Ob218/24p

OGH6Ob218/24p18.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Dr. Gottfried Forsthuber und Mag. Gottfried Forsthuber, Rechtsanwälte in Baden, wider die beklagte Partei N* GmbH, *, vertreten durch Skribe Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Verhängung von Beugestrafen und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 30. August 2024, GZ 18 R 121/24h‑26, womit das Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 29. April 2024, GZ 2 C 932/23x‑20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00218.24P.0218.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über den vom Landesgericht St. Pölten am 19. Juni 2024 zu AZ 21 R 81/24f beschlossenen, am 3. Juli 2024 eingereichten und zu AZ C‑468/24 des EuGH behandelten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.

Nach Vorliegen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist Stromverteilernetzbetreiberin in jenem Gebiet, in dem der Kläger als Endverbraucher Strom von einem Dritten bezieht. Der Kläger strebt im Wesentlichen die Unterlassung des Einbaus eines digitalen Strommessgeräts („Smart‑Meter“) an.

Rechtliche Beurteilung

[2] Das Landesgericht St. Pölten legte mit Beschluss vom 19. Juni 2024, AZ 21 R 81/24f, in einem Verfahren, in dem die hier Beklagte als Klägerin gegenüber einem Kunden, der ebenfalls als Endverbraucher von einem Dritten Strom bezieht, die Duldung des Ausbaus des bisher installierten Strommessgeräts zum Zweck des Austauschs mit einem intelligenten Stromzähler zu erreichen sucht, folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

„1. Ist Art. 22 der Richtlinie (EU) 2019/944 in Verbindung mit Anhang II dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass ein Netzbetreiber den Wunsch eines Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, zu [berücksichtigen] hat und in diesem Fall verpflichtet ist, dem Endverbraucher an der Stelle eines intelligenten Messsystems einen konventionellen Zähler zur Verfügung zu stellen?

2. Ist Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2014/32  (EU), der ein 'Messgerät' im Sinne der gerätespezifischen Anhänge III bis XII näher definiert (Elektrizitätszähler für Wirkverbrauch [MI‑003]) in Verbindung mit Art. 20 Buchst. b und Buchst. c und Art. 23 Abs. 3 der Richtlinie 2019/944 so auszulegen, dass er einer Bestimmung des nationalen Rechts (§ 7 Abs. 1 Z 31 Elektrizitätswirtschafts‑ und ‑organisationsgesetz, in der Folge kurz: ElWOG), die keine konkreten Anforderungen an die Datensicherheit von Messgeräten stellt, entgegensteht?

3. Ist bei der Auslegung der Art. 20 Buchst. b und Buchst. c, Art. 21 Abs. 1 Buchst. a, Art. 23 Abs. 3 der Richtlinie 2019/944 auch auf Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 85/374/EWG in der durch die Richtlinie 1999/34/EG geänderten Fassung Bedacht zu nehmen?

4. Ist Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG dahin auszulegen, dass der Begriff 'elektronisches Kommunikationsnetz' auch auf ein Stromnetz anzuwenden ist, über welches Daten (Verbrauchsdaten, Meta‑Daten, persönliche ID) nach den Zwecken der Art. 20 Buchst. b und Buchst. c, Art. 21 Abs. 1 Buchst. a und Art. 23 Abs. 3 der Richtlinie 2019/944 übertragen werden?

5. Sind die Art. 5 Abs. 1 Buchst. f, Art. 13, Art. 32 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2016/679 und Art. 7, Art. 8 Abs. 1 und 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: 'GRC') dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift (§ 1 Abs. 6 Intelligente Messgeräte‑Einführungsverordnung) entgegenstehen, nach welcher nur die jeweilige Konfiguration des Ableseintervalls für den Endverbraucher ersichtlich sein muss, nicht aber, ob der Netzbetreiber einen 'begründeten Einzelfall' (§ 84a Abs. 1 ElWOG) erkannt hat und Daten des Endverbrauchers vor dem festgelegten Intervall abgerufen hat?

6. Ist im Hinblick auf Art. 52 Abs. 3 GRC, Abs. 5 der Präambel und die Erläuterungen zu Art. 7 GRC die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK für die Auslegung der Art. 20 Buchst. b und Buchst. c, Art. 21 Abs. 1 Buchst. a und Art. 23 Abs. 3 der Richtlinie 2019/944 heranzuziehen?“

[3] Da der Beantwortung dieser Fragen teilweise auch Bedeutung für die Entscheidung im vorliegenden Fall zukommt und der Oberste Gerichtshof von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des EuGH auszugehen sowie diese auch für andere Fälle als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden hat, ist es zweckmäßig und geboten, das Revisionsverfahren zu unterbrechen (RS0110583).

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