OGH 1Ob57/24z

OGH1Ob57/24z19.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Pfurtscheller als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A GmbH, *, vertreten durch Dr. Stefan Brandacher, M.B.L., Rechtsanwalt in Schwaz, gegen die beklagte Partei Gemeinde L*, vertreten durch Mag. Julia Fiegl‑Lang, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen Feststellung der Nichtigkeit eines Raumordnungsvertrags, Unwirksamerklärung und Löschung eines Vorkaufsrechts und Feststellung einer Schadenersatzpflicht, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. Februar 2024, GZ 4 R 157/23a‑18, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Silz vom 2. Juni 2023, GZ 2 C 835/22y‑12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00057.24Z.1119.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.897,70 EUR (darin 482,95 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin übt unter anderem das Baumeister- und Bauträgergewerbe aus. Sie erwarb im Jahr 2019 ein im Gemeindegebiet der Beklagten gelegenes (2006 im Rahmen eines Baulandumlegungsverfahrens neu gebildetes) Grundstück mit einer Fläche von insgesamt 972 m². Zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses war das Grundstück noch als Freiland iSd § 41 TROG 2016 gewidmet, grundverkehrsrechtlich jedoch als Baugrundstück zu behandeln, weil es sich nach dem örtlichen Raumordnungskonzept innerhalb der Siedlungsgrenze befand. Ausschlaggebend für den Ankauf war eine Erklärung des Bürgermeisters der Beklagten in einem Schreiben an einen der Rechtsvorgänger der Klägerin aus dem Jahr 2016, wonach eine Umwidmung des Grundstücks in Bauland (Wohngebiet) nach Vorliegen eines vom Gemeinderat zu prüfenden Wohnbedarfs vorgenommen werde und vor einer solchen Umwidmung eine „notarielle Vereinbarung“ gemäß § 33 Abs 2 TROG 2011 vorzulegen sei.

[2] Die Klägerin suchte im August 2019 bei der Beklagten um Umwidmung des Grundstücks von Freiland in Wohngebiet an und stellte das von ihr geplante Bauprojekt vor.

[3] Daraufhin fasste der Gemeinderat im September 2020 den Beschluss, „grundsätzlich einer Umwidmung des Grundstücks … von Freiland in Sonderfläche geförderter Wohnbau dann zuzustimmen, wenn das geplante Projekt (Vergabe wohnbaugeförderter Wohnungen) realisierbar ist, ein noch entsprechend auszuarbeitender Raumordnungsvertrag dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorgelegt wird (mit Festlegung der genauen Anzahl der Wohnungen, welche allein durch die Gemeinde vergeben werden dürfen)“.

[4] Nachdem der damalige Rechtsvertreter der Klägerin der Beklagten mitgeteilt hatte, dass seines Erachtens die Voraussetzungen einer Sonderflächenwidmung nicht erfüllt seien, nahm die Beklagte von dem entsprechenden Vorhaben Abstand.

[5] Im Jänner 2021 fand eine Besprechung unter anderem zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin, dem Bürgermeister der Beklagten und den (damaligen) Parteienvertretern zum Widmungsansuchen der Klägerin statt. Die Klägerin erklärte laut Resümeeprotokoll, dass die „Auflage, sämtliche Einheiten der geplanten Wohnanlage zu den Bedingungen der Tiroler Wohnbauförderung zu veräußern, für die … [Klägerin] aus wirtschaftlicher Sicht nicht akzeptabel“ sei. Der Bürgermeister legte dar, dass „die Forderung, wonach sämtliche Einheiten der geplanten Wohnanlage von der … [Klägerin] nur zu den Bedingungen der Tiroler Wohnbauförderung veräußert werden dürften, jedoch aufrecht“ bleibe.

[6] Im März 2021 übermittelte die Beklagtenvertreterin dem damaligen Rechtsvertreter der Klägerin einen Raumordnungsvertragsentwurf. Der Rechtsvertreter der Klägerin war der Ansicht, dass die darin enthaltene Bedingung, dass alle Wohneinheiten zu Wohnbauförderungskonditionen veräußert werden müssen, gesetzwidrig sei. Änderungs‑ oder Ergänzungswünsche äußerten aber weder die Klägerin noch er. Lediglich die Kosten für die Vertragserrichtung sollten nach Wunsch der Klägerin von der Beklagten übernommen werden. Dem kam die Beklagte allerdings nicht nach.

[7] Am 23. 3./3. 5. 2021 schlossen die Parteien einen Raumordnungsvertrag mit unter anderem folgenden Bestimmungen:

„I. Präambel/Rechtsverhältnisse

[...]

3. Die Grundeigentümerin beabsichtigt auf dem Gst [...] eine Wohnanlage mit 12 Wohneinheiten und 23 Tiefgaragenabstellplätzen und Nebenräumen sowie Besucherparkplätze im Freien nach den Kriterien des Tiroler Wohnbauförderungsgesetzes idgF zu errichten, wobei es für die Errichtung dieses Objektes einer Umwidmung und eines Bebauungsplanes bedarf.

[...]

5. Die Gemeinde als Trägerin von Privatrechten strebt die Verwirklichung der Ziele der örtlichen Raumordnung an. Zur Erfüllung dieses gesetzlichen Auftrages wird die Gemeinde ermächtigt privatrechtliche Vereinbarungen abzuschließen, wobei die Einhaltung dieser Verträge auf geeignete Weise sicherzustellen ist. Die Gemeinde ist im Rahmen ihrer Raumordnung zur Wahrung des öffentlichen Interesses auf die Schaffung von leistbarem Wohnen bedacht.

Die Grundeigentümerin erklärt, dass sie mit der Zielsetzung der Gemeinde völlig übereinstimmt und diese unterstützt.

[...]

III. Verpflichtungen und Bedingungen

1. Bei der Wohnanlage muss es sich um eine förderbare Gesamtanlage handeln, welche auf der Grundlage und im Rahmen der Bestimmungen des TWFG 1991/der Wohnbauförderungsrichtlinie idgF errichtet wird. Jede Wohnung muss durch das Land Tirol, Abtlg. Wohnbauförderung, förderbar sein.

2. Die Vertragsparteien vereinbaren, dass das Vergaberecht sämtlicher Wohneinheiten samt Zubehör und den dazugehörigen Tiefgaragenabstellplätzen der Gemeinde obliegt.

3. Die Grundeigentümerin verpflichtet sich für sich und ihre Rechtsnachfolger, es zu unterlassen sämtliche Wohneinheiten samt Zubehör und die dazugehörigen Tiefgaragenabstellplätze an Personen zu veräußern, welche nicht von der Gemeinde bekannt gegeben werden.

4. Die Grundeigentümerin verpflichtet sich für sich und ihre Rechtsnachfolger, alle Wohneinheiten samt Zubehör und die dazugehörigen Tiefgaragenabstellplätze, an Käufer (nachstehend als Käuferseite bezeichnet) zu verkaufen, die von der Gemeinde bekannt gegeben werden sowie nachstehende Kriterien erfüllen:

Anforderungen an die Käuferseite:

a. Die Käuferseite muss volljährig sein.

b. Die Käuferseite muss zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses ihren Hauptwohnsitz durchgehend seit 10 Jahren in L* haben.

Davon kann in Einzelfällen abgesehen werden, wenn [...]

c. Die Käuferseite muss den Hauptwohnsitz in die kaufgegenständliche Wohnung verlegen und die melderechtlichen Vorschriften erfüllen. Es darf kein weiterer Hauptwohnsitz in einem EU‑Staat oder ein Nebenwohnsitz begründet werden.

d. Die Käuferseite muss einen dringenden Bedarf an der Wohnung nachweisen. Es muss sich um einen Ersterwerb handeln, dh es darf kein weiteres Grundvermögen bzw. Wohnungseigentum der Käuferseite vorhanden sein. [...]

e. Die Käuferseite muss die personenbezogenen Förderungskriterien nach den Bestimmungen des TWFG 1991/der Wohnbauförderungsrichtlinie idgF erfüllen.

f. Die Käuferseite muss im abzuschließenden Kaufvertrag der Gemeinde ein Vorkaufsrecht, ausgedehnt auf alle Veräußerungsarten gemäß §§ 1072 ff ABGB, an den erworbenen Miteigentumsanteilen einräumen. Dieses Recht ist gemäß den Bedingungen der Gemeinde, welche in der Beilage ./A angeführt sind einzuräumen und grundbücherlich sicherzustellen. Die Beilage ./A bildet einen Bestandteil dieses Vertrages.

g. Die Käuferseite darf nur einen Kaufpreis bezahlen, welcher die Sätze nach dem TWFG 1991/der Wohnbauförderungsrichtlinie idgF nicht überschreitet.

h. Die Käuferseite muss zum Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung eine Finanzierungszusicherung vorweisen.

Die Grundeigentümerin ist nach Ablauf von 12 Monaten ab Ausstellungsdatum der Benützungsbewilligung berechtigt, an alle Personen die von der Gemeinde bekanntgegeben werden und die die Kriterien gemäß Punkt III. 4.a., c. bis h. dieses Vertrages erfüllen zu verkaufen.

In besonders gelagerten Fällen kann im öffentlichen Interesse, aus rechtlichen, sozialen oder sonstigen wichtigen Gründen von der Gemeinde bei der Käuferseite von einzelnen Kriterien abgegangen werden und verpflichtet sich die Grundeigentümerin mit der bekannt gegebenen Käuferseite einen Vertrag abzuschließen.

