OGH 4Ob146/20d

OGH4Ob146/20d22.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* B*, vertreten durch Dr. Alexander Milavec, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1) K* B*, und 2) F* B*, beide vertreten durch Mag. Alexander Rimser, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Parteien 1) F* H*, vertreten durch Dr. Johannes Öhlböck, Rechtsanwalt in Wien, und 2) Mag. E* H*, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 37.029,91 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Mai 2020, GZ 12 R 86/19h‑46, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129375

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Am 15. 7. 2011 kaufte die Klägerin von den Beklagten eine unbebaute Liegenschaft in P*. Der Kaufvertrag enthält in Pkt V. folgende Bestimmung:

„...

Die Liegenschaft ist als Bauland gewidmet. Die Aufschließungskosten wurden bereits bezahlt.

Die Verkäufer haften mit Ausnahme der in diesem Vertrag ausdrücklich gemachten Zusagen nicht für eine bestimmte Beschaffenheit, ein bestimmtes Erträgnis, Ausmaß oder eine bestimmte Eignung der kaufgegenständlichen Liegenschaft, wohl aber dafür, dass die vertragsgegenständliche Liegenschaft frei von bücherlichen und außerbücherlichen Lasten sowie Rechten Dritter ist. Weiters haften die Verkäufer dafür, dass keine Rückstände an öffentlichen Abgaben bestehen.

In allen Fällen ihrer Haftung sind die Verkäufer verpflichtet, die Käuferin schad- und klaglos zu halten.“

Mit Bescheid vom 20. 10. 2015 schrieb die Stadtgemeinde P* der Klägerin – unter Bezugnahme auf den von ihr erwirkten Baubewilligungsbescheid vom 22. 6. 2015 – Aufschließungskosten in Höhe von 36.929,91 EUR vor. Dieser Bescheid wurde der Klägerin am 27. 10. 2015 durch Hinterlegung zugestellt; sie erhob dagegen kein Rechtsmittel. Anlässlich einer Vorsprache bei der Stadtgemeinde erhielt sie zuvor die Auskunft, dass bisher keine Aufschließungskosten gezahlt worden seien; diese Auskunft entsprach den Tatsachen.

In der Folge überwies die Klägerin die vorgeschriebenen Aufschließungskosten in Höhe von 36.929,91 EUR an die Stadtgemeinde. Mit Schreiben vom 19. 11. 2015 forderte die Rechtsvertreterin der Klägerin gegenüber den Beklagten den Ersatz der Aufschließungskosten innerhalb von sieben Tagen. Die Beklagten zahlten den geforderten Betrag nicht.

Die Klägerin begehrte – gestützt auf den Rechtsgrund der Gewährleistung bzw des Schadenersatzes – die Zahlung von 37.029,91 EUR (Aufschließungskosten zuzüglich 100 EUR an Bankspesen für die Kontoüberziehung). Die Beklagten hätten für die Unrichtigkeit ihrer Zusage einzustehen, dass die Aufschließungskosten bereits bezahlt worden seien.

Die Beklagten entgegneten, dass die Stadtgemeinde der Klägerin die Aufschließungskosten – zufolge einer Grundstücksteilung – zu Unrecht vorgeschrieben habe. Die Klägerin wäre im Rahmen ihrer vertraglichen Nebenpflichten gehalten gewesen, gegen den Vorschreibungsbescheid ein Rechtsmittel zu erheben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Zusicherung der Schad- und Klagloshaltung durch die Beklagten sei als Erfüllungsübernahme im Sinn des § 1404 ABGB zu verstehen. Der Erfüllungsübernehmer (hier die Beklagten) könne dem Schuldner auch alle Einwendungen aus dem Verhältnis Schuldner-Gläubiger entgegensetzen. Die Beklagten seien als Erfüllungsübernehmer daher nur dann zur Zahlung des Klagsbetrags verpflichtet, wenn die Aufschließungskosten von der Stadtgemeinde zu Recht vorgeschrieben worden wären. Dies sei insbesondere wegen Verjährung jedoch nicht der Fall.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und dem Klagebegehren zur Gänze statt. Die Zusicherung der Beklagten über die Zahlung der Aufschließungskosten sei dahin zu verstehen, dass die Klägerin von der Behörde mit Aufschließungskosten nicht mehr belastet werde. Die Kaufsache sei daher mit einem Rechtsmangel behaftet gewesen. Die Klägerin habe demnach Anspruch auf Verbesserung durch Zahlung der von ihr entrichteten Aufschließungskosten sowie der Bankspesen für die Kontoüberziehung. Aus Anlass des Bescheids über die Vorschreibung der Aufschließungskosten habe die Klägerin nur überprüfen müssen, ob die Aufschließungskosten bereits bezahlt worden seien. Dies habe sie getan; ein (Mit‑)Verschulden sei ihr nicht anzulasten.

Rechtliche Beurteilung

Mit der gegen diese Entscheidung erhobenen außerordentlichen Revision zeigen die Beklagten keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor.

