OGH 7Ob563/94

OGH7Ob563/9422.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut H***** GmbH & Co ***** KG, ***** vertreten durch Dr.Alexander Koch, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei E***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Alexander Puttinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wegen S 141.000,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 22.3.1994, GZ 4 R 216/93-37, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 9.Juni 1993, GZ 1 Cg 79/92-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.370,-- (darin enthalten S 1.395,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrt die Zahlung eines Betrages von S 141.000,--. Sie betreibe ein Versicherungsberatungs- bzw Kontrollbüro und habe mit der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei ein Versicherungsberatungsübereinkommen abgeschlossen. Aufgrund dieses Übereinkommens stehe ihr für die Zeit vom 1.3.1988 bis 28.2.1989 ein Pauschalhonorar in der Höhe von S 282.000,-- zu. Darauf habe die beklagte Partei nur S 141.000,-- in Teilzahlungen von je S 70.500,-- am 7.4. und 8.6.1988 geleistet, sodaß der Klagsbetrag aushafte.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Im März 1988 sei die bislang zwischen den Streitteilen bestehende Vereinbarung dahin abgeändert worden, daß der beklagten Partei ein vierteljährliches Kündigungsrecht des Versicherungsberatungsübereinkommens von der klagenden Partei eingeräumt worden sei. Gleichzeitig sei ausdrücklich festgehalten worden, daß die klagende Partei weder direkt noch indirekt Provisionen von Versicherungsgesellschaften aus Versicherungsverträgen für die Verträge der beklagten Partei beziehe. Nach der strafgerichtlichen Verurteilung des Geschäftsführers der klagenden Partei habe dieser am 11.5.1988 zugestanden, Provisionen von Versicherungen genommen zu haben. Er habe zugesagt, sich von seinen Maklerfirmen zu trennen und alle erhaltenen Beträge der beklagten Partei zukommen zu lassen. Trotz dieses erheblichen Vertrauensbruches habe die beklagte Partei im Hinblick auf die schon längere Zusammenarbeit nicht die sofortige Auflösung erklärt, sondern dem Geschäftsführer der klagenden Partei die Gelegenheit eingeräumt, die Angelegenheit ins Reine zu bringen. Da trotz mehrerer Urgenzen die Angelegenheit nicht bereinigt worden sei, sei mit Schreiben vom 29.8.1988 die fristlose Vertragsauflösung ausgesprochen worden. Die Vertragsauflösung werde zum einen darauf gestützt, daß der Geschäftsführer der klagenden Partei bei der Abwicklung von fingierten Schadensmeldungen mitgeholfen und dafür Beträge kassiert habe, zum anderen darauf, daß er von Versicherungen Provisionen bezogen habe, obwohl der Vertrag zwischen den Streitteilen nur ein Beratungsvertrag, nicht aber ein Maklervertrag gewesen sei. Die klagende Partei sei verpflichtet gewesen, die Interessen der beklagten Partei gegenüber Versicherungen im Zusammenhang mit dem Abschluß und der Überprüfung von Versicherungsverträgen zu vertreten. Die Entgegennahme von Provisionen von Versicherungen stelle eine unauflösbare Kollision dar, weil die mit einer Provision belasteten Versicherungsverträge teurer seien.

Die klagende Partei führte dazu aus, daß die beklagte Partei darüber informiert gewesen sei, daß die klagende Partei von einigen Versicherungsunternehmungen Vergütungen erhalte. Dies sei von der beklagten Partei auch akzeptiert worden. Mit diesen Provisionen sei eine Tätigkeit der klagenden Partei außerhalb des Beratungsübereinkommens abgegolten worden. Durch die Bezahlungen von Vergütungen sei der beklagten Partei kein Nachteil entstanden. Die fristlose Auflösung des Vertrages sei zu Unrecht erfolgt.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Es ging von nachstehenden wesentlichen Feststellungen aus:

