European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00011.25M.0218.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiete: Grundrechte, Suchtgiftdelikte
Spruch:
Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
[1] Das Landesgericht für Strafsachen Wien verhängte mit Beschluss vom 24. Februar 2024, GZ 354 HR 45/24b‑65, über * M* die danach mehrfach fortgesetzte Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO.
[2] Mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung wies das Oberlandesgericht Wien den gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien vom 13. Dezember 2024 (ON 3) erhobenen Einspruch des M* ab, erklärte die Anklageschrift für rechtswirksam und setzte (gemäß § 214 Abs 3 StPO) die Untersuchungshaft über diesen aus demselben Haftgrund fort.
[3] Dabei ging es vom dringenden Verdacht aus, M* habe in W* und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift,
I/B/ nämlich Kokain (mit einem Reinheitsgehalt an Cocain von 80 %) in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, als Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von – mehr als zehn, im angefochtenen Beschluss teils namentlich genannten – Menschen (unter anderem) zur Begehung von Suchtgifthandel anderen überlassen, und zwar
1/ am 25. Dezember 2020
i/ 2.000 Gramm (1.600 Gramm Reinsubstanz) einem unbekannten Abnehmer mit der Bezeichnung „B*“;
ii/ 3.000 Gramm (2.400 Gramm Reinsubstanz) einer namentlich genannten Abnehmerin zur Aufbewahrung in deren Wohnung;
2/ am 26. Dezember 2020 weitere
i/ 3.000 Gramm (2.400 Gramm Reinsubstanz) dem unbekannten Abnehmer mit der Bezeichnung „B*“;
ii/ 9.000 Gramm (7.200 Gramm Reinsubstanz) der zu 1/ii/ angeführten Abnehmerin zur Aufbewahrung in deren Wohnung;
3/ am 13. Jänner 2021 einem unbekannten Abnehmer 3.000 Gramm (2.400 Gramm Reinsubstanz);
4/ bis 11/ von Frühjahr 2017 bis Februar 2024 wiederholt acht namentlich genannten Abnehmern insgesamt 223 Gramm (178,4 Gramm Reinsubstanz)
12/ vom 26. Juni 2020 bis zum 8. März 2021 wiederholt unbekannten Abnehmern insgesamt 1.382 Gramm (1.105,6 Gramm Reinsubstanz);
III/ in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 205,6 Gramm Kokain (Reinsubstanz: 127,01 Gramm Cocain) und 4,8 Gramm Cannabiskraut (Reinsubstanz: 0,05 Gramm Delta-9-THC und 0,61 Gramm THCA) mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, Anfang 2024 erworben und bis zum 21. Februar 2024 besessen.
[4] In rechtlicher Hinsicht subsumierte das Oberlandesgericht dieses Verhalten den Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG (I/B/) sowie der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 3 SMG (III/; vgl dazu RIS‑Justiz RS0113820 [insbesondere T10]).
Rechtliche Beurteilung
[5] Gegen diesen Beschluss richtet sich die (rechtzeitige) Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten M*, die im Wesentlichen einwendet, das Beschwerdegericht habe die Annahmen zum dringenden Tatverdacht „ausschließlich“ auf einem Beweisverbot unterliegende Verfahrensergebnisse gestützt. Dieses Beweisverbot ergebe sich aus dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 55d Abs 7 EU‑JZG und dessen Verletzung durch die österreichische Staatsanwaltschaft, weil diese über die Installation einer „Software auf die APP der SKY ECC Telefone“ (gemeint: durch ausländische Ermittlungsbehörden) informiert worden sei.
[6] Die Grundrechtsbeschwerde vernachlässigt (vgl aber RIS‑Justiz RS0119370), dass das Oberlandesgericht den Tatverdacht zum Vorwurf des Überlassens von Suchtgift zu I/B/4/ bis 12/ gerade nicht auf die Auswertung der SKY ECC‑Chatprotokolle, sondern „auf die belastenden Angaben der Suchtmittelabnehmer im Abschlussbericht“, jenen zu Punkt III/ „auf die Sicherstellung von Suchtgift in den Wohnräumlichkeiten“ des Beschwerdeführers stützte (ON 12.1, 5 f).
