European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00154.24X.1015.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Erstbeklagte ist eine Gesellschaft holländischen Rechts mit Sitz in Curaçao. Die Zweitbeklagte ist eine in Zypern ansässige Tochtergesellschaft der Erstbeklagten. Beide verfügen über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz, boten jedoch über ihre Website auch in Österreich die Teilnahme an verschiedenen Online-Glücksspielen an.
[2] Der Kläger nahm im Februar 2023 an von den Beklagten angebotenen Online-Glücksspielen teil und verlor dabei insgesamt 30.500 EUR. Er begehrt den Rückersatz seines Verlustes.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts, mit dem es die Beklagten zur Zahlung verpflichtete, und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[5] 1. Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online-Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen. Damit ist diese Bestimmung schon ihrem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt, konkret gegen § 52 Abs 5 GSpG verstoßen hat, kommt es daher nicht an. Gegenteiliges kann auch aus der Entscheidung 5 Ob 506/96 nicht abgeleitet werden (zuletzt 1 Ob 78/24p Rz 9 mwN; 9 Ob 66/24g Rz 4 mwN).
[6] 2. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (vgl nur 1 Ob 95/23m; 1 Ob 111/23i je mwN). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.
[7] 3. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Entgegen der Darstellung der Revisionswerberin ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH, C‑920/19 , Fluctus, kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, legt die Revisionswerberin nicht dar (2 Ob 23/23f mwN). Der von der Beklagten behauptete Feststellungsmangel und damit eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung, weil Feststellungen „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ fehlten, ist damit nicht zu erkennen. Eine neuerliche Befassung des EuGH ist im Hinblick auf dessen Entscheidungen zu C‑390/12 , C‑79/17 und C‑545/18 entbehrlich (vgl 9 Ob 66/24g Rz 6).
[8] 4. Einer Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen zu C‑440/23 bedarf es nicht, weil die dort gestellten unionsrechtlichen Fragen bereits geklärt erscheinen (zuletzt schon 1 Ob 91/24z Rz 8).
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