OGH 10ObS89/24x

OGH10ObS89/24x8.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Schober und Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Manfred Joachimsthaler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Anton Starecek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei B*, Ungarn, vertreten durch Mag. Martin Reihs, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1030 Wien, Haidingergasse 1, vertreten durch Lackner & Hausmann Rechtsanwälte OG in Eisenstadt, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Juni 2024, GZ 10 Rs 31/24 p‑19, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 1. Dezember 2023, GZ 15 Cgs 95/23d‑14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:010OBS00089.24X.1008.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Sozialrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung – einschließlich der in Rechtskraft erwachsenen Teile – insgesamt zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass die klagende Partei nicht zum Rückersatz des in der Zeit von 11. Juni 2020 bis 1. April 2022 bezogenen Kinderbetreuungsgeldes in Höhe von 11.180,40 EUR an die beklagte Partei verpflichtet sei, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 4 Wochen 11.180,40 EUR an im Zeitraum von 11. Juni 2020 bis 1. April 2022 zu viel ausgezahltem Kinderbetreuungsgeld zurückzuzahlen.“

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Anspruch der Klägerin auf pauschales Kinderbetreuungsgeld für ihr am 2. April 2020 geborenes Kind im Zeitraum von 11. Juni 2020 bis 19. Jänner 2022. Strittig ist die Frage, ob die für die Klägerin im fraglichen Zeitraum bestehende Anmeldung an der im Kopf genannten Adresse (* G*) in Ungarn als hauptwohnsitzliche Meldung iSd § 2 Abs 6 KBGG in der hier anzuwendenden Fassung dieses Absatzes (BGBl I 2019/24) zu qualifizieren ist.

[2] Die Klägerin lebte zunächst etwa bis in das Jahr 2010 bei ihrer Mutter in * D* in Ungarn. Anschließend zog sie ab 19. Jänner 2017 nach * G* in Ungarn. Sie kaufte dort zusammen mit ihrem Ehemann ein Haus, wohnte dort gemeinsam mit ihm und ab der Geburt des Sohnes auch mit diesem. Die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt aufgrund eines unklaren erbrechtlichen Sachverhalts betreffend das Haus ihrer Mutter ihren „Wohnsitz“ (lakóhely) nicht endgültig nach G* verlegt, sondern in ihrem Elternhaus belassen und hatte auch die Absicht, eventuell dorthin zurückzukehren.

[3] Die Klägerin war im hier relevanten Zeitraum (11. Juni 2020 bis 19. Jänner 2022) mit „Wohnsitz“ (lakóhely) in * D*, mit „Aufenthaltsort“ (tartózkodási hely) in * G*, gemeldet. Das Kind ist seit 13. Mai 2020 mit „Wohnsitz“ (lakóhely) in * G*, gemeldet.

[4] Im ungarischen Gesetz Nr. LXVI aus dem Jahr 1992 über das Register über Personalien und Wohnadressen der Bürger, im weiteren Nytv, sind die Begriffe Wohnsitz und Aufenthaltsort definiert.

[5] Nach § 5 Abs 2 Nytv ist der Wohnsitz (lakóhely) eines Bürgers die Adresse jener Wohnung, in der der Bürger lebt. Was die Meldung einer Wohnadresse anbelangt, ist als Wohnung ein aus einem oder mehreren Wohnräumen bestehendes Gebäude oder ein aus einem oder mehreren Wohnräumen bestehendes Gebäudeteil, das oder der vom Bürger lebensführungsmäßig als sein Zuhause benützt wird, sowie auch – jedoch nicht im Fall von im Ausland lebenden ungarischen und nicht ungarischen Staatsbürgern – ein Raum zu betrachten, in dem jemand aus Not wohnt oder – sofern er keine andere Wohnung hat – Unterkunft findet. Als tatsächlicher Wohnsitz dient dem Bürger jene Wohnimmobilie, von wo aus er sein Leben organisiert (zB macht er sich regelmäßig aus diesem auf den Weg zur Arbeit bzw kehrt in diese wieder zurück), in der er die zu seiner Lebensführung erforderlichen Tätigkeiten verrichtet, die als Ort seines Familienlebens dient oder für die er kommunale Dienstleistungen in Anspruch nimmt bzw die als seine primäre Kontaktadresse bei den Behörden und kommunalen Dienstleistern aufscheint.