Die klagende Partei wurde Ende der 70er Jahre als Holding, die alle bis dahin bestandenen Unternehmungen des Helmut H***** umfaßt, gegründet. Geschäftsführer ist seither Helmut H*****. Dieser hat am 15.2.1964 den Gewerbeschein für Beratung in Versicherungsangelegenheiten erworben. Er gründete zu Beginn der 70er Jahre die Firma Helmut H***** GmbH, für die am 15.2.1971 der Gewerbeschein für Versicherungsberatung ausgestellt wurde. Neben der Tätigkeit als Versicherungsberater war Helmut H***** auch faktisch als Versicherungsmakler tätig, wobei er für diese Tätigkeit nie einen Gewerbeschein anstrebte. Er gründete Ende 1975 für seine Tätigkeit als Versicherungsmakler, auch aus steuerlichen Gründen, die nicht im Firmenbuch eingetragene A***** GesmbH. Die klagende Partei erhielt am 21.2.1985 den Gewerbeschein als Berater in Versicherungsangelegenheiten. Helmut H***** betrieb daneben noch ein S***** Versicherungsdienst-Kontrollbüro und ein A***** Versicherungsmaklerbüro. Helmut H***** galt als beschlagener Fachmann mit großer Erfahrung und großem Wissen in der Versicherungsbranche und erwarb dadurch einen Kundenstock von etwa 140 Großfirmen im Bereich sogenannter Edelsparten des Versicherungswesens und damit eine erhebliche Marktmacht gegenüber österreichischen Versicherungsunternehmungen. Seit Beginn der 60er Jahre war Helmut H***** mit dem Stabsstellenleiter für Finanzen und Versicherungen der Firma F***** und später S***** AG, Johann R*****, beruflich bekannt. Es bestand seit Mitte der 70er Jahre eine ständige Geschäftsbeziehung. Aufgrund dieser Kontakte wurde jeweils auf die Dauer von fünf Jahren ein Versicherungsberatungsübereinkommen, dessen Inhalt stets gleichlautend war, geschlossen. Aufgabe H***** war es, alle Versicherungsverträge der beklagten Partei zu begutachten und Konzepte zur Prämiensenkung und zu inhaltlichen Verbesserungen der Stellung der beklagten Partei in solchen Verträgen aufzuzeigen. Im Versicherungsberatungsübereinkommen sind an Grundleistungen die Überprüfung sämtlicher Versicherungspolizzen auf ihre inhaltliche Zweckmäßigkeit und richtige Prämienberechnung, Regulierung von Versicherungsverträgen, Informationen über allgemein interessierenden Neuerungen und Änderungen im Versicherungswesen aufgezählt. Daneben wurden unter dem Titel "Sonderleistungen" nicht mehr definierte "übrige Leistungen" angeführt. Die beklagte Partei ging davon aus, daß auch der Abschluß von Versicherungsverträgen unter das Versicherungsberatungsabkommen falle, soweit der Inhalt im wesentlichen von der klagenden Partei durch deren Beratung vorgegeben war. Zunächst wurden daher neue Versicherungsverträge gemeinsam vom Vertreter der beklagten Partei und dem Geschäftsführer der klagenden Partei mit den Versicherungsanstalten ausgehandelt. Nach einigen Jahren der guten Geschäftsverbindung handelte der Geschäftsführer der klagenden Partei die Verträge im Alleingang mit den Versicherungen aus. Die Firmenkonstruktionen H***** waren der beklagten Partei nicht bekannt. Es lag ihr nur daran, daß der Geschäftsführer der klagenden Partei als Fachmann persönlich für die beklagte Partei aktiv tätig wurde. Er erhielt für seine Tätigkeit eine Pauschalhonorar für Beratungen, das seit 1984 jährlich S 235.000,-- inklusive USt betrug. Zusätzlich dazu erhielt er bei Änderung von Versicherungsverträgen, die eine wesentliche Besserung für die beklagte Partei darstellten, ein Erfolgshonorar in der Höhe von 50 % der ersparten Jahresprämie. Auch die Liquidierung von Schadensfällen sollte gesondert honoriert werden. In den letzten Jahren der Zusammenarbeit kam dem Vertreter der beklagten Partei immer wieder von Versicherungsunternehmungen gerüchteweise zu Ohren, daß der Geschäftsführer der klagenden Partei bzw seine Unternehmen nicht nur für die Beratungen Geld erhielten, sondern daß dafür auch Maklerprovision verlangt und bezahlt werde. Der Vertreter der beklagten Partei sprach den Geschäftsführer der klagenden Partei auf diesen Punkt an. Dieser erklärte, daß solche Gerüchte nur das Mißtrauen zwischen ihm und dem Auftraggeber schüren sollten; er könne sich eine derartige Vorgangsweise gar nicht leisten, weil diesen Ruf seiner Unabhängigkeit und den eines harten Verhandlers untergrabe.

