European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00192.24X.1218.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über den vom Bezirksgericht für Handelssachen Wien am 27. September 2024 zu 22 C 278/20y (22 C 289/20z [richtig: 22 C 269/20z], 22 C 270/20x) gestellten und zu C-751/24 des Europäischen Gerichtshofs behandelten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.
Nach Vorliegen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.
Begründung:
[1] Der Kläger erwarb am 25. März 2013 privat einen Audi A4 2,0 TDI mit der Motortype EA189 zum Preis von 19.600 EUR.
[2] Der Kläger begehrt Zahlung von 5.880 EUR. Er nehme die Beklagte als Herstellerin der Emissionssteuerung bzw der unzulässigen Abschalteinrichtungen in Anspruch. Die Beklagte sei somit Herstellerin im Sinn der Rahmenrichtlinie 2007/46/EG , weshalb ihre Inanspruchnahme wegen Verstoßes gegen Schutznormen der VO 715/2007/EG möglich sei. Dies umso mehr, als die Fahrzeugherstellerin zu 100 % im Eigentum der Beklagten stehe. Im Übrigen stütze der Kläger seine Ansprüche auf § 874 ABGB, § 1295 ABGB iVm § 146 StGB, § 1 Abs 1 UWG, Garantie sowie listige Irreführung gemäß §§ 870 ff ABGB. Der Kläger habe daher Anspruch auf 30 % des Kaufpreises.
[3] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren.
[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe durch den Ankauf und Verkauf seines Fahrzeugs keinen Nachteil in seinem Vermögen erlitten, weshalb allein deshalb das Klagebegehren abzuweisen sei.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und hob die angefochtene Entscheidung auf. Die Beklagte sei nicht Herstellerin des Fahrzeugs, weshalb ihre Haftung wegen Verstoßes gegen Schutznormen der VO 715/2007/EG ausscheide. Allerdings habe das Erstgericht zu den übrigen vom Kläger behaupteten Anspruchsgrundlagen keine Feststellungen getroffen, sodass die Aufhebung des Ersturteils unumgänglich sei.
[6] Es ließ den Rekurs zur Frage zu, ob in dem Fall, in dem die Beklagte aufgrund von § 874 oder § 1295 Abs 2 ABGB hafte, die relative Berechnungsmethode auch dann zu einem Schadenersatz führe, wenn sich der Vermögensstand des Käufers durch den Erwerb des Fahrzeugs mit der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht verändert habe.
[7] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, diese dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[8] Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[9] Das Rekursverfahren ist zu unterbrechen.
[10] 1. Im Verfahren 22 C 278/20y (22 C 289/20z [20 C 269/20z], 22 C 270/20x) hat das Bezirksgericht für Handelssachen Wien dem Gerichtshof der Europäischen Union (C‑751/24 [Gebrüder Weiss]) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„Sind die Bestimmungen der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (ABl L 263/1 vom 9. 10. 2007) iVm Art 5 Abs 2 der Verordnung (EG) Nr 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zur Reparatur und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl L 171/1 vom 29. 6. 2007) im Lichte des Urteils vom 31. 3. 2023, Mercedes‑Benz Group (C‑100/21 , EU:C:2023:229) dahin auszulegen, dass sie die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dem Hersteller des in diesem Fahrzeug verbauten Motors schützen, wenn dieser Motor von seinem Hersteller mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinn von Art 5 Abs 2 der Verordnung Nr 715/2007 ausgestattet worden ist, jedoch der Hersteller des Fahrzeugs im Sinn von Art 3 Nr 27 der RL 2007/46 nicht der Hersteller des Motors, sondern eine zu 100 % im wirtschaftlichen Eigentum des Motorherstellers stehende Tochtergesellschaft ist?“
[11] 2. Auch im vorliegenden Fall sieht der Kläger seinen Schaden im Erwerb eines Fahrzeugs, das mit einer von der – behauptetermaßen auch im 100%igen Eigentum der Fahrzeugherstellerin stehenden – beklagten Motorherstellerin erzeugten unzulässigen Abschalteinrichtung versehen worden sei.
[12] 3. Die Beantwortung der im Verfahren 22 C 278/20y (22 C 269/20z, 22 C 270/20x) des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien herangetragenen Vorlagefrage ist auch im vorliegenden Fall für die Beurteilung der Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger relevant.
[13] 4. Der Oberste Gerichtshof hat von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszugehen und diese auch für andere Fälle als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden. Aus prozessökonomischen Gründen ist das Verfahren daher zu unterbrechen (RS0110583).
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