5. Die Grundeigentümerin verpflichtet sich die Kaufpreise gemäß den Sätzen nach der Wohnbauförderungsrichtlinie idgF für die Wohneinheiten samt Zubehör und Tiefgaragenabstellplätze festzusetzen und diese der Gemeinde nach Aufforderung bekannt zu geben.

IV. Sicherstellung der vertraglichen Pflichten

1. Vorkaufsrecht

[…]

2. Vertragsstrafe

[…]

VI. Allgemeine Bestimmungen

[...]

3. Eine anfängliche oder nachträgliche Unwirksamkeit einer oder mehrere Bestimmungen dieses Vertrages lässt die Rechtswirksamkeit des Vertrages im Übrigen unberührt. Gleiches gilt im Falle des Auftretens einer oder mehrerer Vertragslücken. Bei Auftreten eines dieser Fälle wird im Wege ergänzender Vertragsauslegung jede unwirksame oder lückenhafte Bestimmung durch eine neue Regelung ersetzt, die dem wirtschaftlichem Zweck der unwirksamen oder lückenhaften Bestimmung(en) unter angemessener Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragsparteien möglichst nahe kommt.

[...]“

[8] Das von der Klägerin beabsichtigte und verwirklichte Bauprojekt hat eine Baumassendichte von mehr als dem Doppelten der durchschnittlichen Baumassendichte in der näheren Umgebung des Grundstücks. Da es sich dabei um einen massiven Geschoßwohnungsbau handelt, war Voraussetzung für die positive raumplanerische Beurteilung, dass es sich bei der Wohnanlage um wohnbaugeförderte Wohneinheiten handelte, weil das Bauprojekt im Siedlungsgebiet ansonsten nicht gerechtfertigt gewesen wäre.

[9] In einer Gemeinderatssitzung im Juli 2021 beschloss der Gemeinderat die (in der Folge aufsichtsbehördlich genehmigte) Änderung des Flächenwidmungsplans des Grundstücks von Freiland in gemischtes Wohngebiet „gemäß § 38 Abs 2 TROG mit eingeschränkter Baulandeignung nach § 37 Abs 3, 4 und 5 TROG 2016 und zeitlicher Befristung (Beilage ./7)“.

[10] Hätte die Klägerin den Raumordnungsvertrag nicht unterzeichnet, wäre es zu keiner Umwidmung des Grundstücks in Bauland (Wohngebiet) gekommen. Nicht festgestellt werden kann, ob eine Umwidmung des Grundstücks erfolgt wäre, wenn die Klägerin eine Wohnanlage mit einer geringeren Baumassendichte errichtet hätte.

[11] Wenn die Klägerin die errichteten Wohneinheiten und Tiefgaragenabstellplätze freihändig veräußern könnte, würde sie höhere Verkaufspreise erzielen als mit der durch den Raumordnungsvertrag auferlegten Verpflichtung, die Wohnungen nach den wohnbauförderungsrechtlichen Kriterien veräußern zu müssen.

[12] Die Klägerin begehrt die Nichtigerklärung des Raumordnungsvertrags, die Löschung der aufgrund des Raumordnungsvertrags zugunsten der Beklagten (noch) einverleibten Vorkaufsrechte sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle eintretenden Vermögensschäden, weil sie bis zur urteilsmäßigen Feststellung der Nichtigkeit des Raumordnungsvertrags in der Verfügung über die Wohneinheiten und Kfz‑Abstellplätze der auf ihrer Liegenschaft errichteten Wohnanlage samt Tiefgarage beschränkt sei.

[13] Der Raumordnungsvertrag sei gänzlich unwirksam. Die der Klägerin von der Beklagten damit auferlegten Verpflichtungen und Verfügungsbeschränkungen würden die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit entsprechender Maßnahmen der Beklagten als Träger von Privatrechten nicht erfüllen. Insbesondere die Vorgabe, wonach es sich bei der geplanten Wohnanlage um eine „förderbare Gesamtanlage“ handeln müsse, finde im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung gemäß § 33 TROG 2016 keine Deckung. Die Beklagte wäre nur dazu ermächtigt gewesen, ihr die bestimmungsgemäße Verwendung des Grundstücks innerhalb einer angemessenen Frist aufzuerlegen, nicht aber sie als Bauträgerin beim gewerblichen Verkauf der selbständigen Einheiten der Wohnanlage sowohl bezüglich der „Anforderungen an die Käuferseite“ als auch der (höchst‑)zulässigen Kaufpreise irgendwelchen Beschränkungen zu unterwerfen. Ebenso finde das umfassende Vergaberecht keine gesetzliche Deckung. Auch Vorkaufsrechte und Vertragsstrafen dürften nach § 33 Abs 4 TROG 2016 nur zur Sicherstellung der Einhaltung von zulässigen Verträgen vereinbart werden. Beim umfassenden Anfechtungsverzicht, dem sich die Klägerin nach dem von der Beklagten vorgegebenen Vertragsformblatt unterwerfen habe müssen, handle es sich um eine gemäß §§ 864a, 879 ABGB unzulässige und damit unwirksame Nebenbestimmung. Auch die ihr auferlegte Verpflichtung zur Übernahme der Kosten für die grundbücherliche Durchführung des Raumordnungsvertrags sei gesetzlich nicht vorgesehen und daher unzulässig. Die Beklagte hätte ihr hoheitliches Handeln im öffentlichen Interesse nicht davon abhängig machen dürfen, dass alle selbständigen Wohneinheiten nur unter Einhaltung der objekt- und subjektbezogenen Voraussetzungen der Tiroler Wohnbauförderung und nur mit Zustimmung der Beklagten an Erwerbsinteressenten veräußert werden dürften. Hierzu werde auf § 31a TROG 2016 verwiesen. Da die Bereitstellung von Klein‑ und Mittelwohnungen unter den Kompetenztatbestand „Volkswohnungswesen“ gemäß Art 11 Abs 1 Z 3 B‑VG falle, sohin dem Bundesgesetzgeber obliege, komme dem Land keine Kompetenz zur Erlassung sonderzivilrechtlicher Preisbestimmungen zu. Der Beklagten falle im Zusammenhang mit der der Klägerin auferlegten Vorgabe, als Voraussetzung für die Baulandwidmung und die Erlassung des zur Errichtung einer Wohnanlage notwendigen Bebauungs-plans den Raumordnungsvertrag abzuschließen, ein grober Missbrauch der Monopolstellung zur Last. Die Klägerin habe sich bei Abschluss des Vertrags insofern in einer Zwangslage befunden, als sie keinen durchsetzbaren Anspruch auf Baulandwidmung und Erlassung des Bebauungsplans gehabt habe. Der Raumordnungsvertrag sei daher nicht nur wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot, sondern auch wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig, und sei sogar der Sondertatbestand des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB verwirklicht. Zudem handle es sich beim Verlangen der Beklagten nach Abschluss des Raumordnungsvertrags um eine gemäß § 1295 Abs 2 ABGB missbräuchliche Rechtsausübung, weil zwischen den von der Beklagten ohne gesetzliche Deckung verfolgten öffentlichen Interessen und ihren durch die vertragsgemäßen Beschränkungen beeinträchtigten privaten Interessen ein ganz krasses Missverhältnis bestehe.

[14] Da der Vertrag an absoluter (ursprünglicher) Nichtigkeit leide, mangle es der bücherlichen Eintragung des Vorkaufsrechts an einem gültigen Rechtsgrund. Insoweit seien die Voraussetzungen einer Löschungsklage gemäß § 61 Abs 1 GBG gegeben.

[15] Das gesetzwidrige Verlangen der Beklagten auf Abschluss eines Raumordnungsvertrags als Voraussetzung für die Änderung eines Flächenwidmungsplans und die Erlassung eines Bebauungsplans stelle ein schuldhaft rechtswidriges Verhalten dar. Die Beklagte sei daher zum Ersatz des Schadens verpflichtet, welcher der Klägerin entstehe, weil sie aufgrund des Raumordnungsvertrags die Wohnungen und Kfz‑Abstellplätze ihres Neubauprojekts nicht freifinanziert veräußern könne, ohne dass die Gefahr einer Doppelveräußerung bestehe.

[16] Die Beklagte bestritt. Bei der Forderung auf Abschluss eines Raumordnungsvertrags habe es sich um kein unrechtmäßiges Verlangen gehandelt. Es liege weder ein Vertrag vor, der gegen das Gebot hoheitlichen Handelns verstoße, noch sei die Privatwirtschaftsverwaltung gewählt worden, um einer öffentlich‑rechtlichen Bindung zu entgehen. Der Vertrag diene der Erreichung der Ziele der örtlichen Raumordnung, insbesondere der Schaffung von leistbarem Wohnraum für die heimische Bevölkerung und sei gemäß den Vorgaben des örtlichen Raumordnungskonzepts sowie unter Einhaltung der Bestimmungen des § 33 TROG 2016 abgeschlossen worden. Insgesamt erweise sich der Raumordnungsvertrag als gesetzes‑ und verfassungskonform und verstoße auch nicht gegen die guten Sitten. Vielmehr verstoße die Klägerin gegen das Verbot des „venire contra factum proprium“. Die auch im Zuge der Vertragsverhandlungen anwaltlich vertretene Klägerin handle rechtsmissbräuchlich, wenn sie in voller Kenntnis der (wirtschaftlichen) Auswirkungen des Raumordnungsvertrags als Unternehmerin diesen abschließe, um eine Umwidmung und Bebauung ihrer Liegenschaft erst zu ermöglichen, um dann nach Abschluss des Vertrags und Fertigstellung des Bauprojekts zu behaupten, dass sie sich bei Abschluss des Vertrags in einer „Zwangslage“ befunden habe.