[6] Nach § 5 Abs 3 Nytv ist der Aufenthaltsort (tartózkodási hely) eines Bürgers die Adresse jener Wohnung, in der er sich – ohne die Absicht, seinen Wohnsitz endgültig zu verlassen – für einen über drei Monate hinausgehenden Zeitraum aufhält. Der Aufenthaltsort hat im Vergleich zum Wohnsitz lediglich einen ergänzenden Charakter. Von einem Aufenthaltsort kann dann gesprochen werden, wenn sich der Bürger neben seinem Wohnsitz auch an einer anderen Adresse dauerhaft (also über drei Monate hinaus), jedoch lediglich provisorisch aufhält. Der Zweck der Meldung des Aufenthaltsorts ist, dass der Bürger auch während dieser Zeit für die Behörden, Institutionen, kommunalen Dienstleister uä erreichbar bzw auffindbar ist. Gemäß den erläuternden Bestimmungen des Nytv kann nur dann von einem Aufenthaltsort die Rede sein, wenn der Bürger über einen gemeldeten und gültigen Wohnsitz verfügt, an den er zu einem späteren Zeitpunkt zurückkehren will; eben darauf bezieht sich auch die Wendung „ohne die Absicht, den Wohnsitz endgültig zu verlassen“.

[7] Jeder Bürger ist zeitgleich ausschließlich zur Meldung eines einzigen Wohnsitzes und – wenn er dies wünscht – zusätzlich zur Meldung eines Aufenthaltsorts berechtigt. Für die Entscheidung, welche Liegenschaft der Bürger als seinen Wohnsitz und welche als seinen Aufenthaltsort betrachtet, ist das Nytv maßgebend; diese Entscheidung zu treffen ist – im Hinblick auf die oben angeführten Bestimmungen des Gesetzes Nytv – die Aufgabe des Bürgers und nicht jener der für das Register über Personalien und Wohnadressen zuständigen Behörde. Es ist die Entscheidung des Bürgers, welche Liegenschaft er als Wohnsitz oder Aufenthaltsort betrachtet, und es liegt in seiner Verantwortung, eine Anmeldung entsprechend seiner Entscheidung unter Bedachtnahme auf die obigen Vorgaben zu tätigen.

[8] Tritt eine Änderung in der Lebensführung des Bürgers ein, ist dieser – um die Authentizität des Registers als Register mit öffentlichem Glauben zu bewahren – verpflichtet, die Änderung seiner im Register über Personalien und Wohnadressen erfassten Daten innerhalb von drei Werktagen nach Eintritt der Änderung zu melden.

[9] Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. Juli 2023 widerrief die beklagte Österreichische Gesundheitskasse die Zuerkennung des pauschalen Kinderbetreuungsgelds für das Kind der Klägerin für den Zeitraum 11. Juni 2020 bis 1. April 2022 „mangels gemeinsamen Wohnsitzes“ mit dem Kind und verpflichtete die Klägerin zum Rückersatz des in diesem Zeitraum bezogenen Kinderbetreuungsgelds von insgesamt 11.180,40 EUR.

[10] In der dagegen erhobenen, auf die Feststellung, dass eine Rückersatzpflicht nicht bestehe, gerichteten Klage brachte die Klägerin zusammengefasst vor, dass sie während des Kinderbetreuungsgeldbezugs stets mit ihrem Sohn in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe und ihre Anmeldung an der gemeinsamen Wohnadresse mit einem Aufenthaltsort im Sinn des § 5 Abs 3 Nytv als hauptwohnsitzliche Meldung im Sinn des § 2 Abs 6 KBGG zu qualifizieren sei.

[11] Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, dass unter den konkreten Lebensumständen der Klägerin nach den Normen des ungarischen Registergesetzes eine Meldung mit einem Wohnsitz im Sinn des § 5 Abs 2 Nytv geboten gewesen wäre. Die Meldung der Klägerin mit einem Aufenthaltsort im Sinn des § 5 Abs 3 Nytv sei nicht zulässig gewesen und könne daher nicht als hauptwohnsitzliche Meldung im Sinn des § 2 Abs 6 KBGG qualifiziert werden.