Auf die Frage, ob die Beklagten im Fall der Kenntniserlangung vom Vorschreibungsbescheid „tätig geworden wären“, kommt es nicht an. Die Klägerin macht mit ihrer Klage Schadenersatzansprüche aus dem Titel der Gewährleistung (§ 933a ABGB) geltend. Ob ihr aus diesem Rechtsgrund die beanspruchten Verbesserungskosten zustehen, betrifft die Rechtsfrage.

2.1 In rechtlicher Hinsicht meinen die Beklagten zunächst, dass die Klausel über die Zahlung der Aufschließungskosten nur dahin ausgelegt werden könne, dass der Klägerin eine Freiheit von berechtigten Forderungen an Aufschließungskosten zugesagt worden sei.

Dieser Auffassung ist nicht zu folgen.

2.2 Wer einem anderen eine Sache gegen Entgelt überlässt, leistet Gewähr, dass sie dem Vertrag entspricht. Er haftet also dafür, dass die Sache die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften sowie die zugesicherten Eigenschaften aufweist. Eine Leistung ist dann mangelhaft im Sinn des § 922 ABGB, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem vertraglich Geschuldeten zurückbleibt. Die Mangelhaftigkeit eines Leistungsgegenstands ist allerdings nicht abstrakt, sondern immer aufgrund des konkreten Vertrags zu beurteilen. Er muss demnach der Natur des Geschäfts oder der geschlossenen Verabredung entsprechend benützt und verwendet werden können (RIS‑Justiz RS0107680; RS0126729). Sach- und Rechtsmängel werden grundsätzlich gleich behandelt (RS0018480). Sachmängel sind Beeinträchtigungen der Substanz. Ein Rechtsmangel liegt vor, wenn der Veräußerer dem Erwerber nicht die Rechtsposition verschafft, die er ihm nach dem Vertrag hätte verschaffen müssen (5 Ob 119/19i mwN).

Für die Beurteilung der Mangelhaftigkeit einer Sache kommt es entscheidend auf die Vertragsauslegung an. Dafür ist maßgebend, was der Käufer als redlicher Erklärungsempfänger unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nach Treu und Glauben aus der Erklärung erschließen durfte (RS0114333). Fragen der Vertragsauslegung begründen im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage (RS0112106).

2.3 Gegenstand des zu beurteilenden Kaufvertrags war ein unbebautes Grundstück zum Zweck der Bebauung. Dazu haben die beklagten Verkäufer ausdrücklich zugesichert, dass die Aufschließungskosten bereits bezahlt wurden. Das vom Berufungsgericht erzielte Auslegungsergebnis, diese Klausel sei aus Sicht der Kläger dahin zu verstehen, dass sie von der Behörde mit Aufschließungskosten nicht mehr belastet werden, sie in dieser Hinsicht also effektiv keine Zahlungsverpflichtung treffe, ist nicht korrekturbedürftig. Ein redlicher Erklärungsempfänger musste gerade nicht erwarten, dass er mit der Vorschreibung von Aufschließungskosten konfrontiert wird. Gemessen an der Verkehrsauffassung konnte die Klägerin berechtigt davon ausgehen, dass die Aufschließungskosten für sie kein Thema mehr sind, was auch für den Kaufpreis von Bedeutung war.

2.4 Für das Fehlen dieser ausdrücklich zugesicherten Eigenschaft haben die Beklagten gewährleistungsrechtlich bzw schadenersatzrechtlich einzustehen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Kaufsache mit einem Rechtsmangel behaftet gewesen sei, begründet ebenfalls keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.

3.1 Weiters vertreten die Beklagten die Ansicht, dass zum Zeitpunkt der Übergabe der Liegenschaft „der Mangel des Bestehens einer Aufschließungsabgabenschuld“ nicht vorhanden gewesen sei.

Auch damit zeigen sie keine erhebliche Rechtsfrage auf.

3.2 Die fehlende Eigenschaft der Kaufsache betrifft die Zahlung der Aufschließungskosten gegenüber der Behörde. Entgegen der Ansicht der Beklagten haben sie nach dem Kaufvertrag die effektive Zahlung der Aufschließungskosten und nicht nur die Unterstützung der Klägerin (durch Kostenübernahme) bei der Abwehr eines entsprechenden Anspruchs der Gemeinde geschuldet.

4.1 Die Beklagten machen zudem geltend, dass der Übernehmer gemäß § 932 Abs 2 und 4 ABGB zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen könne und es dem Übergeber frei stehe, die Verbesserung nach bestem Wissen und Gewissen vorzunehmen, ohne sich vom Übernehmer dahin Vorschriften machen lassen zu müssen. Die Klägerin habe ihnen jedoch keine Verbesserungsmöglichkeit eingeräumt.

4.2 Richtig ist, dass der Übernehmer gemäß § 932 Abs 2 und 4 ABGB zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen kann, es sei denn, dass die Verbesserung oder der Austausch unmöglich ist oder für den Übergeber, verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre (5 Ob 119/19i mwN).