[7] Da sich demnach bereits aus Punkt I/B/4/ bis 12/ der dringende Verdacht des Suchtgifthandels durch Überlassen von Kokain in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge (§ 28b SMG) ergibt und diese strafbare Handlung schon für sich hafttragend ist (vgl RIS‑Justiz RS0120817 [T1, T6 und T7]), lässt die Grundrechtsbeschwerde die Darlegung eines Begründungsmangels der Sachverhaltsannahmen zum dringenden Tatverdacht infolge Missachtung eines Beweisverwertungsverbots (Z 5 vierter Fall) und damit die deutliche und bestimmte Bezeichnung einer Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit vermissen (vgl RIS-Justiz RS0061132 [T8], RS0061452; Kier in WK2 GRBG § 3 Rz 11 ff).
[8] Mit der Behauptung einer „durch die Verwertung und Verwendung der SKY ECC Chats“ bewirkten Verletzung (auch) der Grundrechte auf ein faires Verfahren (Art 6 MRK) und „auf Schutz der Privatsphäre“ (Art 8 MRK) wird keine Garantie des Grundrechts auf persönliche Freiheit (Art 5 MRK) oder eine der über Art 5 Abs 2 MRK angesprochenen Garantien des Art 6 Abs 1 MRK thematisiert und solcherart der Anfechtungsrahmen einer Grundrechtsbeschwerde verlassen (11 Os 129/24s [Rz 15]; 11 Os 147/24p [Rz 24]; vgl Kirchbacher/Rami, WK-StPO Vor §§ 170–189 Rz 1 f).
[9] Die solcherart prozessordnungswidrige Grundrechtsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.
[10] Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass sich der Oberste Gerichtshof jüngst mit dem Einwand eines die Auswertung von SKY ECC‑Chats betreffenden Beweisverwendungsverbots inhaltlich auseinandergesetzt und die Durchführung einer nach österreichischem Strafverfahrensrecht unzulässigen Überwachungsmaßnahme durch ausländische Ermittlungsbehörden (in Österreich) auf Basis der dort wiedergegebenen Sachverhaltsannahmen des Erst- und des Beschwerdegerichts verneint hat (11 Os 147/24p [insbesondere Rz 16 ff]).
[11] Entgegen dem Vorbringen der Grundrechtsbeschwerde hat das Oberlandesgericht im hier angefochtenen Beschluss in der Darstellung der (technischen) Vorgangsweise bei der Beweisgewinnung durch die ausländischen Ermittlungsbehörden keineswegs „diese Feststellungen“ (gemeint: die in der zitierten oberstgerichtlichen Entscheidung wiedergegebenen Sachverhaltsannahmen) „zu den eigenen“ gemacht, vielmehr bloß auf die dortige Lösung der Rechtsfrage verwiesen (ON 12.1, 6 f). Soweit die Grundrechtsbeschwerde ausdrücklich diese „Feststellungen des OGH zu 11 Os 147/24p“ nach den Kriterien der Z 5 und 5a bekämpft, ist sie schon im Ansatz verfehlt und entzieht sich (auch deshalb) einer inhaltlichen Erwiderung.
[12] Im Übrigen wird mit spekulativen Überlegungen zu aktenkundigen Unterlagen (ON 2.227.2, 9 f iVm ON 12.4, 4 f [wo von „Software zur Entschlüsselung der abgefangenen Daten“, einem „Toolbox-Modul zur Entschlüsselung von SKY-ECC-Nachrichten“ und von „Analyse des Toolbox-Programms“ die Rede ist]) kein Verfahrensergebnis aufgezeigt, das den Sachverhaltsannahmen im hier angefochtenen Beschluss (ON 12.1, 6 mit Verweis [vgl RIS‑Justiz RS0124017] auf ON 2.346.3, 10 iVm ON 2.334, 9 f), ausländische Ermittlungsbehörden hätten keine Software, insbesondere kein (Entschlüsselungs-)Programm auf den mit der SKY ECC-Applikation ausgestatteten Endgeräten installiert, erörterungsbedürftig entgegenstünde.
[13] Schließlich sah sich der Oberste Gerichtshof zum angeregten Vorgehen nach Art 89 Abs 2 B‑VG in Bezug auf § 134 Z 3 StPO nicht veranlasst.
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