[12] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren für den Zeitraum 11. Juni 2020 bis 19. Jänner 2022 statt, wies es für den Zeitraum 20. Jänner 2022 bis 1. April 2022 ab und verpflichtete die Klägerin (insofern rechtskräftig) zum Rückersatz des im Zeitraum 20. Jänner 2022 bis 1. April 2022 bezogenen Kinderbetreuungsgelds von 1.219,68 EUR. Es traf die eingangs gekürzt wiedergegebenen Feststellungen und folgerte in rechtlicher Hinsicht, dass die Klägerin bis 19. Jänner 2022 ihren Hauptwohnsitz in * G*, gehabt habe. Da die Klägerin grundsätzlich noch die Absicht gehabt habe, an die Adresse in D* zurückzukehren, sei ihre Meldung mit einem Aufenthaltsort im Einklang mit den ungarischen Vorschriften gewesen.

[13] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen den stattgebenden Teil des Ersturteils nicht Folge. Den Feststellungen lasse sich keine Absicht der Klägerin, das Elternhaus in D* endgültig, also jedenfalls und abschließend zu verlassen, entnehmen. Vielmehr habe sie die „Absicht gehabt, eventuell dorthin zurückzukehren“. Der Klägerin sei es daher bis 19. Jänner 2022 freigestanden, anlässlich ihres Umzugs zu ihrem Ehemann nach G* zwischen einer Meldung nach § 5 Abs 2 und § 5 Abs 3 Nytv zu wählen. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu.

[14] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts im Sinn einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[15] In der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[16] Die Revision ist zulässig, weil dem Berufungsgericht bei der Anwendung des fremden Rechts ein grober Subsumtionsfehler unterlief; sie ist demgemäß auch berechtigt.

[17] 1. Der Oberste Gerichtshof hat zu 10 ObS 77/24g in einem mit dem vorliegenden vergleichbaren Fall ausgeführt wie folgt:

1.1. Für die Anwendung der Anspruchsvoraussetzung der 'hauptwohnsitzlichen Meldung' im Sinn des § 2 Abs 6 KBGG kommt es darauf an, ob im jeweils zu betrachtenden Mitgliedstaat ein dem österreichischen Melderecht vergleichbares System existiert, nach dem einer Person die Meldung oder Registrierung des Hauptwohnsitzes möglich ist (RS0132841), wobei der Begriff des Hauptwohnsitzes iSd § 1 Abs 7 MeldeG zu verstehen ist (10 ObS 11/22y Rz 29; 10 ObS 88/21w Rz 19).

1.2. Existiert im zu betrachtenden Mitgliedstaat ein derartiges System, ist die Vornahme einer hauptwohnsitzlichen Meldung entsprechend der Ausgestaltung des jeweiligen Systems Voraussetzung für den Bezug des Kinderbetreuungsgelds (RS0132841). Die Frage, welche Art der Anmeldung nach dem Rechtssystem eines anderen Mitgliedstaats der hauptwohnsitzlichen Meldung iSd § 2 Abs 6 KBGG entspricht, ist rechtlich zu beurteilen und einer Feststellung nicht zugänglich.

2. Der Oberste Gerichtshof ist zwar nicht dazu berufen, für die Einheitlichkeit oder Rechtsfortbildung fremden Rechts Sorge zu tragen (RS0042940 [T8]; RS0042948 [T20]). Die Zulässigkeit der Revision ist aber aus Gründen der Rechtssicherheit dann zulässig, wenn bei der Anwendung fremden Rechts grobe Subsumtionsfehler unterliefen, die aus Gründen der Rechtssicherheit richtiggestellt werden müssen (RS0042940 [T9]; RS0042948 [T21]). Ein solcher Subsumptionsfehler liegt hier vor.