Der Geschäftsführer der klagenden Partei erhielt im Rahmen einer faktischen Versicherungsmaklertätigkeit Provisionen von verschiedenen Versicherungen. Diese Provisionen flossen entweder an den Geschäftsführer der klagenden Partei oder an seine Unternehmen. Er erhielt allein von der B*****versicherung in der Zeit von 1979 bis Oktober 1985 Entgelte in der Höhe von rund S 10 Mio. Wegen dieser Entgelte wurden ab April 1986 im Zuge des sogenannten "B*****skandals" erstmals konkrete Vorerhebungen gegen den Geschäftsführer der klagenden Partei durchgeführt. Der Vertreter der beklagten Partei erfuhr davon aus der Zeitung und wurde auch darüber informiert, daß der Geschäftsführer der klagenden Partei auch von anderen Versicherungsunternehmungen Provisionen erhalten habe. Am 1.3.1988 legte die klagende Partei eine Pauschalhonorarnote für den Zeitraum vom 1.3.1988 bis 28.2.1989 über S 282.000,-- inklusive USt. Die beklagte Partei, die nicht in den B*****skandal über die klagende Partei verwickelt seien wollte, antwortete auf diese Honorarnoten mit Schreiben vom 28.3.1988 und ersuchte die klagende Partei, für die Restlaufzeit des Übereinkommens, ihr ein vierteljährlichen Kündigungsrecht einzuräumen. Sie behielt sich vor, bei einer gegebenen Veranlassung vom Kündigungsrecht zum jeweiligen Quartal Gebrauch zu machen. Es wurde auch klargestellt, daß zwischen den Vertragsparteien Einverständnis darüber bestehe, daß weder die klagende Partei noch einer ihrer Gesellschafter bzw Mitarbeiter berechtigt sei, Vergütungen, welcher Art auch immer, im Zusammenhang mit der Tätigkeit aus bestehenden Übereinkommen von Versicherungsgesellschaften oder sonstigen Dritten entgegenzunehmen. Dieses Schreiben wurde vom Geschäftsführer der klagenden Partei in einem Telefonat vom 12.4.1988 nicht zur Kenntnis genommen. Die klagende Partei teilte mit Schreiben vom 9.5.1988 mit, daß der Geschäftsführer der klagenden Partei am 5.5.1988 zu einer empfindlichen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei.

Am 11.5.1988 fand zwischen dem Geschäftsführer der klagenden Partei und den Vertretern des Rechtsvorgängers der beklagten Partei ein Gespräch statt, in welchem der Abschluß von Versicherungen mit einem europäischen Versicherungsunternehmen erörtert wurde. Im Rahmen dieses Gespräches wurde auch die Frage des Strafverfahrens und des Erhaltes von Provisionen seitens der B*****versicherung erörtert. Der Geschäftsführer der klagende Partei gestand nun zu, Provisionen von anderen Versicherungen für Versicherungsverträge der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei bzw der beklagten Partei erhalten zu haben und weiters, daß diese Maklertätigkeit vom Versicherungsberatungsübereinkommen nicht erfaßt gewesen sei, erklärte aber, daß die beklagte Partei bzw deren Rechtsvorgängerin als Vollkaufleute diese Vorgangsweise wissen hätte müssen. Die Vertreter der beklagten Partei vertraten den Standpunkt, daß sie die Annahme von Provisionen im Hinblick auf die Gefährdung seiner Unabhängigkeit nicht tolerieren. Sie forderten den Geschäftsführer der klagenden Partei auf, Vorschläge zur Bereinigung aller Probleme zu machen und legten ihm im Hinblick auf seine erstinstanzliche Verurteilung nahe, aus seinen Unternehmungen auszuscheiden.

Der Geschäftsführer der beklagten Partei arbeitete auch noch weiter für die beklagte Partei; insbesondere beauftragte ihn ein Vertreter der beklagten Partei am 12.7.1988, eine Deckungserhöhung bzw den Einschluß weiterer Risikoorte in eine Bündelversicherung bei der W***** Versicherungs AG durchzuführen. Dennoch wurde beim Geschäftsführer der klagenden Partei immer urgiert, die beim Gespräch im Mai 1988 getroffene Vereinbarung über den Verkauf seiner Unternehmungen und die Frage der Provisionszahlungen zu lösen. Der Geschäftsführer der klagenden Partei verhielt sich hinhaltend, weshalb der Vertreter der beklagten Partei mit Schreiben vom 29.8.1988 das Versicherungsberatungsübereinkommen mit sofortiger Wirkung mit der Begründung kündigte, daß die Vertrauensbasis für ein gedeihliches Zusammenarbeiten zusammengebrochen sei, weil der Geschäftsführer der klagenden Partei als Versicherungsberater von Versicherungsunternehmungen Provisionen genommen habe und Lösungsvorschläge für eine weitere Zusammenarbeit nicht vorgelegt worden seien.

