European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0150OS00147.24T.0122.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* – soweit hier relevant – „sechsfach“ des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in B* und anderen Orten im Bundesgebiet durch die wahrheitswidrige Suggerierung und Behauptung, er wäre von seiner Ex‑Ehegattin * K* nach B* zum Wohnsitz des * S* gelockt worden, am Tatort von diesem und einem weiteren Mann „zusammengeschlagen“, in einem PKW festgehalten und letztlich ermordet worden, K* und S* dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er sie von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlungen, nämlich des Vergehens der Freiheitsentziehung (§ 99 Abs 1 StGB), des Vergehens der Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB) sowie des Verbrechens des Mordes (§ 75 StGB bzw §§ 15, 75 StGB), falsch verdächtigte, wobei er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigungen falsch waren und die fälschlich angelasteten Handlungen (teils) mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind, indem er
A./ am 24. Oktober 2023 an * V* eine E-Mail übermittelte, mit welcher er ihn über das Treffen mit K* beim Wohnsitz des S* informierte, vermittelte, dass er sich vor dem Treffen fürchte, und ihn aufforderte, die Polizei zu informieren, dass „irgendetwas nicht stimme“, wenn V* ihn in der Folge nicht erreichen könne, was dieser auch tat, wobei er auch Zugangsdaten zu einem am von K* benützten PKW angebrachten GPS‑Tracker beilegte, damit die Polizei die Genannte finden könne, wenn sie „abtauche“;
B./ zwischen 23. und 24. Oktober 2023 durch Hinterlegung eines Mobiltelefons im Postkasten der Polizeiinspektion G*, welches fingierte Nachrichten, teils über Telegram, enthielt, die den Eindruck erweckten, dass „ein tätlicher Angriff“ geplant werde bzw stattgefunden habe;
C./ zwischen 23. und 24. Oktober 2023 den am von K* benützten PKW angebrachten GPS‑Tracker entfernte, diesen mit seinem PKW „herumtransportierte“ und anschließend wieder an den von K* benützten PKW montierte, um ein Bewegungsmuster des PKW der K* vorzutäuschen, das zu dem von ihm suggerierten Angriff auf ihn passte;
D./ am 15. November 2023 in einem Telefonat mit dem Polizeibeamten Sc* monierte, „die Polizei möge sich endlich um die Aufklärung des Mordes bemühen, er habe Angst um sein Leben, * K* sei eine Psychopathin, er sei zu diesem Treffen gefahren, zwei Männer haben ihn niedergeschlagen, er habe Platzwunden am Kopf und Schnittverletzungen an den Händen erlitten, er sei in den Kofferraum des PKW gelegt worden, die Personen seien mit ihm irgendwohin gefahren und er habe sich letztlich befreien können“.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 8 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die nicht berechtigt ist.
[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Angeklagte durch die Abweisung (ON 131.3, 11) seines in der Hauptverhandlung am 25. April 2024 gestellten ([ON 113.4, 114] und am 29. Juli 2024 modifizierten [ON 131.3, 8]) Antrags auf Durchführung eines Lokalaugenscheins „zum Beweis dafür, dass [er] tatsächlich annehmen musste, dass für die Frau K* ein ausschließliches Gelegenheitsverhältnis gegeben war, aufgrund der Gegebenheiten beim Haus bzw aufgrund der Örtlichkeit, dass hier nur einem Insider sozusagen die Lage des Goldes bekannt sein musste“, und bei welchem es „vor allem […] darum [gehe], dass [seine] subjektive Tatseite […] hinsichtlich der Verleumdung nicht gegeben sei“, in seinen Verteidigungsrechten nicht verletzt. Denn das Antragsvorbringen ließ keinen Konnex zu schuld- oder subsumtionsrelevanten Umständen erkennen (siehe aber RIS‑Justiz RS0118319 [T1]).
[5] Soweit das Beschwerdevorbringen einen inneren Widerspruch (Z 5 dritter Fall) darin erblickt, dass der Angeklagte nach dem Schuldspruch wegen des „sechsfachen“ Verbrechens der Verleumdung verurteilt worden sei (US 2), in der rechtlichen Beurteilung des Urteils jedoch von der Verwirklichung „lediglich“ zweier solcher Verbrechen ausgegangen werde (US 18), verfehlt es den gesetzlichen Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes. Rechtliche Erwägungen sind nämlich nicht Gegenstand einer Mängelrüge (RIS-Justiz RS0130194 [T4]).
