European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0090OB00123.24I.0213.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und unter Einschluss des in Rechtskraft erwachsenen Teilurteils des Berufungsgerichts in der Sache selbst dahin erkannt, dass das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.051,08 EUR (darin 327,48 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 3.112,57 EUR (darin 253,32 EUR USt und 1.526 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger unterzeichnete am 28. 1. 2016 einen Kaufvertrag mit einer Fahrzeughändlerin über ein von der Beklagten hergestelltes Neufahrzeug der Marke Audi A4 Avant mit einem darin verbauten 3.0 Liter V6‑Turbodieselmotor der Baureihe EA897evo zu einem Kaufpreis von 67.205,02 EUR. In dem Kaufvertrag ist – aufgrund eines im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang gestellten Leasingantrags des Klägers – die P* Bank AG als Leasinggeberin eingetreten. Der Kaufvertrag enthält beim Kaufpreis bereits die Berücksichtigung eines „P* Bank‑Bonus“ von knapp über 1.000 EUR. Zahlungsbedingungen enthält der Kaufvertrag nicht.
[2] Ebenfalls am 28. 1. 2016 (Vorbringen des Klägers) schloss der Kläger mit der Leasinggeberin ein Restwertfinanzierungsleasing ab. Er leistete eine Depotzahlung von 28.000 EUR und danach 60 monatliche Leasingraten. Nach den vereinbarten Leasingbedingungen konnte er das Fahrzeug am Ende der Leasinglaufzeit zum kalkulierten Restwert von 33.600 EUR (inklusive Umsatzsteuer) kaufen, verpflichtet war er dazu nicht. Er kaufte das Fahrzeug lediglich aus faktisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Bereits bei Abschluss des Leasingvertrags stand für den Kläger fest, dass er das Fahrzeug behalten und zum Restwert erwerben würde.
[3] Nach Ablauf der Leasingdauer erwarb der Kläger das Fahrzeug am 5. 3. 2021 zum vereinbarten Restwert.
[4] Der Kläger begehrt von der Beklagten 20.161,51 EUR sA an Wertminderung (30 % des Kaufpreises), weil das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen sei. Aufgrund der Vertragsgestaltung sei dieser Schaden (Substanzschaden) bereits zum Erwerbszeitpunkt unmittelbar bei ihm eingetreten, weil er bereits vor Abschluss des Leasingvertrags die schuldrechtliche Verpflichtung mittels Kaufvertrags eingegangen sei. Selbst ausgehend von einem einheitlichen Vertrag habe er insgesamt erheblich mehr bezahlt als den Kaufpreis, weil der Leasingvertrag auf Basis eines überhöhten Kaufpreises berechnet worden sei.
[5] Die Beklagte bestritt und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wandte insbesondere dessen Unschlüssigkeit ein. Für den Kläger sei von Anfang an festgestanden, dass er den Erwerb des Fahrzeugs über eine Leasingkonstruktion finanzieren werde. Der Kläger sei daher erst mit dem „Herauskaufen“ des Fahrzeugs aus dem Leasingvertrag Eigentümer geworden. Zur Geltendmachung eines Schadens aus dem Kaufvertrag vom 28. 1. 2016 gegenüber der Beklagten sei er daher nicht aktiv klagslegitimiert.
[6] Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren wegen Unschlüssigkeit ab. Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung über Berufung des Klägers auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Da der Kläger das Fahrzeug im eigenen Namen erworben, zur Aufbringung des Kaufpreises einen Leasingvertrag abgeschlossen und nach Ablauf des Leasingvertrags das Fahrzeug von der Leasinggeberin zurückgekauft habe, mache er einen eigenen Schaden geltend. Feststellungen zur Schadenshöhe fehlten jedoch.