Mit Schreiben vom 13.10.1988 teilte die klagende Partei der beklagten Partei mit, daß sie deren Standpunkt im Schreiben vom 29.8.1988 nicht akzeptiere. Sie verwies darauf, daß sie trotz Kenntnis der Provisionsannahme seit Mai 1988 nach wie vor für die beklagte Partei gearbeitet habe, daß also das Wissen um die Provisionsannahme von Versicherungsunternehmungen eine weitere Zusammenarbeit nicht gehindert habe; ein Vertrauensbruch könne daher nicht mehr angenommen werden.

Das Erstgericht hielt noch fest, daß der Oberste Gerichtshof der erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Helmut H***** mit Urteil vom 6.9.1990 Folge gegeben, das Ersturteil zur Gänze aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückverwiesen habe. Die Staatsanwaltschaft Wien habe am 31.7.1992 den Verfolgungsantrag zurückgezogen.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß zwar eine zivilrechtliche Definition des Versicherungsmaklers oder des Kontrollbüros (Versicherungsberaters) dem österreichischen Recht fremd sei, daß aber das Gewerbe des Versicherungsberaters dem Gewerbe des Versicherungsmaklers fachlich nahestehend und überschneidend sei, weil das Objekt bei der gewerblichen Tätigkeit im wesentlich gleich sei. Helmut H***** habe den Abschluß von Versicherungsverträgen hinsichtlich der beklagten Partei als Versicherungsberater übernommen und dafür ein Pauschalhonorar erhalten. Eine gesonderte Vergütung könne nicht verlangt werden, wenn die Geschäftsbesorgung im Rahmen eines umfassenderen Rechtsverhältnisses erscheine, in dem sie bereits durch die Gegenleistung des anderen Teiles abgegolten werde. Die klagende Partei sei verpflichtet gewesen, die beklagte Partei ausdrücklich auf ihre Maklertätigkeit hinzuweisen, sofern diese nicht von der Beratertätigkeit umfaßt gewesen sei. Wesentlicher Teil eines Versicherungsberatungsverhältnisses sei das Verbot einer Doppelvertretung und damit die Entgegennahme einer Provision seitens der klagende Partei durch Versicherungen der beklagten Partei. Eine jahrelange Umgehung dieser Vereinbarung durch die klagende Partei stelle einen Vertrauensbruch dar. Dieser rechtfertige die Auflösung des als Dauerschuldverhältnis zu bezeichnenden Vertragsverhältnisses. Die Auflösung sei auch rechtzeitig erfolgt, weil auch die Verwicklung in ein Strafverfahren nicht sofort zur Auflösung eines Vertragsverhältnisses führen müsse und auch die vom Vertreter der beklagten Partei gewählte Vorgangsweise, dem Geschäftsführer der klagenden Partei die Möglichkeit einzuräumen, nach der erstinstanzlichen Verurteilung in Ruhe sein Unternehmen zu verkaufen oder anderweitig zu verwerten und damit auch die Provisionsfrage zu erledigen, richtig sei. Bedenke man, daß Verwertungshandlungen nicht überstürzt vorgenommen werden sollten, sei eine Lösungsfrist aller anstehenden Probleme von rund vier Monaten unter Berücksichtigung der Sommerzeit angemessen. In diesem Schwebezustand sei auch die weitere Tätigkeit des Vertragspartners nicht verboten.