[6] Die weiteren Rechtsmittelausführungen zum (behaupteten) Vorliegen eines Widerspruchs (Z 5 dritter Fall) in Ansehung zweier (wiedergegebener) Passagen innerhalb des „Schuldspruchs“ gehen daran vorbei, dass ein im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) gelegener – tatsächlich nicht vorliegender – Widerspruch nicht mit Mängelrüge geltend gemacht werden kann (RIS‑Justiz RS0117402 [T9]). Dass das Erkenntnis die Tat nicht hinreichend individualisieren oder die ihm – in Bezug auf die rechtsrichtige Subsumtion – zukommende Ordnungsfunktion nicht erfüllen würde (RIS-Justiz RS0117402 [T20]), wird im Übrigen nicht behauptet.
[7] Soweit die Rüge ferner die Feststellung, K* habe „kein Gold vom Angeklagten“ gestohlen (US 5), als „ohne jegliche Begründung“ geblieben (Z 5 vierter Fall) kritisiert, spricht sie keine entscheidende, also für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage maßgebliche Tatsache an (RIS-Justiz RS0106268).
[8] Die vom Angeklagten (Z 5 vierter Fall) vermisste Begründung der Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der ihm angelasteten Verleumdungshandlungen (US 5 ff) findet sich auf US 14 ff.
[9] Das weitere Beschwerdevorbringen, das Erstgericht habe „die Anklageschrift […] um das Doppelte überschritten“ (Z 8), weil es (nicht von drei, sondern) von sechs Verbrechen ausgehe, legt nicht dar, weshalb Anklage und Urteil fallkonkret nicht denselben Sachverhalt betreffen sollten (vgl RIS-Justiz RS0113142). Eine Bindung des erkennenden Gerichts an die vom Ankläger vorgenommene rechtliche Beurteilung besteht im Übrigen nicht (RIS-Justiz RS0102147).
[10] Mit der Behauptung, die Feststellungen würden eine Subsumtion nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB nicht tragen, weil der Angeklagte „K* und S* nie in einen Zusammenhang mit einer Freiheitsentziehung, einer Körperverletzung oder eine[m] Mord“ gebracht und sie daher „zu keinem Zeitpunkt“ dieser Taten verdächtigt habe, übergeht die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell Z 10) die zum Bedeutungsinhalt der inkriminierten Handlungen getroffenen Feststellungen (US 5 ff; RIS-Justiz RS0096720; vgl auch RIS‑Justiz RS0096738). Damit verfehlt sie die prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die (implizite) Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
[12] Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 7. November 2024 (ON 165), mit welchem sein Antrag auf Berichtigung des Protokolls über die Hauptverhandlung abgewiesen wurde, ist – ohne inhaltliche Erwiderung – durch die Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde erledigt, weil sie sich auf keine für den Erfolg derselben wesentlichen Tatsachen bezog (vgl RIS-Justiz RS0126057 [T2, T5]).
[13] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
[14] Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei hinzugefügt, dass dem Erstgericht ein von der Nichtigkeitsbeschwerde nicht (prozessförmig) geltend gemachter Subsumtionsfehler (Z 10) unterlaufen ist. Die Annahme der Verwirklichung von sechs Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (US 2) war nämlich – wie das Erstgericht selbst erkannt hat (US 18) – auf Basis der vorliegend getroffenen Urteilsfeststellungen zur jeweils tateinheitlich erfolgten Verleumdung von (bloß) zwei Personen (US 5; vgl neuerlich RIS-Justiz RS0096738) rechtlich verfehlt. Dieser Subsumtionsfehler wirkte sich mangels Einflusses auf den Strafrahmen weder als solcher noch im Rahmen der Strafbemessung (vgl US 18) konkret zum Nachteil des Angeklagten aus, weshalb er nicht von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) aufzugreifen war (RIS-Justiz RS0099767 [insbesondere T4]). Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufungen nicht an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS-Justiz RS0118870).
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