European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00138.24A.0911.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Das Rekursgericht wies den Rekurs der Erlagsgegnerin gegen den Annahmebeschluss des Erstgerichts mangels Beschwer zurück.
Rechtliche Beurteilung
[2] Mit ihrem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Erlagsgegnerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[3] 1. Nach herrschender Rechtsprechung und Lehre kommt dem alleinigen Erlagsgegner im Hinterlegungsverfahren im Regelfall weder Parteistellung noch Rechtsmittellegitimation zu, weil seine Rechtsstellung durch den Erlag materiell nicht beeinträchtigt wird und er daher auch nicht beschwert ist. Der Erlag wirkt nämlich nur schuldbefreiend, wenn ein tauglicher Erlagsgrund besteht. Ein rechtswidriger Erlag befreit den Schuldner hingegen nicht; er ist dem Gläubiger gegenüber weiterhin zur Leistung der erlegten Sache verpflichtet und haftet gleichermaßen wie ohne Erlag. Am Anspruch des Gläubigers ändert sich im zweipersonalen Verhältnis durch den Erlag daher im Regelfall nichts (vgl RS0006734; 5 Ob 18/24v mwN). Will der Erlagsgegner dennoch gegen den Annahmebeschluss ein Rechtsmittel erheben, so muss er konkret vorbringen, warum er durch die Annahme eines Erlags im zweipersonalen Verhältnis ausnahmsweise doch beschwert ist (4 Ob 206/11i; 7 Ob 51/14x). Demgegenüber ist die Rechtsmittellegitimation und Beschwer des Erlagsgegners grundsätzlich zu bejahen, wenn der Erlag zu Gunsten mehrerer Erlagsgegner erfolgt (RS0110882).
[4] 2. Das Rekursgericht ist von diesen Grundsätzen nicht abgewichen.
[5] Entgegen der Argumentation der Erlagsgegnerin stützt die Entscheidung zu 4 Ob 218/98g ihren Standpunkt nicht. Auch darin wird ausgeführt, dass die Rechtsmittellegitimation davon abhängt, ob der Annahmebeschluss die materielle Rechtsstellung des Erlagsgegners berührt und dass dies nicht der Fall ist, wenn der Erlag nur zu Gunsten eines Erlagsgegners erfolgt. Anders ist die Sachlage dann, wenn ein Gerichtserlag wegen einer Mehrheit von Forderungsprätendenten vorgenommen wird. Zwar gilt auch für diesen Fall, dass der Erlag nur dann schuldbefreiend wirkt, wenn ein Erlagsgrund besteht. Dafür reicht es aber aus, dass die Erlagsvoraussetzungen gegenüber einem der Erlagsgegner gegeben sind. Der Berechtigte muss daher die Voraussetzungen für die Freigabe des Erlags erfüllen, um das ihm Zustehende zu erhalten. Dazu kann es notwendig sein, das Einverständnis der übrigen Erlagsgegner gerichtlich oder außergerichtlich zu erwirken. Bei einer Mehrheit von Erlagsgegnern trifft es daher nicht zu, dass der Erlag deren Rechtsstellung unberührt ließe. Die Rechtsmittellegitimation und Beschwer eines Erlagsgegners ist daher zu bejahen, wenn der Erlag zu Gunsten mehrerer Erlagsgegner erfolgt.
[6] 3.1 Im Anlassfall führt die Erlagsgegnerin selbst aus, dass die Hinterlegung gerade nicht auf den (Rücktritt vom) Kaufvertrag, sondern auf die (von ihr nicht beanstandete) Auflösung des nur zwischen ihr und den Erlegern abgeschlossenen Bittleihvertrags gestützt werde und sie als Erlagsgegnerin nach dem Vorbringen im Erlagsantrag daher nur als Bittverleiherin angesprochen werde. Sie bestreitet auch nicht das wirksame Zustandekommen des Bittleihvertrags, sondern behauptet nur, dass ein dritter Berechtigter durch das von ihr den Erlegern eingeräumte Prekarium nicht gebunden worden sei und sich daher auch nicht im Annahmeverzug befinden könne.
[7] Der Erlagsgrund resultiert somit unstrittig aus der Auflösung des ausschließlich zwischen der Erlagsgegnerin und den beiden Erlegern abgeschlossenen Bittleihvertrags. Dementsprechend gibt es nur eine einzige Erlagsgegnerin. Das Hinterlegungsverhältnis ist daher unstrittig „zweipersonal“.
[8] 3.2 Warum unter diesem Gesichtspunkt ein zu ihrem obligatorischen Rückstellungsanspruch konkurrierendes Recht eines Dritten bestehen soll und daher von einem weiteren Forderungsprätendenten ausgegangen werden müsste, und warum sich aus der Existenz eines nicht evident forderungsberechtigten Dritten ihre Rechtsmittellegitimation ergeben soll, legt die Erlagsgegnerin nicht nachvollziehbar dar.
[9] Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass sich aus den Ausführungen der Erlagsgegnerin nicht ergebe, warum diese durch die gerichtliche Hinterlegung der Erlagssache (durch die gerichtliche Bestellung eines Verwahrers für die hinterlegte Liegenschaft) trotz des nur zweipersonalen Hinterlegungsverhältnisses ausnahmsweise doch beschwert sei, ist damit keine Verkennung der Rechtslage im konkreten Einzelfall. Das Argument der Erlagsgegnerin, dass das Ergebnis der Schlüssigkeitsprüfung durch das Erstgericht zum Vorliegen eines tauglichen Erlagsgrundes unvertretbar sei, betrifft nicht die Frage ihrer Beschwer, sondern die Berechtigung der Hinterlegung und damit den Inhalt des Rechtsmittels. Diese Frage ist hier allerdings nicht zu prüfen.
[10] 4. Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.
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