[7] Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht unter Verweis auf die mittlerweile ergangene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Leasingfällen das Klagebegehren (neuerlich) zur Gänze ab. Aufgrund der konkreten Vertragsgestaltung bestehe kein Zweifel darüber, dass der Kläger von Anfang an den Erwerb des Fahrzeugs mittels Leasingfinanzierung beabsichtigt gehabt habe. Der Kaufvertrag vom 28. 1. 2016 zeige beim Kaufpreis bereits eine Berücksichtigung eines „P* Bank‑Bonus“, die Zahlungsbedingungen seien offen geblieben. Berücksichtige man weiters, dass der Leasingvertrag nahezu zeitgleich mit dem Kaufvertrag abgeschlossen worden sei, sei ersichtlich, dass der Kaufvertrag ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs gedient habe, das letztlich die Leasinggeberin erworben und dem Kläger zum Gebrauch überlassen habe. Einen anderen als im Ausmaß einer prozentuellen Wertminderung vom ursprünglichen Kaufpreis bestehenden Schaden aus dem Leasingvertrag, etwa aus überhöhten Leasingraten, mache der Kläger nicht geltend. Der Kläger sei auch nicht verpflichtet gewesen, das Fahrzeug am Ende der Laufzeit des Leasingvertrags zu kaufen. Aufgrund der behaupteten Zahlung eines überhöhten Kaufpreises könne der Kläger daher keinen Schaden gegen die beklagte Fahrzeugherstellerin geltend machen.
[8] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil als Teilurteil im Umfang der Abweisung des Zinsenbegehrens von 4 % Zinsen aus 20.161,51 EUR vom 28. 1. 2016 bis 7. 6. 2021. Im Übrigen hob es das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Den Aufhebungsbeschluss begründete es damit, dass es gemäß § 499 Abs 2 bzw § 511 Abs 1 ZPO an seine im Aufhebungsbeschluss des ersten Rechtsgangs geäußerte Rechtsansicht gebunden sei. Die darin bejahte Frage der Aktivlegitimation des Klägers könne daher von ihr nicht neuerlich geprüft werden. Zur Beurteilung der Frage, ob eine Abschalteinrichtung im Sinne des Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG vorliege, fehlten aber ausreichende Feststellungen.
[9] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss im Hinblick auf die mittlerweile verfeinerte höchstgerichtliche Judikatur zur Aktivlegitimation des leasingfinanzierenden Käufers zu.
[10] In ihrem gegen den Aufhebungsbeschluss gerichteten Rekurs beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[11] Der Kläger beantragt in seinerRekursbeantwortung, den Rekursder Beklagten als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[12] Der Rekursder Beklagten ist zulässig und berechtigt.
[13] 1. Der Oberste Gerichtshof hat seit der im ersten Rechtsgang ergangenen Entscheidung des Berufungsgerichts bereits mehrfach zur Frage der Aktivlegitimation eines leasingfinanzierenden Fahrzeugkäufers für die Geltendmachung eines Schadens gegenüber dem Fahrzeughersteller bzw dem Motorenhersteller aus dem Erwerb eines Fahrzeugs, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist, wie folgt Stellung genommen:
[14] 2. Das – auch hier vorliegende – Finanzierungsleasing ist eine Form des Investitionsleasings, bei dem an die Stelle des Eigentumserwerbs an den Anlagegütern die bloße Gebrauchsüberlassung tritt. Der Leasinggeber erwirbt eine den Wünschen des Leasingnehmers, der das Leasinggut seinerseits bei einem Dritten (Lieferanten, Hersteller, Händler) ausgesucht hat, entsprechende Sache, um sie diesem für bestimmte Zeit zum Gebrauch zu überlassen. Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre gehört beim Finanzierungsleasing jedenfalls die erstmalige Verschaffung des ordnungsgemäßen Gebrauchs des Leasingobjekts zur unabdingbaren Verpflichtung des Leasinggebers im Austausch zu den Leasingraten (RS0020739). Wenngleich sich der Leasinggeber ähnlich dem drittfinanzierten Kauf wirtschaftlich der Rolle des Kreditgebers annähert, schließt der Leasingnehmer keinen Kaufvertrag mit dem Lieferanten ab. Ihm stehen daher gegenüber dem Lieferanten weder Eigentumsverschaffungsansprüche noch eigene vertragliche Gewährleistungsansprüche noch ein Anspruch auf Gebrauchsüberlassung zu. Aber auch eine Kredit- oder Darlehensgewährung durch den Leasinggeber erfolgt nicht. Vielmehr besteht die vertragliche Hauptverpflichtung des Leasinggebers darin, dem Leasingnehmer ein zum vereinbarten Gebrauch taugliches Leasinggut zur Verfügung zu stellen. Auch die Auswahl des Lieferanten durch den Leasingnehmer ändert nichts an der Pflicht des Leasinggebers, dem Leasingnehmer die Gebrauchsmöglichkeit zu verschaffen (7 Ob 88/23a Rz 9; zuletzt 3 Ob 220/24k Rz 10).
[15] 3. Zu 7 Ob 88/23a wurde ausgesprochen, dass, sofern der Kläger von Anfang an beabsichtigte, den Erwerb des Fahrzeugs über Leasing zu finanzieren, der von ihm mit dem Händler geschlossene Kaufvertrag ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs diente, das letztlich die Leasinggeberin erwerben und dem Kläger zum Gebrauch überlassen sollte. Inwieweit vor diesem Hintergrund bereits beim (ursprünglichen) Ankauf des Fahrzeugs bei der dort klagenden (ehemaligen) Leasingnehmerin der geltend gemachte Schaden aufgrund der Zahlung eines überhöhten Kaufpreises eingetreten sein solle, lasse sich deren Vorbringen nicht entnehmen. Einen Schaden aus dem Leasingvertrag, etwa aus überhöhten Leasingraten mache sie nicht geltend. Ob es allenfalls aufgrund des Leasingvertrags zu einer Schadensverlagerung gekommen wäre, also ein Mangel des Fahrzeugs, der typischerweise beim unmittelbar Geschädigten eintritt, im besonderen Fall durch ein Rechtsverhältnis auf einen Dritten überwälzt worden wäre, hänge von der konkreten Vertragsgestaltung ab, zu der die dortige Klägerin jedoch keine Behauptungen aufgestellt habe. Damit sei das Klagevorbringen aber unschlüssig geblieben (in diesem Sinne auch 7 Ob 128/23h; 10 Ob 53/23a; 6 Ob 153/23b; 3 Ob 166/24v; 3 Ob 220/24v).
[16] 4. Demgegenüber wurde in einer Konstellation, in der der Kaufvertrag nicht ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs für den Abschluss eines Finanzierungsleasingvertrags diente, sondern zunächst ein zivilrechtlich voll wirksamer Kaufvertrag mit dem Händler zustande kam und erst in der Folge zur Finanzierung des (nach Leistung einer Anzahlung) restlichen Kaufpreises ein Leasingvertrag (einschließlich Übertragung des Eigentums am Fahrzeug vom Leasingnehmer an den Leasinggeber) zustande kam, die Aktivlegitimation des Klägers bejaht (8 Ob 22/22a; 8 Ob 109/23x; 4 Ob 69/24m ua).
[17] 5. Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt ist davon gekennzeichnet, dass der Kläger über das Fahrzeug am 28. 1. 2016 einen Kaufvertrag unterfertigte, der bereits eine Berücksichtigung eines „P* Bank‑Bonus“ beim Kaufpreis enthält, die Zahlungsbedingungen aber offen lässt. Weiters hat er am selben Tag einen Leasingvertrag abgeschlossen, wobei die Leasinggeberin in den Kaufvertrag an Stelle des Klägers als Käuferin eintrat. Es ist daher davon auszugehen, dass von Anfang an eine Leasingfinanzierung beabsichtigt war und der Kaufvertrag mit dem Händler lediglich zur Spezifikation des Fahrzeugs, das letztlich die Leasinggeberin erwarb und dem Kläger zum Gebrauch überließ, abgeschlossen worden war. Der Kläger hat daher aufgrund der gewählten Vertragskonstruktion das Fahrzeug 2016 gerade nicht gekauft und ist nicht Eigentümer geworden (vgl 7 Ob 88/23a; 7 Ob 128/23h; 6 Ob 153/23b ua).
[18] 6. Der Behauptung des Klägers in seiner Rekursbeantwortung, er habe am selben Tag, als er den Kaufvertrag unterfertigt habe, nur einen Leasingantrag unterzeichnet, wobei damals noch völlig unklar gewesen sei, ob er als Leasingnehmer akzeptiert werde, steht sein eigenes im erstinstanzlichen Verfahren erstattetes Vorbringen entgegen, wonach er den Leasingvertrag mit der P* Bank AG am 28. 1. 2016 abgeschlossen hat. Die Entscheidung 8 Ob 109/23x, der zugrunde gelegt wurde, dass der Abschluss eines zivilrechtlich voll wirksamen Kaufvertrags des dortigen Klägers mit dem Händler und die Leistung einer Anzahlung nicht ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs für den Abschluss eines (Finanzierungs‑)Leasingvertrags gedient hat, zumal der Leasingvertrag erst rund einen Monat nach Abschluss des Kaufvertrags abgeschlossen wurde, ist mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht vergleichbar.
[19] 7. Auch die Entscheidung 8 Ob 22/22a stützt die Rechtsauffassung des Klägers, er mache mit der Klage einen eigenen Schaden geltend, der in der Verpflichtung zur überhöhten Kaufpreiszahlung bestehe, nicht. Auch dieser Beurteilung lag – anders als hier – keine Einheit des Kaufvertrags (mit Anzahlung) mit dem erst nachträglich zur Finanzierung des von der dortigen Klägerin geschuldeten Kaufpreises abgeschlossenen Leasingvertrags zugrunde.
[20] 8. Das Vorbringen des Klägers, er habe für das Fahrzeug insgesamt (nämlich durch Leistung der Leasingraten und des Restwerts an die Leasinggeberin) erheblich mehr bezahlt als nur den Kaufpreis, stellt entgegen der in der Rekursbeantwortung vertretenen Ansicht keine schlüssige Behauptung eines Schadens aus dem Leasingvertrag selbst, etwa wegen überhöhter Leasingentgelte, dar (3 Ob 166/24v Rz 9).
[21] 9. Der Kläger kann seine Aktivlegitimation auch nicht mit der Judikatur zu Substanzschäden begründen. Denn diese betrifft Fälle, bei denen das Leasinggut nach Übergabe an den Leasingnehmer beschädigt wird. Dieses Risiko kann durch den Leasingvertrag auf den Leasingnehmer verlagert werden, der dann insofern auch aktiv klagslegitimiert ist. Die hier in Rede stehende (Kardinal‑)Pflicht des Leasinggebers zur erstmaligen Verschaffung des ordnungsgemäßen Gebrauchs bzw Übergabe der Sache im bedungenen Zustand kann aber nicht auf den Leasingnehmer überwälzt werden (10 Ob 7/24p Rz 18). Die in der Rekursbeantwortung zitierte Entscheidung 2 Ob 172/22s, in der die Aktivlegitimation einer Klägerin – sei es aufgrund der Annahme einer bloßen Schadensverlagerung oder eines originären Anspruchs – zur Geltendmachung des aus dem Substanzeingriff resultierenden Schadens („Substanzschadens“) grundsätzlich bejaht wurde, ist hier nicht einschlägig, betraf sie doch eine ganz andere Rechtsfrage, nämlich die Geltendmachung offener Umsatzsteuer aus einer Totalschadensabrechnung nach einem Verkehrsunfall gegenüber Lenker und Halter, die die dortige Klägerin an die Leasinggeberin zu zahlen hatte. Gleiches gilt für die Entscheidung 2 Ob 29/20h, die ebenfalls Schadenersatzansprüche eines Leasingnehmers aus einem Verkehrsunfall betraf (3 Ob 166/24v Rz 10).
[22] Dem Rekurs der Beklagten war daher Folge zu geben, der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluss aufzuheben und zufolge Spruchreife in der Sache selbst im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen klagsabweisenden Urteils zu entscheiden (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO).
[23] Die Entscheidung über die Verpflichtung des Klägers auch zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens (zweiter und dritter Instanz) beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.
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