2.1. Aus den zum ungarischen Registergesetz getroffenen Feststellungen geht hervor, dass der Aufenthaltsort eines Bürgers die Adresse jener Wohnung ist, in der er sich – ohne die Absicht, seinen Wohnsitz endgültig zu verlassen – für einen über drei Monate hinausgehenden Zeitraum aufhält (§ 5 Abs 3 Nytv). Von einem Aufenthaltsort kann nach der vom Erstgericht erhobenen Auskunft des ungarischen Justizministeriums dann gesprochen werden, wenn sich der Bürger neben seinem Wohnsitz auch an einer anderen Adresse dauerhaft (also über drei Monate hinaus), jedoch lediglich provisorisch aufhält. Gemäß den festgestellten erläuternden Bestimmungen des Nytv kann nur dann von einem Aufenthaltsort die Rede sein, wenn der Bürger über einen gemeldeten und gültigen Wohnsitz verfügt, an den er zu einem späteren Zeitpunkt zurückkehren will ; eben darauf bezieht sich auch die Wendung 'ohne die Absicht, den Wohnsitz endgültig zu verlassen'.

2.2. Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen sind die Voraussetzungen der Meldung des Aufenthaltsorts angesichts der im dritten Rechtsgang getroffenen Feststellungen nicht erfüllt. Für die Frage, ob der Aufenthalt im Sinn des § 5 Abs 3 Nytv ohne die Absicht, den Wohnsitz endgültig zu verlassen, genommen wurde, ist nämlich nicht allein der Wortlaut der genannten Bestimmung entscheidend; bei der Auslegung sind vielmehr auch die Erhebungsergebnisse des Erstgerichts zum Verständnis der Bestimmung in seinem Anwendungsbereich zu berücksichtigen.

2.2.1. Dabei ist zunächst zu bemerken, dass die Klägerin die Wohnimmobilie, an der sie die Meldung des Wohnsitzes im relevanten Zeitraum beibehielt, nicht (mehr) als lebensführungsmäßiges Zuhause nutzte. Diesem Zweck diente ab dem Umzug in die dem Ehegatten gehörige Wohnung vielmehr (nur) diese Wohnung, an der sie lediglich den Aufenthaltsort gemeldet hatte. Der Aufenthalt an diesem Ort war in diesem Sinn aber nicht lediglich provisorisch, weil die Klägerin nach den nunmehr getroffenen Feststellungen in der Wohnung, an der sie die Meldung ihres Wohnsitzes beibehielt, nicht wieder wohnen wollte. Damit handelte es sich bei der Wohnsitzadresse nicht mehr um einen – nach den Erhebungen für die Subsumption aber maßgeblichen – Wohnsitz, an den die Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt zurückkehren wollte. Die Voraussetzung einer Meldung des Aufenthaltsorts nach § 5 Abs 3 Nytv, dass keine Absicht besteht, den Wohnsitz endgültig zu verlassen, war somit im relevanten Zeitraum nicht erfüllt.

2.2.2. Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen ändert der festgestellte Umstand, dass die Klägerin die Meldung als Wohnsitz an der Wohnsitzadresse nur für den Fall behielt, in dem ihre Ehe scheitern sollte und sie dann eine Unterkunft benötigen würde, nichts daran, dass sie im maßgeblichen Zeitraum nicht (auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt) wieder dort wohnen wollte. Ob sie bei Eintritt bestimmter Umstände einen Willen bilden würde oder wird, in dieser Adresse wieder zu wohnen, ist hingegen irrerelevant. Von einem bloß provisorischen Aufenthalt der Klägerin in der Wohnung, in der sie den Aufenthaltsort gemeldet hat, kann daher keine Rede sein.

2.2.3. Dem steht nach den vom Erstgericht ermittelten ungarischen Recht nicht entgegen, dass es die Entscheidung der Klägerin war, welche Liegenschaft sie als Wohnsitz oder Aufenthaltsort betrachtet. Diese Entscheidung hat sie nach den getroffenen Feststellungen vielmehr getroffen und sie trug daher die Verantwortung, die Anmeldung entsprechend dieser Entscheidung unter Bedachtnahme auf die geschilderten Vorgaben zu tätigen.