[17] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es liege keine Nichtigkeit des Raumordnungsvertrags vor.

[18] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels einer Rechtsfrage von erhebliche Bedeutung nicht zulässig sei.

[19] Gesetzliche Grundlage für den Raumordnungsvertrag sei § 33 Abs 3 TROG 2016, wonach Raumordnungsverträge die Verpflichtung des Grundeigentümers vorsehen könnten, die jeweiligen Grundflächen einer bestimmten Verwendung zuzuführen. Unter den Begriff der „bestimmten Verwendung“ könnten alle zulässigen Raumordnungsziele subsumiert werden. Dazu gehörten die Ausweisung ausreichender Flächen zur Befriedigung des dauernden Wohnbedarfs der Bevölkerung zu leistbaren Bedingungen (§ 27 Abs 2 lit b TROG 2016) sowie die Vorsorge für die bestimmungsgemäße Verwendung des Baulandes und der bestehenden Bausubstanz insbesondere zur Deckung des Grundbedarfs an Wohnraum und an Flächen für Zwecke der Wirtschaft zu angemessenen Preisen (§ 27 Abs 2 lit d TROG 2016).

[20] Das Ziel der örtlichen Raumordnung, wonach die Gemeinde Vorsorge zur Deckung des Grundbedarfs an Wohnraum zu angemessenen Preisen zu treffen habe, könne durch rein hoheitliche Planungsmaßnahmen nicht erreicht werden. Somit sei es im gegenständlichen Fall zulässig gewesen, dem Raumordnungsziel des „leistbaren Wohnens“ durch die Verwendung der gegenständlichen Wohnanlage als „förderbare Gesamtanlage“, welche im Rahmen der Bestimmungen des TWFG 1991 und der Wohnbauförderungsrichtlinie errichtet werde, Rechnung zu tragen. Dieses Modell vereine Elemente des Verwendungs‑ und des (ebenfalls in § 33 Abs 3 TROG 2016 normierten) Überlassungsvertrags. Damit würden die Verkaufspreise auf einem leistbaren Niveau (für die einheimische Bevölkerung) gehalten. Es handle sich dabei um keine Preisgestaltung im zivilrechtlichen Sinn. Vielmehr gehe es darum, durch Schaffung geförderten Wohnraums leistbares Wohnen sicherzustellen.

[21] Ein Raumordnungsvertrag sei nur zulässig, wenn die raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Widmung/Bebauungsplanung vorlägen. In vielen Fällen sei eine Umwidmung aber nicht eindeutig geboten und liege im Planungsermessen der Gemeinde. Sei eine Umwidmung ebenso wie das Beibehalten einer bestehenden Widmung zu rechtfertigen, sei ein genereller Kontrahierungszwang nicht anzunehmen.

[22] Ob Überlassungs‑ und Verwendungsvereinbarungen mit dem Eigentumsgrundrecht vereinbar seien, hänge von der Relation der eingesetzten Mittel zum angestrebten Ziel ab. Es sei stets nach einem beweglichen System eine Güter- und Interessenabwägung zwischen den öffentlichen Interessen einerseits und der Intensität des Grundrechtseingriffs andererseits vorzunehmen. Die Bereitstellung preisgünstiger(er) Wohnungen liege unzweifelhaft im öffentlichen Interesse, das der Gemeindebevölkerung zugute komme. Zu bedenken sei insbesondere auch, dass die Baumassendichte für das von der Klägerin verwirklichte Bauprojekt mehr als dem Doppelten der durchschnittlichen Baumassendichte in der näheren Umgebung entspreche. Dies habe es der Klägerin ermöglicht, doppelt so viele Wohnungen zu errichten, die einem Verkauf zugeführt werden könnten. Damit seien auch ihre wirtschaftlichen Interessen (ausreichend) berücksichtigt worden und sei daher die Verwendung der Wohnanlage als geförderte Gesamtanlage jedenfalls verhältnismäßig.

[23] Der Umstand, dass sämtliche Einheiten der Wohnanlage (samt Tiefgaragenabstellplätze) zu den Bedingungen nach dem TWFG 1991 und der Wohnbauförderungsrichtlinie zu veräußern seien, stelle auch keine Umgehung des § 31 TROG 2016 dar. Diese Bestimmung sei keine Regelung für Raumordnungsverträge und beziehe sich ausschließlich auf (bereits bestehendes und damit schützenswerteres) Bauland.

[24] Die im Raumordnungsvertrag enthaltenen Hauptbestimmungen seien daher gesetzlich gedeckt, sodass keine Nichtigkeit vorliege. Dasselbe gelte für die Nebenbestimmungen:

[25] § 33 Abs 4 TROG 2016 sehe ausdrücklich vor, dass die Einhaltung der Verträge nach Absatz 2 durch Vorschlags‑ und Zustimmungsrechte sichergestellt werden könne. In diesem Sinn seien das zugunsten der Beklagten eingeräumte Vergaberecht sowie die in den Punkten III.3. und III.4. vorgesehenen Verpflichtungen der Klägerin gesetzlich gedeckt, um (eben) das Ziel des geförderten Wohnbaus sicherzustellen. Diese Regelung sei auch nicht derart weitreichend, dass sie der Freiheit des Liegenschaftsverkehrs entgegenstehe. Auch die zugunsten der Beklagten erfolgte Einräumung eines Vorkaufsrechts sowie die Vereinbarung einer Vertragsstrafe würden ihre Deckung in § 33 Abs 4 TROG 2016 finden.

[26] Ein Missbrauch der hoheitlichen Machtstellung – und damit eine Sittenwidrigkeit iSd § 879 ABGB – liege nicht vor. Die Klägerin habe gewusst, dass sie ein als Freiland gewidmetes Grundstück gekauft habe. Ohne Abschluss des Raumordnungsvertrags wäre die ursprüngliche Flächenwidmung beibehalten worden, womit für sie (in Vergleich zum Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks) kein Nachteil entstanden wäre. Durch die – im Planungsermessen der Beklagten liegende – Umwidmung des Grundstücks in Bauland habe eine Bebauung (überhaupt) erst verwirklicht werden können, womit das Grundstück erheblich an Wert gewonnen habe.

[27] Für die Klägerin habe auch keine Zwangslage iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB bestanden, habe sie doch bewusst ein als Freiland gewidmetes Grundstück gekauft.

[28] Der Anfechtungsverzicht im Vertrag sei zwar unwirksam, führe aber nicht zur Gesamtnichtigkeit des Raumordnungsvertrags (salvatorische Klausel in Punkt VI.3.).

[29] Mit Kosten, die mit der Umwidmung in direktem Zusammenhang stünden, sei die Klägerin nicht belastet worden. Sie habe sich bloß zur Übernahme der mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung des Vertrags verbundenen Kosten und Barauslagen verpflichtet. Dafür bedürfe es aber keiner gesetzlichen Grundlage.

[30] Mit ihrer außerordentlichen Revision strebt die Klägerin die Stattgebung der Klage an; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[31] Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[32] Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof bisher nur im Ansatz mit den hier aufgeworfenen Rechtsfragen von Raumordnungsverträgen befasst hat. Sie ist aber nicht berechtigt.

1. Grundsätzliches zu Raumordnungsverträgen

[33] 1.1. Unter Raumordnungsverträgen werden zivilrechtliche Verträge verstanden, die zwischen der öffentlichen Hand und Privaten im Zusammenhang mit der Änderung von Flächenwidmungs‑ und/oder Bebauungsplänen abgeschlossen werden (Sedef, Der zivilrechtliche Vertrag als Planungsinstrument, juridicum 2023, 93 mwN). Aufgrund der Kombination von der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mit zivilrechtlichen Mitteln stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit solcher Verträge sowohl in verfassungsrechtlicher als auch zivilrechtlicher Hinsicht.

[34] 1.2. Der Verfassungsgerichtshof sprach mit Erkenntnis vom 13. 10. 1999 (G 77/99 [V 29/99] VfSlg 15.625) zu einer Bestimmung des Salzburger Raumordnungsrechts aus, dass eine zwingende (gesetzliche) Verknüpfung zwischen hoheitlichen Maßnahmen in Verordnungsform (nämlich der Widmung von Grünflächen als Bauland oder Grünland) und privatrechtlichen Verträgen der Gemeinde („obligatorische Vertragsraumordnung“) verfassungswidrig sei (sogenanntes Koppelungsverbot).

[35] Verpönt ist jedoch nur eine zwingende Verknüpfung von der Art, dass das Vorliegen eines Vertrags die einzige Voraussetzung für die Baulandwidmung bildet (Kleewein, Infrastrukturverträge im Bau‑ und Raumordnungsrecht, bbl 2017, 117 [118]). Als zulässig wird demgegenüber angesehen, dass der Gesetzgeber das Zustandekommen einer vertraglichen Vereinbarung zu einer Voraussetzung einer bestimmten raumplanerischen Widmungsentscheidung macht, wenn diese nur eine Voraussetzung für eine hoheitliche Planungsentscheidung ist und diese hoheitliche Entscheidung davon abgesehen gesetzlich in einer Weise ausgestaltet ist, die das Planungsermessen der Gemeinde sachgerecht, das heißt durch tragfähige fachliche Gesichtspunkte, determiniert (Berka/Kletečka, Rechtsfragen der Vertragsraumordnung, ÖROK 2014, 91 ff; vgl aber Sedef, Der zivilrechtliche Vertrag als Planungsinstrument, juridicum 2023, 93 [97]).