Für den hier geltend gemachten Schadenersatzanspruch nach § 933a ABGB bedeutet dies, dass geltend gemachte Mängelbehebungskosten (Verbesserungsaufwand als primärer Gewährleistungsrechtsbehelf) nur dann nicht zugesprochen werden können, wenn die Verbesserung oder der Austausch bzw die Ersatzvornahme faktisch unmöglich ist (RS0131269). Sonst kann der Verbesserungsaufwand oder das Deckungskapital verlangt werden; dabei handelt es sich um den Ersatz des Erfüllungsinteresses (RS0021755 [T4 und T7]). Als Geldersatz für den Mangelschaden gebühren daher – nach Wahl des Gewährleistungsberechtigten – die Verbesserungskosten, die Austauschkosten oder die Ersatzvornahmekosten (RS0131269).

4.3 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Klägerin – aus dem Titel des Schadenersatzes – ein Anspruch auf Verbesserung durch Zahlung der von ihr entrichteten Aufschließungskosten zustehe, hält sich im Rahmen der dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze. Die Verbesserung besteht in der Herstellung der geschuldeten Eigenschaft, also der Zahlung der Aufschließungskosten. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei den Kosten für ein Rechtsmittel gegen den Vorschreibungsbescheid um kein Verbesserungsäquivalent.

5.1 Die Beklagten führen auch noch ins Treffen, dass sie selbst kein Verschulden treffe und sie dem Begehren der Klägerin den Mitverschuldenseinwand an der Mangelentstehung entgegenhalten könnten.

5.2 Nach den Feststellungen haben weder die Klägerin noch die Beklagten vor Abschluss des Kaufvertrags bei der Stadtgemeinde nachgeprüft, ob die Aufschließungskosten tatsächlich bezahlt wurden. Demnach haben die Beklagten die Zusicherung über die Zahlung der Aufschließungskosten ohne weitere Erörterung mit der Klägerin zu diesem Thema abgegeben. Dazu haben sie auch nur vorgebracht, dass sich die Umstände über die (angeblich) fehlende Zahlungspflicht aus dem Bauakt ergäben.

Da die Beklagten jegliche Prüfung über die Entrichtung der Aufschließungskosten unterlassen haben, trifft sie an der Nichteinhaltung ihrer falschen Zusicherung ein Verschulden. Demgegenüber musste die Klägerin aufgrund der in Rede stehenden Zusicherung davon ausgehen, dass – im Fall der Nichtentrichtung der Aufschließungskosten – eine Zahlungsverpflichtung gegenüber der Gemeinde besteht.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin nach Zustellung des Vorschreibungsbescheids nur die Frage der Zahlung überprüfen, sie darüber hinaus aber keine Nachforschungen zur Rechtmäßigkeit der Vorschreibung hätte anstellen müssen, weshalb der Klägerin die Nichtbekämpfung des Vorschreibungsbescheids nicht als (Mit‑)Verschulden anzulasten sei, ist nicht korrekturbedürftig. Warum die Klägerin verpflichtet gewesen sein soll, im Bauakt zu recherchieren und aufgrund welcher Umstände sich daraus für einen Laien Anhaltspunkte für eine fehlende Zahlungsverpflichtung gegenüber der Behörde ergeben habe sollen, vermögen die Beklagten nicht näher zu begründen.

6.1 Schließlich zeigen die Beklagten auch mit ihren Ausführungen zur angeblich bloßen Erfüllungsübernahme keine erhebliche Rechtsfrage auf.

6.2 Die Frage, wie die vertragliche Klausel über die Schad- und Klagloshaltung zu verstehen ist, ist wiederum durch Auslegung zu klären. Mit der Wendung „in allen Fällen ihrer Haftung sind die Verkäufer verpflichtet, die Käuferin schad- und klaglos zu halten“, sollte bei redlichem Verständnis die Gewährleistungs- bzw Schadenersatzpflicht der Verkäufer verstärkt und nicht eingeschränkt werden. Sie ist daher als ergänzende Regelung dahin zu verstehen, dass die Beklagten in ihrem Haftungsbereich bei Inanspruchnahme durch Dritte jedenfalls auch eine Schad- und Klagloshaltung der Klägerin schulden. Die Zusicherung der Zahlung der Aufschließungskosten ist im Verhältnis dazu als Sonderregelung zu werten, bei deren Verletzung die gesetzlichen Gewährleistungs- bzw Schadenersatzansprüche unberührt bleiben. Mögliche Einwendungen aus dem „Schuldner-Gläubigerverhältnis nach § 1404 ABGB“ bleiben demnach unberücksichtigt.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass es nicht darauf ankomme, ob die Aufschließungskosten der Klägerin zu Unrecht vorgeschrieben worden seien, erweist sich daher ebenfalls als nicht korrekturbedürftig.

7. Insgesamt gelingt es den Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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