Das Berufungsgericht gab der von der klagenden Partei erhobenen Berufung nicht Folge. Es stellte seinen rechtlichen Erwägungen voraus, daß die Gewerbeordnung 1973 zwischen den gebundenen Gewerben des Beraters in Versicherungsangelegenheiten und des Versicherungsmaklers unterscheide. Letztere seien auch berechtigt, ihre Auftraggeber über die für sie vermittelten oder in ihrem Namen und auf ihre Rechnung abgeschlossenen Verträge zu beraten, doch finde sich keine gesetzliche Regelung, daß dem Versicherungsberater als solchem auch Tätigkeiten erlaubt seien, die in den Tätigkeitsbereich des Versicherungsmaklers fielen. Entgegen der von Mache/Kinscher, GewO5, § 103, Anm 52 und 53, und der vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung 12 Os 52/90 vertretenen Meinung, wonach der Berater in Versicherungsangelegenheiten auch aus gewerberechtlicher Sicht befugt sei, den Abschluß von Versicherungsverträgen zu vermitteln, sei die Vermittlung von Versicherungsverträgen und das Erstellen von Versicherungsofferten den Versicherungsmaklern vorbehalten (ÖBl 1976, 67). Auf den vorliegenden Vertrag sei die Bestimmung des § 1009 ABGB anzuwenden, sodaß auch den Berater eine umfassende Treuepflicht treffe, deren Verletzung den Geschäftsherrn zur vorzeitigen Auflösung des Vertrages berechtige. Aus dieser Bestimmung folge auch die Pflicht zur einseitigen Interessenwahrnehmung zugunsten des Versicherungsinteressenten bzw des Versicherungskunden. Diese sei einem Versicherungsberater, der zugleich eine Versicherungsmaklertätigkeit ausübe, nicht möglich, weil beim Versicherungsmakler die Bemessung einer den Maklerlohn berücksichtigenden Prämie - wirtschaftlich gesehen - letztlich doch den Versicherungsnehmer belaste. Es stelle daher einen wichtigen, zur soforten Vertragsauflösung berechtigenden Grund dar, wenn der Versicherungsberater für zuvor in dieser Eigenschaft mit den Versicherungen ausgehandelte Versicherungsverträge nach Vertragsabschluß eine Provision von den Versicherungen verlange, erhalte und behalte. Der Vertrauensverlust der beklagten Partei sei auch deshalb begründet, weil der schon vor dem März 1988 erfolgte Bezug von Provisionen totz diesbezüglicher Vorhalte durch die beklagte Partei vom Geschäftsführer der klagenden Partei wahrheitswidrig bestritten worden sei. Die beklagte Partei habe den Vertrag deshalb berechtigt vorzeitig aus wichtigem Grund aufgelöst. Eine strafgerichtliche Verurteilung des Helmut H***** sei diesbezüglich irrelevant. Alle Dauerschuldverhältnisse könnten aus einer Analogie zu der einzelne Schuldverhältnisse betreffenden jeweiligen gesetzlichen Regelung aufgelöst werden. Die Erklärung der vorzeitigen Auflösung eines Dienstverhältnisses müsse grundsätzlich unverzüglich nach Kenntnis des Vertragspartners vom Vorliegen eines wichtigen Auflösungsgrundes erfolgen. Der Verstoß gegen den Grundsatz der unverzüglichen Geltendmachung führe zur Annahme eines schlüssigen Verzichtes. Die klagende Partei habe es aber im Verfahren erster Instanz unterlassen, einen derartigen Verzicht zu behaupten oder den Einwand der Verjährung zu erheben. Auf die Berufungsausführungen zur Frage der Rechtzeitigkeit der Auflösungserklärung müsse daher nicht eingegangen werden.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Umschreibung der Tätigkeit eines Beraters in Versicherungsangelegenheiten lediglich die Wettbewerbsfragen behandelnde Entscheidung ÖBl 1976, 67 vorliege und weil es von der Entscheidung 12 Os 52/90 zumindest teilweise abgewichen sei. Es bestehe auch keine Judikatur darüber, ob bei Dauerschuldverhältnissen die mangelnde Rechtzeitigkeit der Auflösungserklärung eingewendet müsse.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der klagenden Partei erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Die Revision stellt nicht in Abrede, daß die klagende Partei lediglich mit der Beratung der beklagten Partei in Versicherungsangelegenheiten, nicht aber auch mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen beauftragt war, will aber aus dem Umstand, daß der Geschäftsführer der klagenden Partei nach einigen Jahren der guten Geschäftsabwicklung "alleine" Verträge mit Versicherungen für die beklagte Partei ausgehandelt habe, herauslesen, daß die beklagte Partei mit dieser Tätigkeit eines Versicherungsmaklers einverstanden gewesen sei. Sei aber die klagende Partei auch als Versicherungsmakler aufgetreten, sei sie berechtigt, die branchenübliche Courtage zu beziehen. Ein derartiger Bezug könne nicht als Verstoß gegen die dem Berater in Versicherungsangelegenheiten obliegende Treueverpflichtung gegenüber dem Auftraggeber angesehen werden.

Letzteren Rechtsausführungen ist allerdings nicht zu folgen.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich in seinen Entscheidungen vom 16.12.1975, 4 Ob 351/75, (ÖBl 1976, 67 = VersR 1977, 557), bzw vom 11.12.1984, 4 Ob 358 - 365/83 (ÖBl 1985, 71), sowie in der im Strafverfahren gegen den Geschäftsführer der klagenden Partei ergangenen Entscheidung vom 6.12.1990, 12 Os 52/90, über den Umfang der Gewerberechtigung eines "Beraters in Versicherungsangelegenheiten" auseinanderzusetzen. In der erstgenannten Entscheidung wurde ausdrücklich festgehalten, daß zur Beurteilung des Gewerberechtsumfanges der Wortlaut des Gewerbescheines im Zusammenhalt mit den einschlägigen Rechtsvorschriften maßgebend sei; wenn dies nicht ausreiche, seien dafür unter anderem die historische Entwicklung und die in den beteiligten gewerblichen Kreisen bestehenden Anschauungen und Vereinbarungen heranzuziehen. Das Gewerbe des Beraters in Versicherungsangelegenheiten sei nach Einführung durch Art 8 GewONov 1934 BGBl II 323 und § 1a Abs 1 lit b Z 35 der GewO eingeführt und dem Wortlaut nach unverändert in die Gewerbeordnung 1973 (§ 103 Abs 1 lit b Z 2, nunmehr § 124 Z 3 GewO 1994) eingeführt worden. Das Revisionsgericht hat daher unter Berufung auf die von Heller (Kommentar zur GewO 1937 I, 146) vertretene Rechtsmeinung ausdrücklich ausgeführt, daß die Vermittlung von Versicherungsverträgen und das Stellen von Versicherungsofferten dem Gewerbe der Versicherungsmakler vorbehalten sei. Diese seien auch berechtigt, ihre Auftraggeber über die für sie vermittelten oder in ihren Namen und auf ihre Rechnung abgeschlossenen Versicherungsverträge zu beraten (nunmehr § 173 GewO 1994). In der letztgenannten Entscheidung ist das Revisionsgericht, der von Mache/Kinscher (Kommentar zur Gewerbeordnung FN 52, 53 zu § 103 GewO) vertretenen Rechtsmeinung folgend, zur Auffassung gekommen, daß auch der Berater in Versicherungsangelegenheiten aus gewerberechtlicher Sicht befugt sei, den Abschluß von Versicherungsverträgen zu vermitteln, und hat darauf verwiesen, daß das Gewerbe des Beraters in Versicherungsangelegenheiten und jenes des Versicherungsmaklers jedenfalls so verwandt seien, daß sich der Gesetzgeber entschlossen habe, sie im Rahmen der gebundenen Gewerbe an denselben Befähigungsnachweis zu binden.

Ob aber die klagende Partei aus gewerberechtlicher Sicht befugt war, auch Versicherungsverträge zu vermitteln, muß hier nicht abschließend beurteilt werden.

Auszugehen ist nämlich von dem zwischen den Streitteilen geschlossenen Versicherungsberatungsüberein= kommen. Nach diesem Beratungsübereinkommen sollte die klagende Partei sämtliche Versicherungspolizzen der beklagten Partei auf ihre inhaltliche Zweckmäßigkeit und richtige Prämienberechnung überprüfen und auch Anträge zum Abschluß von Versicherungsverträgen vor Unterfertigung durch die beklagte Partei begutachten. Gegenstand des Übereinkommens war auch die Regulierung von Versicherungsverträgen, die auf Wunsch der beklagten Partei aufgrund von sich ändernden Versicherungswerten, Bedingungen und -Tarifen vorgenommen wurden, sowie die Beratung der beklagten Partei über die Notwendigkeit der Abdeckung neu entstandener Risiken und die Information über allgemein interessierende Neuerungen und Änderungen im Versicherungswesen. Neben diesen Grundleistungen sollten weitere Leistungen, die über gesonderten Auftrag der beklagten Partei erbracht wurden, wie die Liquidation von Schadensfällen sowie die Einholung von Gutachten, gesondert honoriert werden. Zur Erfüllung dieser Aufgaben sollte der klagenden Partei eine Vollmacht erteilt werden, damit diese im Rahmen ihrer Gewerberechtigung als direkter Vertreter gegenüber Dritten einschreiten könne.

Im Vordergrund des Vertrages stand daher die Beratung der beklagten Partei durch die klagende Partei in Versicherungsangelegenheiten. Nur so ist es auch zu verstehen, daß der Geschäftsführer der klagenden Partei nach den Feststellungen des Erstgerichtes ausdrücklich betonte, keinerlei Maklerprovisionen von Versicherungsgesellschaften zu erhalten, weil dies den Ruf seiner Unabhängigkeit und den eines harten Verhandlers untergraben würde. Damit hat sich die klagende Partei verpflichtet, einseitig die Interessen der beklagten Partei wahrzunehmen und zu vertreten. Auf diese Interessenwahrnehmung konnte die beklagte Partei vertrauen. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht auf die auf diesen Beratungsvertrag sinngemäß anzuwendende Bestimmung des § 1009 ABGB und die daraus gefolgerte umfassende Treuepflicht (Strasser in Rummel2 Rz 17 zu § 1009 ABGB; EvBl 1988/5) verwiesen.

Entgegen der in der Revision vertretenen Rechtsmeinung ist ein Verstoß gegen diese Treuepflicht auch darin zu erblicken, daß der lediglich als "Berater in Versicherungsangelegenheiten" auftretende Vertreter der klagenden Partei auch Versicherungsverträge vermittelt und hiefür die handelsüblichen Provisionen der Versicherungsgesellschaft bezieht, weil dies für den Vertretenen den Eindruck erwecken muß, daß der Berater nicht mehr uneigennützig und unabhängig auftreten kann. Soweit die Revision davon ausgeht, daß Provisionszahlungen für von der klagenden Partei vermittelte Versicherungsverträge der beklagten Partei nicht festgestellt wurden, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, weil dies ausdrücklich festgehalten wurde (Ersturteil S 10). Aus dem Hinweis, daß die klagende Partei im Laufe der Geschäftsbeziehung berechtigt war, selbständige Verträge abzuschließen, ist nichts gewonnen, weil auch bei diesem Sachverhalt die beklagte Partei jedenfalls davon ausgehen konnte, daß ihre Vertretung durch die klagende Partei ausschließlich in ihrem Interesse erfolgen werde. Daß die Entgegennahme von Provisionszahlungen durch Versicherungsgesellschaften dieser Annahme entgegenstehen, wurde bereits ausgeführt.

Bei diesem Sachverhalt ist es auch weiters ohne Bedeutung, ob das gegen den Geschäftsführer der erstklagenden Partei geführte Strafverfahren in der Folge aufgehoben wurde.

Auch in der Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Auflösungserklärung ist dem Berufungsgericht ein Rechtsirrtum nicht unterlaufen.

Ob dem Vorbringen der klagenden Partei die Behauptung der Verfristung der Auflösungserklärung zu entnehmen ist, kann dahingestellt bleiben. Ein Verzicht auf die Geltendmachung eines berechtigten Auflösungsanspruches ist nämlich nur dann anzunehmen, wenn ein solcher unter Berücksichtigung aller Umstände (§ 863 ABGB) anzunehmen ist.

Nach den Feststellungen hat die beklagte Partei erstmals am 11.5.1988 von den zuvor bestrittenen Provisionszahlungen erfahren. Bei diesem Gespräch wurde der Geschäftsführer der klagenden Partei ausdrücklich aufgefordert, die entstandenen Probleme zu lösen, was dieser auch zusagte. In der Folge wurde er immer wieder aufgefordert, den in Aussicht gestellten Verkauf seines Unternehmens durchzuführen. Zur endgültigen Auflösungserklärung kam es deshalb, weil sich der Geschäftsführer der klagenden Partei hinhaltend verhielt.

Bei diesem Sachverhalt kann keinesfalls davon ausgegangen werden, daß die beklagte Partei auf die Geltendmachung ihres Auflösungsrechtes verzichtete, mußte sie doch davon ausgehen, daß der Geschäftsführer der klagenden Partei von sich aus Schritte zur Behebung der entstandenen Probleme unternehmen werde.

Der unberechtigten Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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