[36] In diesem Sinn ging der Verfassungsgerichtshof später in mehreren Erkenntnissen (ua V 40/01 VfSlg 16.199; V 4/2017 VfSlg 20.182; E 1055/2015 VfSlg 20.009) davon aus, dass Verträge, die der Umsetzung von öffentlichen Interessen der Raumordnung dienen, sehr wohl eine Grundlage für die Erlassung oder Änderung von Planverordnungen sein können („fakultative Vertragsraumordnung“; Kleewein, Grundlagen der Vertragsraumordnung, bbl 2022, 227 [228] mwN). Auch der Oberste Gerichtshof sah keine Veranlassung, eine Bestimmung anzufechten, wonach ein Vertrag Grundlage für die Erlassung oder Änderung von Raumordnungsplänen sein konnte, ohne aber zwingende Voraussetzung dafür zu sein (3 Ob 241/15k).

[37] 1.3. Mit dem BVG BGBl I 2024/89 wurde in Art 15 B‑VG folgender Absatz eingefügt:

(5) In den Angelegenheiten der örtlichen Raumplanung (Art. 118 Abs. 3 Z 9) sind die Länder im Bereich ihrer Gesetzgebung befugt, zur Verfolgung öffentlicher Interessen das Zustandekommen eines zivilrechtlichen Vertrages als eine Voraussetzung für hoheitliches Handeln vorzusehen.

[38] Mit dieser Bestimmung erhielten landesgesetzliche Regelungen zum Abschluss von Raumordnungsverträgen eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Grundlage. Ob solche Regelungen (und damit auch Raumordnungsverträge) dadurch in weiterem Umfang als nach bisheriger Rechtslage zulässig wurden, kann offen bleiben, weil an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der hier einschlägigen Bestimmungen im TROG 2016, die nur eine fakultative Vertragsraumordnung vorsehen, ohnehin kein Zweifel besteht.

[39] 1.4. Bei Abschluss des hier strittigen Vertrags war verfassungsrechtliche Grundlage allein Art 116 Abs 2 B‑VG, der die Gemeinde mit Privatrechtsfähigkeit ausstattet. Maßnahmen im Wege der Vertragsraumordnung zählten (und zählen) zur Privatwirtschaftsverwaltung und fallen damit aus dem Bereich der örtlichen Raumplanung iSd Art 118 Abs 3 Z 9 B‑VG heraus, weil sich diese explizit auf die Besorgung von „behördlichen“ Aufgaben beschränkt (Hofmann in Pabel, Gemeinderecht 19. Teil Rz 142 [Stand 1. 9. 2022, rdb.at]). Eine allgemeine Schranke für privatwirtschaftliche Tätigkeiten ergibt sich allerdings – auch im vorliegenden Zusammenhang – aus der Fiskalgeltung der Grundrechte (Giese in Kahl/Khakzadeh/Schmid, Kommentar zum Bundesverfassungsrecht B‑VG und Grundrechte Art 116 B‑VG Rz 13 [Stand 1. 1. 2021, rdb.at]).

[40] 1.5. Da Raumordnungsverträge durch die Verknüpfung mit Hoheitsakten (zugunsten öffentlicher Interessen) in die Grundrechte der Liegenschaftseigentümer eingreifen (können), bedürfen sie nach der Lehre im öffentlichen Recht einer gesetzlichen Ermächtigung, mit der die Möglichkeiten vertraglicher Baulandmobilisierung inhaltlich determiniert werden (Hofmann in Pabel, Gemeinderecht 19. Teil Rz 142 [Stand 1. 9. 2022, rdb.at]; Kleewein, Infrastrukturverträge im Bau‑ und Raumordnungsrecht, bbl 2017, 117 [122]). Mittlerweile ermächtigen alle Raumordnungs‑ und Raumplanungsgesetze einschließlich der Wiener BauO die Gemeinden, mit Grundeigentümern solche Verträge abzuschließen (Kleewein, Grundlagen der Vertragsraumordnung, bbl 2022, 227 [227]; Hofmann in Pabel, Gemeinderecht 19. Teil Rz 142 [Stand 1. 9. 2022, rdb.at]); dies gilt insbesondere für den hier anwendbaren § 33 TROG 2016.

[41] 1.6. Die Möglichkeit zur privatautonomen Gestaltung hat aber Grenzen:

[42] 1.6.1. Zunächst ist zu beachten, dass keine generelle Wahlfreiheit zwischen öffentlich‑rechtlichen und privatrechtlichen Handlungsformen besteht, jedenfalls dort nicht, wo der Gesetzgeber zu erkennen gibt, dass die hoheitliche Gestaltung zwingend ist (RS0038475). Wenn die Privatwirtschaftsverwaltung gewählt wird, um der materiell gegebenen öffentlich‑rechtlichen Bindung zu entgehen, so liegt Missbrauch der Form und daher ein essentieller Verstoß gegen die Grundsätze des Rechtsstaates vor, der gemäß § 879 Abs 1 ABGB zur Nichtigkeit der privatrechtlich getroffenen Vereinbarungen führt (RS0034713). So hat der Oberste Gerichtshof zu 10 Ob 519/94 ausgesprochen, dass durch Hoheitsakt vorzuschreibende und einzubringende Abgaben [dort nach dem NÖ Kanalgesetz und dem NÖ Abgabengesetz] keinesfalls zum Gegenstand privatrechtlicher Vereinbarungen [dort Verzichtsvertrag] gemacht werden können. Dies entspricht auch dem Regelungskonzept des neuen Art 15 Abs 5 B‑VG, wonach zivilrechtliche Verträge (nur) zur Voraussetzung für hoheitliches Handeln gemacht werden können; sie können es also nicht ersetzen.

[43] 1.6.2. Weitere Grenzen der Vertragsfreiheit der Gemeinden sind allgemein zivilrechtlicher Natur. Von besonderer Bedeutung ist hier das Sittenwidrigkeitskorrektiv nach § 879 ABGB, das gerade beim Raumordnungsvertrag wegen des Aufeinandertreffens öffentlicher Interessen und grundrechtlich geschützter Rechtspositionen des Einzelnen an der Schnittstelle zur Hoheitsverwaltung von Bedeutung ist. Verträge sind (auch) in diesem Zusammenhang dann sittenwidrig, wenn die Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder bei Interessenkollision ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen ergibt (RS0045886; RS0113653).

2. Zur Frage der Gesamt‑ oder Teilnichtigkeit

[44] 2.1. Die Klägerin begehrt die Feststellung der Nichtigkeit des gesamten Vertrags. Sie leitet das einerseits aus Gründen ab, die die Zulässigkeit des Vertrags als Ganzes betreffen, andererseits stützt sie sich auf Gründe, die sich gegen einzelne Bestimmungen dieses Vertrags richten. Bevor näher auf den konkreten Vertrag eingegangen wird, ist daher allgemein die Frage zu beantworten, ob die (allfällige) Unzulässigkeit einzelner Bestimmungen zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags führen müsste.

[45] 2.2. Nach allgemeinen Regeln kommt es in solchen Fällen primär auf den Zweck des Verbots an, ob der gesamte Vertrag nichtig oder die Restgültigkeit des übrigen Vertrags anzunehmen ist (RS0016431; RS0016417). Auf den hypothetischen Parteiwillen ist (nur) dann abzustellen, wenn der Verbotszweck weder für noch gegen die Restgültigkeit bzw gänzliche Unwirksamkeit des Vertrags spricht, sich also diesbezüglich „neutral“ verhält (RS0016417 [T9]; Graf in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 879 Rz 231 [Stand 1. 8. 2019, rdb.at]). Im Zweifel ist der Restgültigkeit der Vorzug zu geben; die Nichtigkeit von Nebenabreden hat dann nicht die Ungültigkeit des Gesamtvertrags zur Folge, wenn der Vertrag auch ohne diese Nebenabreden bestehen könnte (RS0016431 [T6]; vgl RS0016420). Nach diesen Grundsätzen ist auch die (Teil‑)Nichtigkeit von Raumordnungsverträgen zu beurteilen (vgl Trapichler, Befristete Baulandwidmung und Vertragsraumordnung als Instrumente der Raumordnung nach der wr BauO‑Novelle 2014 – Teil 2, bbl 2015, 47 [49]).

[46] 2.3. Das Berufungsgericht hat auf dieser Grundlage zutreffend ausgeführt, dass zwar der im Raumordnungsvertrag enthaltene Anfechtungsverzicht wegen Irrtums, List, Zwang oder ähnlicher Rechtsinstitute (Punkt VI.2. des Vertrags) unwirksam ist (vgl RS0014791). Ebenso zutreffend hat das Berufungsgericht aber ausgeführt, dass daraus noch nicht die Gesamtnichtigkeit des Vertrags folgt. Dafür ist ausschlaggebend, dass der Normzweck keine Gesamtnichtigkeit erfordert und der Vertrag ohne diese Klausel bestehen kann („Normzweckprüfung“; vgl Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 878 Rz 16 [Stand 1. 11. 2014, rdb.at]). Gleiches gilt, wie noch zu zeigen sein wird, für eine andere (allenfalls) bedenkliche Bestimmung im strittigen Vertrag (Vergaberecht der Beklagten, unten Punkt 5.3.3.).