2.3. Aufgrund ihrer konkreten Lebensbeziehungen zu den beiden Wohnungen schied eine Meldung mit einem Aufenthaltsort im Sinn des § 5 Abs 3 Nytvan (tartózkodási hely) an der Adresse *, Vö* nach ungarischem Recht somit aus, sodass ihr auch eine Wahl zwischen der Meldung des Wohnsitzes und des Aufenthaltsorts nicht zukam. Die durchgeführte und im relevanten Zeitraum nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Meldung kann folglich nicht als hauptwohnsitzliche Meldung im Sinn des § 2 Abs 6 KBGG qualifiziert werden. Mangels Erfüllung dieser Anspruchsvoraussetzung besteht kein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld. Auf die in der Revision weiters thematisierte Frage, ob die Anmeldung der Kinder an dieser Adresse rechtzeitig erfolgte, muss somit nicht mehr eingegangen werden.

[18] 2. Nach den in dieser Entscheidung dargestellten Grundsätzen, an denen festzuhalten ist, entsprach die Meldung der Klägerin an der Adresse, an der sie mit dem Kind lebte, als „Aufenthaltsort“ auch im vorliegenden Fall nicht den ungarischen Rechtsvorschriften.

[19] 2.1. Auch hier nutzte die Klägerin die Wohnimmobilie, an der sie die Meldung des Wohnsitzes im relevanten Zeitraum beibehielt, offensichtlich nicht (mehr) als lebensführungsmäßiges Zuhause. Diesem Zweck diente ab dem Umzug in das mit dem Ehegatten gekaufte Haus und insbesondere im hier relevanten Zeitraum vielmehr (nur) dieses, wo sie aber lediglich den Aufenthaltsort gemeldet hatte. Der Aufenthalt an diesem Ort war aber nicht provisorisch, weil die Klägerin nach dem festgestellten Sachverhalt (bloß) die Absicht hatte, „eventuell“ zu ihrem „Wohnsitz“ zurückzukehren. Dies bestätigt auch das erstinstanzliche Vorbringen der (qualifiziert) vertretenen Klägerin selbst, nach dem sie „wegen einer ungeklärten Erbschaft“ (und nicht wegen einer Rückkehrabsicht) mit ihrem „Wohnsitz“ an der bisherigen Adresse gemeldet blieb. Ob die Klägerin (erst) bei Eintritt irgendwelcher Umstände einen Willen bilden würde oder wird, an dieser Adresse wieder zu wohnen, ist mangels aktuell bestehender, konkreter Rückkehrabsicht an die Wohnortadresse irrelevant.

[20] 2.2. Der Umstand, dass die Klägerin aufgrund von Eheproblemen mit ihrem Kind ab 19. Jänner 2022 (für ca zwei Wochen) wieder in D* wohnte, spricht – entgegen der Rechtsansicht der Klägerin – nicht dafür, dass sie schon zuvor an dieser Adresse den Wohnsitz im Sinn des § 5 Abs 2 Nytv hatte. Die Absicht, „eventuell“ (vielleicht, unter bestimmten Bedingungen) wieder zurückzukehren, genügt nach den dargelegten Grundsätzen nicht, von einem bloß provisorischen Aufenthalt am Zielort zu sprechen. Die spätere Fassung einer (zunächst nicht bereits konkret vorliegenden) Absicht, zu einer Wohnung zurückzukehren, ändert daran nichts. Es kann daher nicht von einem bloß provisorischen Aufenthalt der Klägerin an dem Ort gesprochen werden, an dem sie den Aufenthaltsort gemeldet hatte.

[21] 2.3. Die Meldung der Klägerin im revisionsgegenständlichen Zeitraum mit einem Aufenthaltsort im Sinn des § 5 Abs 3 Nytv kann daher nicht als hauptwohnsitzliche Meldung im Sinn des § 2 Abs 6 KBGG qualifiziert werden, sodass ein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld (auch) in diesem Zeitraum nicht bestand. Dass die weiteren von der Beklagten vorgetragenen Voraussetzungen für die Rückforderung des für den relevanten Zeitraum bezogenen Kinderbetreuungsgelds vorliegen, wurde von der (qualifiziert vertretenen) Klägerin nicht bestritten.

[22] 3.1. Der Revision ist daher Folge zu geben und auch das noch gegenständliche Feststellungsbegehren der Klägerin abzuweisen. Zugleich war der Klägerin auch die Leistung des zurückzuzahlenden Betrags aufzutragen, wobei die Beklagte in der Klagebeantwortung selbst eine Leistungsfrist von vier Wochen beantragte.

[23] 3.2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte