OGH 6Ob231/23y

OGH6Ob231/23y27.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Faber, Mag. Pertmayr, MMag. Sloboda und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache lic.iur. C*, vertreten durch Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in Feldkirch, und deren Nebenintervenientin P* AG, *, vertreten durch Mag. Martin Reichegger, Rechtsanwalt in Göfis, gegen die beklagte Partei C*, vertreten durch Dr. Veronika Staudinger, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen 55.777,43 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. Oktober 2023, GZ 4 R 142/23y‑133, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00231.23Y.0827.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Aufhebung des zwischen der Klägerin als Käuferin und dem Beklagten als Verkäufer geschlossenen Kaufvertrags über ein Pferd, die Aussprüche, dass die aus der Vertragsaufhebung resultierende Klageforderung in Höhe von 24.400 EUR zu Recht, die Gegenforderung mit 3.000 EUR zu Recht bestehe und der Beklagte schuldig sei, der Klägerin 21.400 EUR samt Zinsen zu zahlen, erwuchsen unangefochten in Rechtskraft. Die Abweisung des Zahlungsbegehrens erwuchs im Umfang von 3.350 EUR ebenfalls in Rechtskraft.

[2] Im Revisionsverfahren bekämpft die Klägerin die (weitere) Klageabweisung im Umfang von 31.027,43 EUR. Diese Forderung betrifft Aufwendungen für das Pferd, deren Ersatz die Klägerin vom Beklagten begehrt.

[3] Das Berufungsgericht begründete die Klageabweisung in diesem Umfang damit, dass sich die Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht auf das Bereicherungsrecht, das sie nun – nach Verneinung der Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs – als Anspruchsgrundlage heranziehe, gestützt habe.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentliche Revision ist nicht zulässig.

[5] 1.1. Der Kläger muss seinen Anspruch nicht rechtlich qualifizieren; es genügt, dass er seinen Anspruch durch das Vorbringen von Tatsachen umschreibt (RS0037447).

[6] Ist kein bestimmter Rechtsgrund geltend gemacht worden, dann verstößt das Gericht nicht gegen § 405 ZPO, wenn es unter den in concreto möglichen Ansprüchen die Wahl trifft. Soweit aber ein bestimmter Rechtsgrund ausdrücklich geltend gemacht wird, ist das Gericht daran gebunden und darf der Klage nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattgeben (RS0037610).

[7] So muss zwar etwa nicht vorgebracht werden, das Begehren werde (auch) auf den Rechtsgrund der Bereicherung gestützt; dies enthebt den Kläger aber nicht davon, zu einem möglichen Bereicherungsanspruch entsprechendes Tatsachenvorbringen zu erstatten (RS0037610 [T48] = 6 Ob 75/17y [dort in Abgrenzung zu einem vertraglichen Anspruch]). Eine unrichtige rechtliche Qualifikation durch die Partei wirkt sich nur dann nicht zum Nachteil des Klägers aus, wenn er alle anspruchsbegründenden Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt hat (RS0037610 [T37]). Stützt der Kläger das Klagebegehren auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, so entbindet ihn eine solche Leerformel nicht von der Verpflichtung, die rechtserzeugenden Tatsachen vorzubringen (RS0037591).

[8] 1.2. Ob ein bestimmtes Klagebegehren ausschließlich oder nicht ausschließlich auf einen bestimmten Rechtsgrund gestützt wurde, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung (RS0037610 [T31]). Diese Frage ist durch Auslegung des Vorbringens zu beantworten. Sie hängt – ebenso wie die Beurteilung, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist – von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0042828).

[9] 2. Hat ein redlicher Besitzer an eine einem anderen gehörende Sache entweder zur fortwährenden Erhaltung der Substanz einen notwendigen oder zur Vermehrung noch fortdauernder Nutzungen einen nützlichen Aufwand gemacht, so gebührt ihm als Kondiktionenschuldner Aufwandersatz nach § 331 ABGB (RS0010232), und zwar der Ersatz nach dem gegenwärtigen Wert, insofern er den wirklich gemachten Aufwand nicht übersteigt (4 Ob 159/21t [Rz 1]). Der Ersatz des Aufwands ist daher zweifach begrenzt: Einerseits durch den noch vorhandenen, also den gegenwärtigen Wert der Aufwände und andererseits, wenn diese Wertsteigerung den wirklichen Aufwand übersteigt, durch diesen (RS0130237; 4 Ob 159/21t [Rz 1]; 9 Ob 34/15p [ErwGr 2]). Übertragen auf Heimtiere liegen in den für ihren „Lebenserhalt“ notwendigen Aufwendungen (Maßnahmen) „wertsteigernde Maßnahmen“ iSd § 331 ABGB (6 Ob 66/22g [ErwGr 39]).

[10] 3. Im vorliegenden Fall vermisste das Berufungsgericht ein Tatsachenvorbringen dazu, dass die von der Klägerin für das Pferd, dessen Rücknahme der Beklagte abgelehnt hatte, getätigten Aufwendungen – Kosten für Boxenmiete, Paddock und Schrittmaschine, Beschlag, Tierarztkosten, tierärztlichen Bericht, Kosten für die Anmietung eines Ersatzpferdes, frustrierte Kosten des für das Pferd angeschafften Sattels und die Kosten der Euthanasierung des Pferdes – im Sinn des Bereicherungsrechts notwendig und nützlich gewesen seien. Das Vorbringen, die Klägerin stütze sich auf „Schadenersatz und jeden erdenklichen Rechtsgrund“ reiche mangels Sachvorbringens zur Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs nicht aus. Ebenso enthalte das Vorbringen, sie sei bei laesio enormis so zu stellen, als hätte sie den Vertrag nicht geschlossen, keine Behauptungen zu Notwendigkeit und Nützlichkeit von Aufwendungen. Es seien Aufwendungen bloß aufgezählt worden, in der mündlichen Streitverhandlung am 3. 2. 2023 sei das Begehren auf Schadenersatz und culpa in contrahendo gestützt worden. Insbesondere die Kosten für den Sattel, ein tierärztliches Gutachten, eine Exportbescheinigung und ein Mietpferd könnten niemals im Zusammenhang mit einer Bereicherung des Beklagten stehen.

[11] 4.1. Die in der außerordentlichen Revision gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Das Berufungsgericht nahm vielmehr präzise und unter Hinweis auf die jeweiligen Aktenteile auf das klägerische Vorbringen Bezug und legte es – wenn auch anders als von der außerordentlichen Revision angestrebt – aus.

[12] 4.2. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Vorbringens bewegt sich innerhalb des den Gerichten zweiter Instanz eingeräumten Beurteilungsspielraums. Angesichts der Aufzählung der Aufwendungen, unter denen sich, wie die Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision gar nicht in Zweifel zieht, solche befinden, für die eine dadurch bewirkte Bereicherung des Beklagten ausgeschlossen ist, sowie unter weiterer Berücksichtigung, dass die Klägerin ausdrücklich, mehrfach und ohne Differenzierung zwischen einzelnen Ansprüchen auf Schadenersatzrecht Bezug nahm, ist es keineswegs unvertretbar, dass das Berufungsgericht, das Vorbringen in seiner Gesamtheit so wertete, dass die Geltendmachung einer bereicherungsrechtlichen Rechtsgrundlage nicht erkennbar gewesen sei.

[13] Indem in der außerordentlichen Revision vorgebracht wird, dass das Vorbringen auch anders gewertet hätte werden können, wird noch keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.

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