[47] 2.4. Sind (nur) einzelne Bestimmungen des Vertrags unzulässig, könnte erwogen werden, dem Klagebegehren in Form eines Minderzuspruchs nur in Bezug auf diese Bestimmungen stattzugeben. Dem stünde hier aber das Vorbringen der Klägerin entgegen:

[48] 2.4.1. Da § 405 ZPO auf dem Dispositionsgrundsatz beruht, kommt ein (objektiver) Minderzuspruch dann nicht in Betracht, wenn die Klägerin erklärt, dass sie nur an einer Gesamtstattgebung Interesse hat. Denn in diesem Fall läge nach der letztlich maßgebenden Sicht der Partei kein Minus, sondern ein Aliud zum Gewollten vor (4 Ob 93/13z [ErwGr 2.2.b]; 4 Ob 15/22t [Rz 14]). Ob dies der Fall ist, hängt von der Auslegung des Prozessvorbringens im Anlassfall ab (vgl RS0042828 [T16]; vgl auch RS0054786). Dieser Grundsatz gilt auch für die Frage, ob bei einer bestimmten Formulierung eines Feststellungsbegehrens eine bloße Teilstattgebung zulässig ist (vgl 4 Ob 15/22t [Rz 14]).

[49] 2.4.2. Auf dieser Grundlage scheidet hier eine Teilstattgebung nur in Ansehung einzelner Klauseln aus: Die Klägerin hat stets vorgebracht, dass der Vertrag gänzlich unwirksam sei und nimmt auch in ihrer Revision diesen Standpunkt ein („Gesamtnichtigkeit des angefochtenen Raumordnungsvertrags“), nachdem bereits das Berufungsgericht auf die Folgen einer Teilnichtigkeit hingewiesen hat. Die Feststellung der Nichtigkeit einzelner (ausgewählter) Klauseln oder Vertragsbestimmungen begehrt die Klägerin nicht einmal hilfsweise. Ein Interesse an einer Teilstattgebung ist im Einzelnen (etwa in Ansehung des Punkt VI.2. des Vertrags) auch nicht erkennbar.

3. Zur gesetzlichen Grundlage für den hier zu beurteilenden Vertrag

[50] 3.1. Die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Raumordnungsvertrags in Kraft stehenden maßgeblichen (vgl 7 Ob 125/16g) Bestimmungen des TROG 2016 lauteten auszugsweise wie folgt (Hervorhebungen durch den Senat):

§ 27 [...]

(2) Ziele der örtlichen Raumordnung sind insbesondere: [...]

b) die Ausweisung ausreichender Flächen zur Befriedigung des dauernden Wohnbedarfes der Bevölkerung zu leistbaren Bedingungen und für die Erhaltung und Weiterentwicklung der Wirtschaft entsprechend dem bei einer zweckmäßigen und Boden sparenden Bebauung im jeweiligen Planungszeitraum (§ 31a) gegebenen Bedarf, [...]

d) die Vorsorge für die bestimmungsgemäße Verwendung des Baulandes und der bestehenden Bausubstanz insbesondere zur Deckung des Grundbedarfes an Wohnraum und an Flächen für Zwecke der Wirtschaft zu angemessenen Preisen, insbesondere durch Maßnahmen nach § 33, […]

§ 31a

(1) Im örtlichen Raumordnungskonzept sind das Mindestausmaß jener Grundflächen, die im Flächenwidmungsplan als Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau (§ 52a) auszuweisen sind, sowie die Grundflächen festzulegen, die für eine entsprechende Widmung in Betracht kommen, sofern der Grundbedarf an Wohnraum zur Befriedigung des dauernden Wohnbedarfes der Bevölkerung zu leistbaren Bedingungen im Sinn der Ziele der örtlichen Raumordnung nach § 27 Abs 2 lit b und d im Planungszeitraum anderweitig nicht gedeckt werden kann, weil unter Berücksichtigung auch der bestehenden Bausubstanz

a) das Ausmaß der bereits als Bauland oder Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau gewidmeten und noch unbebauten Grundflächen hierzu nicht ausreicht oder

b) bereits als Bauland oder Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau gewidmete, noch unbebaute Grundflächen zwar in einem ausreichenden Ausmaß vorhanden sind, diese jedoch insbesondere auch durch Maßnahmen der Gemeinden als Träger von Privatrechten (§ 33) nicht in dem hierzu erforderlichen Ausmaß einer Verwendung für Zwecke des geförderten Wohnbaus zugeführt werden können. [...]

(2) Als Grundflächen, die als Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau in Betracht kommen, sind vorrangig Grundflächen im Bereich des Baulandes heranzuziehen. Soweit im Bereich des Baulandes solche Grundflächen nicht zur Verfügung stehen, dürfen auch Grundflächen, die im örtlichen Raumordnungskonzept als bauliche Entwicklungsbereiche für Zwecke der Deckung des Wohnbedarfes festgelegt sind, herangezogen werden. […]

(4) Grundflächen, die im Eigentum ein und derselben Person oder ein und desselben Rechtsträgers stehen und deren Ausmaß insgesamt 2.000 m² nicht übersteigt, dürfen als Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau nicht herangezogen werden. Weiters dürfen nur höchstens 50 v. H. der im Eigentum ein und derselben Person oder ein und desselben Rechtsträgers stehenden Grundflächen herangezogen werden, wobei Grundflächen im Ausmaß von mindestens 1.500 m² unberührt bleiben müssen. Maßgebend sind die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Beschlussfassung im Gemeinderat über die betreffende Festlegung im örtlichen Raumordnungskonzept (Abs 1). Diese Beschränkungen gelten nicht, wenn der Eigentümer der betreffenden Grundflächen einer Widmung als Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau in einem größeren Ausmaß ausdrücklich zustimmt.

§ 33

(1) Die Gemeinden haben als Träger von Privatrechten die Verwirklichung der Ziele der örtlichen Raumordnung und der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes, insbesondere die Sicherung ausreichender Grundflächen für den Wohnbau und für gewerbliche und industrielle Zwecke, anzustreben. Insbesondere dürfen Investitionen und Förderungsmaßnahmen der Gemeinden nur im Einklang mit den Zielen der örtlichen Raumordnung und dem örtlichen Raumordnungskonzept erfolgen.

(2) Die Gemeinde kann zum Zweck der Verwirklichung der Ziele der örtlichen Raumordnung, insbesondere jenes nach § 27 Abs 2 lit d, und gegebenenfalls auch der Festlegungen übergeordneter Planungsinstrumente Verträge mit Grundeigentümern abschließen. Die Gemeinde hat beim Abschluss von Verträgen sämtliche Grundeigentümer, soweit diese sich in einer vergleichbaren räumlichen Lage befinden, gleich zu behandeln.

(3) Verträge nach Abs 2 können die Verpflichtung des Grundeigentümers vorsehen, die jeweiligen Grundflächen innerhalb einer angemessenen Frist einer bestimmten Verwendung zuzuführen, insbesondere zu bebauen. Weiters kann die Verpflichtung vorgesehen werden, Grundflächen der Gemeinde oder dem Tiroler Bodenfonds (§ 98) für bestimmte Zwecke, insbesondere für den geförderten Wohnbau, für die verkehrsmäßige Erschließung des Baulandes oder für die Schaffung von infrastrukturellen Einrichtungen, oder als gemeinnützig anerkannten Bauvereinigungen ausschließlich für Zwecke des geförderten Wohnbaus zu überlassen. Die Überlassung der Grundflächen hat zum Verkehrswert zu erfolgen. Bei Grundflächen, die dem geförderten Wohnbau dienen sollen, ist auch auf § 14 Abs 1 und 2 des Tiroler Wohnbauförderungsgesetzes 1991, LGBl. Nr. 55, in der jeweils geltenden Fassung Bedacht zu nehmen. In solchen Verträgen ist weiters vorzusehen, dass die Weiterveräußerung durch die Gemeinde, den Tiroler Bodenfonds bzw die als gemeinnützig anerkannte Bauvereinigung jedenfalls innerhalb von zehn Jahren höchstens zu jenem Preis erfolgen darf, der dem seinerzeitigen Grundpreis zuzüglich einer allfälligen indexmäßigen Aufwertung und allfälliger Aufwendungen, insbesondere für die Erschließung, entspricht. Dies ist auch für den Fall weiterer Erwerbsvorgänge während dieses Zeitraumes sicherzustellen.

(4) Die Einhaltung der Verträge nach Abs 2 ist auf geeignete Weise sicherzustellen. Zu diesem Zweck können, soweit dies zivilrechtlich zulässig ist, insbesondere Vorschlags- und Zustimmungsrechte, Vorkaufsrechte und Optionen einschließlich der dinglichen Absicherung dieser Rechte sowie Vertragsstrafen vereinbart werden. Vorkaufsrechte und Optionen dürfen nur zu Gunsten der Gemeinde und des Tiroler Bodenfonds für bestimmte Zwecke, insbesondere für den geförderten Wohnbau, und weiters zu Gunsten von als gemeinnützig anerkannten Bauvereinigungen ausschließlich für Zwecke des geförderten Wohnbaus vereinbart werden. [...]

[51] Das Tiroler Wohnbauförderungsgesetz 1991 (TWFG) lautet auszugsweise wie folgt:

§ 6. [...]

(2) Bei Wohnhäusern, die nicht von natürlichen Personen errichtet werden, kann die Gewährung einer Förderung davon abhängig gemacht werden, dass der Förderungswerber einer Gebietskörperschaft das auf eine bestimmte Zeit befristete Recht zur Vergabe der Wohnungen einräumt, wenn Leistungen im Sinne des § 14 Abs 2 erbracht werden. Bei Wohnungen, die von natürlichen Personen errichtet werden und nicht zur Befriedigung des regelmäßigen Wohnbedürfnisses des Förderungswerbers oder diesem nahestehender Personen bestimmt sind, kann die Gewährung einer Förderung davon abhängig gemacht werden, dass der Förderungswerber einer Gebietskörperschaft ein Vorschlagsrecht für die Vergabe der Wohnungen einräumt. [...]

§ 14. (1) Die Gewährung einer Förderung für Wohnhäuser mit Eigentums‑ oder Mietwohnungen kann davon abhängig gemacht werden, dass die Gemeinde bestimmte Leistungen der im Abs 2 genannten Arten erbringt und dass der Förderungswerber der Gemeinde das auf einen angemessenen Zeitraum zu befristende Recht zur Vergabe der Wohnungen einräumt und die Gemeinde die Wohnungen nach objektiven sozialen Kriterien und nur an Personen vergibt, für die die Wohnung finanzierbar ist oder für die die Gemeinde die Ausfallshaftung für die Mietzinse oder für die Rückzahlung der Förderung übernimmt. [...]

[52] 3.2. § 33 Abs 2 TROG 2016 ermächtigt die Gemeinden zum Zweck der Verwirklichung der Ziele der örtlichen Raumordnung, insbesondere (durch ausdrücklichen Verweis auf § 27 Abs 2 lit d TROG 2016) „zur Deckung des Grundbedarfes an Wohnraum ... zu angemessenen Preisen“, Verträge mit Grundeigentümern abzuschließen. Nach § 33 Abs 3 TROG 2016 können Verträge die Verpflichtung des Grundeigentümers vorsehen, die jeweiligen Grundflächen innerhalb einer angemessenen Frist einer bestimmten Verwendung zuzuführen, insbesondere zu bebauen, oder der Gemeinde für bestimmte Zwecke, insbesondere für den geförderten Wohnbau, zu überlassen.

[53] Nach den Erläuterungen zu dieser Bestimmung (RV zu LGBl 93/2016) werden in § 33 Abs 3 TROG 2016 die inhaltlichen Vorgaben für Verträge zwischen der Gemeinde und den Grundeigentümern zusammengefasst. Unter einem wird darauf hingewiesen, dass die in dieser Bestimmung grundgelegten inhaltlichen Determinanten auch die zulässigen Vertragsinhalte abgrenzen würden und eine Überschreitung die Nichtigkeit der Vereinbarungen zur Folge habe.

[54] 3.3. § 33 Abs 3 TROG 2016 erklärt sogenannte Verwendungs‑ und Überlassungsverträge für zulässig.

[55] 3.3.1. Verwendungsverträge (§ 33 Abs 3 Fall 1 TROG 2016) sollen eine widmungskonforme Verwendung von Grundstücken sicherstellen. Durch Überlassungsverträge (§ 33 Abs 3 Fall 2 TROG 2016) soll vor allem der Bedarf an Baugrundstücken zu angemessenen Preisen gedeckt und die Errichtung förderbarer Wohnbauten ermöglicht werden (Kleewein, Grundlagen der Vertragsraumordnung, bbl 2022, 227 [233, 235]).

[56] Nach Kleewein (Grundlagen der Vertragsraumordnung, bbl 2022, 227 [234]) können Verwendungsverträge detaillierter als Flächenwidmungs‑ und Bebauungspläne festlegen, welche Bauten herzustellen und wie sie zu nutzen sind. Etwa könnten Raumordnungsverträge – wie Sedef (Der zivilrechtliche Vertrag als Planungsinstrument, juridicum 2023, 93 [93]) ganz allgemein festhält – Bauträger verpflichten, sozialen Wohnraum zu schaffen. Trapichler (Befristete Baulandwidmung und Vertragsraumordnung als Instrumente der Raumordnung nach der wr BauO‑Novelle 2014 – Teil 2, bbl 2015, 47 [50 f]) gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass der Verwendungsvertrag als ein als Enteignungssurrogat zu wertender Eingriff ins Eigentumsrecht einer im öffentlichen Interesse liegenden Rechtfertigung bedürfe. Die vom Grundeigentümer übernommene Verpflichtung müsse daher geeignet sein und das gelindeste Mittel darstellen, dieses Interesse zu decken oder zu erfüllen. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung sei stets auf den konkreten Einzelfall bezogen anzustellen. Hier gelte es, familiäre, betriebliche, finanzielle und zeitliche Situation sowie strategische Ausrichtung des Grundeigentümers einerseits und das öffentliche Interesse an der Bebauung andererseits gegeneinander abzuwägen, wobei auch die aktuelle Widmungslage (bereits vorhandene Baulandwidmung oder noch Grünlandwidmung) Einfluss auf die Interessenabwägung haben werde.

[57] In diesem Sinne sind auch Berka/Kletečka (Rechtsfragen der Vertragsraumordnung, ÖROK 2014, 10) der Meinung, dass die Gemeinde bei der Neuausweisung von Bauland über einen erheblichen Entscheidungsspielraum verfüge, während umgekehrt ein Rechtsanspruch des Einzelnen nicht bestehe. Auch wenn aus Sicht des Grundstückseigentümers in dieser Lage die Gefahr bestehe, dass ihm drückende und unverhältnismäßige Vertragsbestimmungen aufgedrängt würden, die er nur in Kauf nehme, um die begehrte Widmung zu erlangen, sei seine eigentumsrechtliche Position eine andere als die eines Eigentümers von Bauland. Er könne sich nur auf eine rechtlich noch nicht gesicherte Erwartung stützen, dass seine Fläche künftig als Bauland ausgewiesen werde. Das unterscheide seine Grundrechtsposition deutlich von der eines Eigentümers von bereits gewidmetem Bauland.

[58] 3.3.2. Überlassungsverträge (§ 33 Abs 3 Fall 2 TROG 2016) sind demgegenüber, wie Kleewein (Grundlagen der Vertragsraumordnung, bbl 2022, 227 [236]) ausführt, das privatrechtliche Gegenstück zur hoheitlichen Enteignung. Die Überlassung von Grundstücken an Gemeinden oder bauwillige Dritte müsse daher öffentlichen Interessen der Raumordnung dienen sowie zur Erreichung der angestrebten Entwicklungsziele geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein. Die vertragliche Einigung unterscheide sich von der hoheitlichen Enteignung vor allem dadurch, dass der Private auf sein Eigentumsrecht freiwillig verzichte. Der Verzicht müsse aber ohne Ausübung von Druck erklärt werden und in Hinblick auf die verfolgten öffentlichen Interessen verhältnismäßig sein. Andernfalls könne der Vertrag wegen Ausübung unzulässigen Zwangs (§ 870 ABGB) oder Unverhältnismäßigkeit des Eigentumseingriffs (§ 879 Abs 1 ABGB) gerichtlich angefochten werden.

[59] 3.3.3. Nach Ansicht von Kleewein (Grundlagen der Vertragsraumordnung, bbl 2022, 227 [244]) lassen sich aufgrund der den Gemeinden eingeräumten, vor allem durch Grundrechte eingeschränkten privatautonomen Gestaltungsfreiheit verschiedene Vertragstypen miteinander verknüpfen. Würden verschiedene Vertragstypen miteinander kombiniert, könne das Raumordnungsziel, den Bedarf nach leistbarem Bauland zu decken, leichter erreicht werden als durch hoheitliche Maßnahmen wie Enteignungen oder Bodenpreisregulierungen, die rasch an verfassungsrechtliche Grenzen stoßen würden.

[60] 3.3.4. Dem ist auch für den vorliegenden Fall zu folgen: Dem TROG ist nicht zu entnehmen, dass nur typenreine Verträge geschlossen werden dürften und eine Kombination von Vertragselementen grundsätzlich nicht zulässig wäre.

[61] 4. Auf dieser Grundlage ist die Übernahme der Verpflichtung, auf der betroffenen Liegenschaft eine förderbare Gesamtanlage zu errichten, nicht zu beanstanden.

[62] 4.1. Wenn das Gesetz vorsieht, dass Grundflächen ua der Gemeinde insbesondere für Zwecke des geförderten Wohnbaus überlassen werden können, muss umso mehr die Verwendung der Grundflächen durch den Grundeigentümer selbst (hier den Bauträger) für Zwecke des geförderten Wohnbaus vereinbart werden können. Immerhin stellt die Verpflichtung zu einer bestimmten Verwendung gegenüber der Verpflichtung zur Überlassung der Grundflächen den geringeren Eingriff dar.

[63] 4.2. Zwar steht fest, dass es zu keiner Umwidmung gekommen wäre, hätte die Klägerin den Vertrag nicht unterzeichnet. Daraus ergibt sich aber nur eine konditionale Verknüpfung, nicht aber, dass die Beklagte im konkreten Fall ihren Planungsspielraum überschritten hätte. Dass die Beklagte die Umwidmung ohne Vertragsabschluss verweigert hätte, obwohl diese damals schon geboten gewesen wäre (und nicht bloß als zukünftige Möglichkeit im Raum stand), sodass die Klägerin bei pflichtgemäßen Handeln der Beklagten diese auch ohne Vertragsabschluss hätte bewirken können, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.

[64] 4.3. Auch Sittenwidrigkeit liegt nicht vor.

