European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00129.24P.0128.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Im Verfahren AZ 83 Hv 51/20g des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzt der Vorgang der Ausfertigung des Urteils vom 17. Mai 2022 in gekürzter Form § 270 Abs 4 erster Satz iVm § 488 Abs 1 StPO.
Dem Landesgericht für Strafsachen Wien wird aufgetragen, das Urteil nach Maßgabe des § 270 Abs 2 StPO auszufertigen.
Gründe:
[1] Mit (unangefochten in Rechtskraft erwachsenem) Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Mai 2022, AZ 83 Hv 51/20g, wurde * A* – soweit hier wesentlich – (richtig: jeweils mehrerer) Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (A/II und B/1) und der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, § 84 Abs 2 StGB (A/III und B/II) schuldig erkannt und zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde nach § 21 Abs 2 StGB (idF BGBl I 2010/111) seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet, welche Maßnahme nach § 45 Abs 1 StGB (idF BGBl I 2001/130) ebenfalls bedingt nachgesehen wurde.
Rechtliche Beurteilung
[2] Der Vorgang der Ausfertigung dieses Urteils in gekürzter Form steht – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang:
[3] Nach der gemäß § 488 Abs 1 StPO auch für das Hauptverfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter geltenden Vorschrift des § 270 Abs 4 erster Satz StPO ist die Ausfertigung eines Urteils in gekürzter Form (unter anderem dann) nicht zulässig, wenn eine mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme angeordnet worden ist. Dies ist bei einer – wie hier – ausgesprochenen Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB (idF BGBl I 2010/111) der Fall, woran die bedingte Nachsicht dieser Maßnahme (nach § 45 Abs 1 StGB hier idF BGBl I 2001/130) nichts ändert (RIS‑Justiz RS0127071; Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 59; Bauer, WK‑StPO [Februar 2020] § 488 Rz 4/1).
[4] Indem die Einzelrichterin das Urteil dennoch gekürzt ausgefertigt hat, verletzte sie § 270 Abs 4 erster Satz iVm § 488 Abs 1 StPO.
[5] Eine für den Verurteilten nachteilige Wirkung dieser Gesetzesverletzung war schon deshalb nicht auszuschließen, weil das Urteil zu den Einweisungsvoraussetzungen – abgesehen von einem pauschalen Verweis auf ein Sachverständigengutachten – keine Ausführungen enthält. Die Feststellung der Gesetzesverletzung war daher nach § 292 letzter Satz StPO auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (vgl 12 Os 98/11w; 14 Os 159/11f; Ratz, WK‑StPO § 292 Rz 34).
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