[65] 4.3.1. Die Gemeinde verfolgte mit dem Vertrag ein legitimes, vom Gesetz gedecktes Ziel. Raumordnungsverträge können insbesondere eingesetzt werden, um das Raumordnungsziel „leistbares Wohnen“ zu verwirklichen. Kanonier (Leistbares Wohnen im österreichischen Raumordnungsrecht, bbl 2017, 165) betont, dass der Raumordnung die Aufgabe zukomme, geeignete Flächen für leistbaren Wohnbau zur Verfügung zu stellen, gegen andere Nutzungsansprüche zu sichern und Rahmenbedingungen für eine zeitnahe Nutzungsrealisierung zu setzen. Gerade das TROG nenne in den Zielformulierungen (§ 1 Abs 2 lit g, § 27 Abs 2 lit b und d TROG) klar und mehrfach das leistbare Wohnen und verdeutliche dadurch den Stellenwert, den der Gesetzgeber dieser Thematik beimesse. Leistbares Wohnen werde auch im Raumordnungsplan ZunkunftsRaum Tirol 2011 als ein wesentliches Ziel der Siedlungsentwicklung angesehen („Das Preisniveau für Bauland ist auf einem für Bevölkerung und Wirtschaft leistbaren Niveau zu halten. Das Unterbinden von spekulativem Horten von Bauland ist dafür ein wesentlicher Ansatz.“).

[66] 4.3.2. Diesem Interesse der Gemeinde standen keine deutlich überwiegenden Interessen der Klägerin gegenüber.

[67] Die – im Bereich der Immobilienentwicklung unternehmerisch tätige – Klägerin war zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht die Eigentümerin von Bauland. Sie kaufte die Liegenschaft im Jahr 2019 in der Hoffnung auf eine Umwidmung in Bauland (Wohngebiet), wusste aber aufgrund des Schreibens des Bürgermeisters aus dem Jahr 2016 schon vor dem Ankauf, dass eine solche Umwidmung nicht nur von einem vom Gemeinderat noch zu prüfenden Wohnbedarf, sondern vor allem vom künftigen Abschluss eines Raumordnungsvertrags mit der Gemeinde abhängig war. Die Klägerin hätte den Ankauf in Kenntnis dieser Umstände auch unterlassen können. Eine Zwangslage bestand zu dem Zeitpunkt nicht. Dennoch entschloss sie sich zum Kauf und setzte sich damit bewusst (ihr im Detail noch nicht bekannten) Forderungen und Vorstellungen der Beklagten beim Abschluss des Raumordnungsvertrags aus, wobei der Klägerin (als professioneller Bauträgerin) klar sein musste, für welche Zwecke Raumordnungsverträge abgeschlossen werden können, nämlich insbesondere zur Schaffung leistbaren Wohnraums, dem – wie gezeigt wurde – gerade das TROG großes Gewicht beimisst.

[68] Soweit die Klägerin argumentiert, sie habe sich bei Abschluss des Raumordnungsvertrags in einer Zwangslage (im Hinblick auf die von ihr angestrebte Bebaubarkeit) befunden, ist ihr zu erwidern, dass sie vom Abschluss des angebotenen Raumordnungsvertrags Abstand hätte nehmen können, ohne dass sich ihre damalige rechtliche Position verschlechtert hätte. Zudem hat sie sich selbst – wie bereits das Berufungsgericht bemerkt hat – erst in diese Situation manövriert, indem sie bei Abschluss des Kaufvertrags offenbar verabsäumt hat, ihre wirtschaftlichen Erwartungen durch ein Rückverkaufsrecht oder Ähnliches abzusichern.

[69] Die von der Klägerin eingegangenen Verpflichtungen sind daher vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich – abgesehen von der mit der Umwidmung verbundenen Wertsteigerung der Liegenschaft – ihre wirtschaftliche Position durch den Vertrag und die damit (konditional verknüpfte) Möglichkeit der Bebauung entscheidend – wenn offenbar auch nicht in dem von ihr erhofften Ausmaß – verbessert hat. Das Risiko, dass die Bebauung und der daraus erfließende Projekterlös letztlich nicht ihren Vorstellungen entsprach, ist die Klägerin sehenden Auges eingegangen. Ihre Grundrechtsposition unterscheidet sich daher – mit den Worten von Berka/Kletečka (oben Punkt 3.3.1.) – deutlich von der eines Eigentümers von bereits gewidmetem Bauland. Überdies muss hervorgehoben werden, dass der Umstand, dass sich die Klägerin bereit erklärte, wohnbaugeförderte Einheiten zu errichten, zur Folge hatte, dass der von ihr geplante massive Geschoßwohnungsbau (mit dem Doppelten der durchschnittlichen Baumassendichte in der näheren Umgebung des Grundstücks) bewilligt wurde, der – wie festgestellt – ansonsten im Siedlungsgebiet nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Schlussendlich führte die Errichtung einer „förderbaren Gesamtanlage“ zumindest theoretisch auch zu einer Förderwürdigkeit der Klägerin (als befugter gewerblicher Bauträgerin) nach dem TWFG 1991 und der Tiroler Wohnbauförderungsrichtlinie.

[70] 4.3.3. Die Schutzwürdigkeit der Klägerin tritt aus diesen Gründen deutlich gegenüber den öffentlichen Interessen, die die Beklagte im Einklang mit den Zielen des TROG verfolgte, zurück. Es besteht daher kein Anlass, die Verpflichtung zur Errichtung einer förderbaren Gesamtanlage von vornherein als sittenwidrig anzusehen.

[71] 4.4. Auch aus § 31a TROG 2016 („Vorsorge für den geförderten Wohnbau“) ist für die Klägerin nichts zu gewinnen.

[72] Nach dieser Bestimmung haben die Gemeinden, im örtlichen Raumordnungskonzept – soweit der Wohnbedarf der Bevölkerung zu leistbaren Bedingungen nicht anderweitig gedeckt werden kann – zum einen das Mindestausmaß jener Grundflächen, die im Flächenwidmungsplan als Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau auszuweisen sind, und zum anderen jene Grundflächen, die für eine entsprechende Widmung in Betracht kommen, festzulegen. Die Abs 2 bis 5 leg cit regeln die Kriterien und Schranken, die bei der Entscheidung zu beachten sind (vgl RV zu LGBl 110/2019 zu § 31a TROG).

[73] Diese Bestimmung ist hier nicht unmittelbar einschlägig, weil eine Vorbehaltsflächenwidmung nicht stattfand. Eine Bindung der Gemeinde an die in § 31a Abs 4 TROG 2016 statuierten Beschränkungen analog auch für den Abschluss von Raumordnungsverträgen (konkret in Bezug auf noch gar nicht als Bauland oder Vorbehaltsflächen gewidmete Grundflächen) besteht schon deshalb nicht, weil diese Bestimmung sogar in ihrem ursprünglichen Anwendungsbereich vorsieht, dass die darin angeordneten Beschränkungen bei ausdrücklicher Zustimmung des Grundeigentümers nicht gelten (§ 31a Abs 4 letzter Satz TROG 2016). Daraus folgt, dass eine vertragliche Regelung grundsätzlich zulässig ist.

[74] 4.5. Des Weiteren bemängelt die Klägerin, dass die Umwidmung nur mit zehnjähriger Befristung im Sinn des im Umwidmungszeitpunkt bereits geltenden § 37a Abs 1 TROG 2022 (entspricht § 37a Abs 1 TROG 2016) erfolgt sei. Es drohe daher eine Rückwidmung in Freiland, was im Zusammenhalt mit der im Vertrag vorgesehenen Vertragsstrafe zu einer doppelten Sanktionierung führe.

[75] Dabei übersieht die Klägerin, dass im Vertrag keine Bebauungsfrist vorgesehen ist, sodass insofern auch nicht die im Vertrag für den Fall einer Vertragsverletzung vorgesehene Konventionalstrafe droht. Die Gefahr einer doppelten Sanktionierung durch Vertragsstrafe und entschädigungslose Rückwidmung besteht daher von vornherein nicht.

[76] Zudem ist die Klägerin auf § 37a Abs 1 lit c TROG 2022 zu verweisen, wonach die (an sich ex lege eintretende) Befristung der Baulandwidmung bei Grundflächen nicht gilt, „deren widmungsgemäße Bebauung auf der Grundlage von Verträgen nach § 33 Abs 2 TROG sichergestellt ist“. Sollte man im strittigen Raumordnungsvertrag ungeachtet der fehlenden Bebauungsfrist eine solche Sicherstellung sehen, fehlte überhaupt eine gesetzliche Grundlage für die in der Widmung anscheinend vorgesehene Befristung. Ob das zutrifft, kann hier aber dahinstehen, weil jedenfalls keine doppelte Sanktionierung droht.

[77] 4.6. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass der strittige Vertrag von § 33 Abs 2 und 3 TROG 2016 gedeckt ist und auch keine (anderen) Gründe vorliegen, aus denen sich schon von vornherein seine Unzulässigkeit ergäbe.

[78] 5. Auch die konkreten Bestimmungen des Vertrags sind bis auf einen Punkt unbedenklich.

[79] 5.1. Nach § 33 Abs 4 TROG 2016 ist die Einhaltung der Verträge nach Absatz 2 auf geeignete Weise sicherzustellen. Insbesondere sieht die Bestimmung für diesen Zweck, „soweit dies zivilrechtlich zulässig ist“, ua die Vereinbarung von Vorschlags‑ und Zustimmungsrechten vor.

[80] 5.2. Die Klägerin kritisiert in diesem Zusammenhang jene Vertragsbestimmungen, wonach sich die Beklagte das Vergaberecht nach bestimmten Kriterien vorbehalten hat und wonach die Klägerin sowie ihre Rechtsnachfolger den Verkauf an andere, nicht von der Gemeinde bekannt gegebene Personen zu unterlassen haben. Diese Bestimmungen konkretisieren und ergänzen die (wie gezeigt wurde) rechtswirksam vereinbarte Hauptpflicht „Errichtung einer förderbaren Gesamtanlage“. Außerdem wendet sie sich dagegen, dass die Kaufpreise nach den Sätzen der Wohnbauförderungsrichtlinie festzusetzen sind.

[81] 5.3. Diese Vertragsbestimmungen verfolgen offenkundig den Zweck, die Einhaltung des Raumordnungsvertrags und die Erreichung seines Zwecks abzusichern. Sie sind im Einzelnen unter dem Blickwinkel des § 879 ABGB auf ihre Zulässigkeit zu prüfen.

[82] 5.3.1. Die von der Klägerin beanstandete Verpflichtung zur Festsetzung der Kaufpreise „gemäß den Sätzen nach der Wohnbauförderungsrichtlinie“ ergibt sich daraus, dass es sich bei dem Bauprojekt um eine förderbare Gesamtanlage handeln muss; sie wird durch den Sinn und Zweck des sozialen Wohnbaus gestützt. Es liegt keine „sonderzivilrechtliche Preisbestimmung“ (iSd Art 15 Abs 9 B‑VG), sondern eine (zivilrechtliche) Preisvereinbarung zwischen den Parteien zugunsten Dritter (der Erwerber) vor, die sich an diesen Sätzen orientiert.

[83] Zwar hätte die Gemeinde der Klägerin wohl keinen die für den sozialen Wohnbau gültigen Fördersätze unterschreitenden Kaufpreis vorgeben dürfen. Das ist hier aber ohnehin nicht der Fall. Die Klägerin behauptet nur, dass die Sätze der Wohnbauförderung nicht kostendeckend, geschweige denn gewinnbringend seien, weshalb sogar gemeinnützige Bauträger in den letzten Jahren von der Realisierung behördlich genehmigter Neubauprojekte abgesehen hätten. Allerdings hat sich die Klägerin – wie oben (Punkt 4.) dargestellt – zur Einhaltung dieser Sätze verpflichtet, ohne sich in einer berücksichtigungswürdigen Drucksituation befunden zu haben. Dass diese Sätze unter den am Markt erzielbaren Preisen liegen und allenfalls nicht kostendeckend sein könnten, ist daher ein von ihr freiwillig eingegangenes Risiko.

[84] 5.3.2. Die Klägerin behauptet nicht, dass die im Vertrag festgelegten materiellen Kriterien („Anforderungen an die Verkäuferseite“, Punkt III.4. des Vertrags) als solche unsachlich seien. Diese decken sich im Wesentlichen mit den in der Tiroler Wohnungsvergabe-Richtlinie beispielhaft („insbesondere“) genannten Kriterien der Wohnungsvergabe (etwa Wohnbedarf, Erfüllung der personenbezogenen Förderungskriterien nach der Tiroler Wohnbauförderungs-richtlinie, Volljährigkeit). Dass die Käufer ihren Hauptwohnsitz in der Gemeinde haben müssen, ist durch das Anliegen gerechtfertigt, leistbaren Wohnraum für bereits ansässige Gemeindebürger zur Verfügung zu stellen, um – im Interesse der Gemeinde – eine Absiedelung vor allem der jüngeren Bevölkerungsschichten hintanzuhalten. Zudem kann aus besonderen Gründen ohnehin von einzelnen dieser Kriterien abgegangen werden. Schließlich ist die Klägerin nach Ablauf von zwölf Monaten ab Ausstellungsdatum der Benützungsbewilligung berechtigt, an alle Personen, die von der Gemeinde bekanntgegeben werden und die Kriterien des Vertrags erfüllen, zu verkaufen. Diese Bestimmung lässt sich so deuten, dass die Klägerin letztlich die Auswahl aus mehreren von der Beklagten bekannt gegebenen Personen treffen darf. Auch insofern ist keine Unsachlichkeit zu erkennen.

5.3.3. Damit bleibt das Vergaberecht der Beklagten zu beurteilen:

[85] (a) Als überschießend könnte angesehen werden, dass die Klägerin nicht selbst an Personen verkaufen darf, die den festgelegten Kriterien entsprechen, sondern insofern an einen Vorschlag der Gemeinde gebunden ist. Diese (entgegen § 6 Abs 2 TWFG 1991) unbefristete Ausgestaltung des Vergaberechts der Beklagten ist bedenklich, da das legitime Interesse der Gemeinde an der Kontrolle der Einhaltung der materiellen Kriterien auch durch ein bloßes Zustimmungserfordernis gewahrt werden könnte. Selbst wenn aber das Vergaberecht der Gemeinde aus diesem Grund als unzulässig anzusehen wäre, ergäbe sich daraus aus den oben (Punkt 2.3.) dargestellten Gründen (noch) nicht die Gesamtnichtigkeit des Vertrags. Denn dieser könnte auch ohne dieses Recht seinen Zweck erfüllen.

[86] (b) Eine Teilnichtigkeit macht die Klägerin (auch) insofern nicht geltend. Vielmehr bringt sie zum Ausdruck, dass sie von der Bindung an die – allerdings zulässig vereinbarten – wohnbauförderungsrechtlichen Kriterien (Vorgaben in materieller Hinsicht) befreit werden möchte. Sie will die Objekte freihändig (zu einem höheren Preis an beliebige Interessenten) veräußern. Dieses Ziel könnte sie selbst bei Wegfall des Vergaberechts der Gemeinde nicht erreichen. Ein Minderzuspruch (Unwirksamkeit nur dieser Vertragsbestimmung) kommt daher nach den oben (Punkt 2.4.) dargestellten Erwägungen zur Abgrenzung von minus und aliud nicht in Betracht.

[87] 5.4. Die Klägerin meint schließlich nach wie vor, der gesamte Vertrag sei wegen der gesetzlich nicht vorgesehenen Kostenüberwälzung in Punkt VII.3. nichtig.

[88] Bereits das Berufungsgericht hat ihr aber entgegen gehalten, dass sie nur mit den Kosten der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung des Raumordnungsvertrags, nicht aber mit den mit der Umwidmung in Zusammenhang stehenden Kosten belastet wurde. Eine Auseinandersetzung mit dieser Argumentation enthält die Revision nicht. Die Kosten für die Errichtung und Durchführung des Vertrags sind nicht durch Hoheitsakt vorzuschreiben (sondern können frei vereinbart werden), sodass von einem gesetzwidrigen Formenmissbrauch (vgl 2 Ob 511/95) keine Rede sein kann. Zudem könnte auch aus der allfälligen Unzulässigkeit dieser Bestimmung keinesfalls die Gesamtnichtigkeit des Vertrags abgeleitet werden.

[89] 5.5. Als weiteres Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass sich die Berechtigung des auf Feststellung der Gesamtnichtigkeit gerichteten Klagebegehrens auch nicht aus den konkreten Bestimmungen des Vertrags ableiten lässt.

[90] 6. Auch die weiteren Begehren der Klägerin sind auf dieser Grundlage nicht berechtigt.

[91] 6.1. Die Verpflichtung zur Löschung der (noch aufrechten) Vorkaufsrechte leitet die Klägerin allein aus der Gesamtnichtigkeit des Vertrags ab. Diese liegt aber, wie gezeigt, nicht vor.

[92] 6.2. Dem Begehren auf Feststellung der Haftung liegt die Behauptung der Klägerin zugrunde, ihr entstehe dadurch ein Schaden, dass sie an der freihändigen Veräußerung der Wohnungseigentumsobjekte (und damit an der Erzielung eines Mehrerlöses) gehindert sei, diese Veräußerung sich aber jedenfalls verzögere. Daraus, dass die Klägerin sich an die zulässig vereinbarten wohnbauförderungsrechtlichen Kriterien halten muss, kann sie jedoch keinen Schadenersatzanspruch ableiten. Das Klagebegehren ist daher auch insoweit nicht berechtigt, ohne dass sich die Frage nach einem Feststellungsinteresse stellt.

7. Ergebnis und Kosten

[93] 7.1. Der Revision der Klägerin ist damit kein Erfolg beschieden. Auf den Einwand der Beklagten, die Klägerin handle rechtsmissbräuchlich („venire contra factum proprium“), muss nicht mehr eingegangen werden.

[94] 7.2. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Ein Raumordnungsvertrag, mit dem sich ein Bauträger gegenüber einer Gemeinde zur Bebauung einer ihm gehörenden Liegenschaft mit einer förderbaren Gesamtanlage verpflichtet, ist ein Verwendungsvertrag iSd § 33 Abs 2 iVm Abs 3 Fall 1 TROG 2016. Ein solcher Vertrag ist jedenfalls dann grundsätzlich zulässig, wenn die Liegenschaft zuvor als Freiland gewidmet war und erst durch die Umwidmung, die aufgrund des Raumordnungsvertrags erfolgte, bebaubar wurde.

Die Einhaltung eines Raumordnungsvertrags kann insbesondere mit den in § 33 Abs 4 TROG 2016 genannten Vorschlags‑ und Zustimmungsrechten abgesichert werden. Inhaltliche Grenze für die Ausgestaltung dieser Rechte ist § 879 Abs 1 ABGB.

Auch bei Raumordnungsverträgen hängt es primär vom Verbotszweck ab, ob bei Unzulässigkeit einer einzelnen Vertragsbestimmung der gesamte Vertrag nichtig ist oder im Übrigen gültig bleibt.

[95] 7.3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte