OGH 4Ob561/77

OGH4Ob561/776.12.1977

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Vogel als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*gesellschaft m.b.H. als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der A* AG *, vertreten durch Dr. Otto Reimer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ö* AG, *, vertreten durch Dr. Armin Paulitsch, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 8.803.207,89 samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 8. Juni 1977, GZ 6 R 85/77‑14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 2. März 1977, GZ 40 b Cg 342/75‑9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0040OB00561.77.1206.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 35.136,53 bestimmten Kosten des. Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von S 7.800,-- und Umsatzsteuer von S 2.024,93) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen der A* AG (in der Folge A* genannt) wurde am 21. März 1975 der Anschlußkonkurs eröffnet; die klagende Partei wurde zum Masseverwalter bestellt. Nach einer am 3. September 1974 angeordneten Geschäftsaufsicht war am 25. November 1974 ein Ausgleichsverfahren eröffnet worden.

Am 19. August 1974 schuldete die A* der beklagten Partei die Rückzahlung einer kurzfristig gewährten Geldsumme von S 10,000.000,-- (Taggeld). Für diesen Betrag hatte die A* der beklagten Partei keinerlei Sicherheiten bestellt. Am 20. August 1974 räumte die beklagte Partei der A* einen besicherten Kredit von S 9.600.000,-- ein. Die A* deckte zu Lasten dieses Kredites ihre Taggeldverbindlichkeit gegenüber der beklagten Partei ab. Zur Besicherung der Kreditforderung trat die A* der beklagten Partei listenmäßig erfaßte Forderungen gegen Bankkunden aus Autokrediten mit einer Gesamtsumme von über S 12.000.000,-- ab. Die beklagte Partei vereinnahmte aus diesen ihr abgetretenen Forderungen den der Höhe nach außer Streit stehenden Klagsbetrag von S 8.803.207,89.

Die klagende Partei als Masseverwalter im Konkurs über das Imogen der A* ficht mit der vorliegenden Klage die erwähnten Forderungsabtretungen und die Einziehung der auf Grund dieser Zessionen gezahlten Beträge aus den Gründen des § 30 Abs 1 Z 1 und des § 31 Abs 1 Z 2 KO an. Sie begehrt, die Abtretung der in ihrem Klagebegehren im einzelnen bezeichneten Forderungen den Konkursgläubigern gegenüber für unwirksam zu erklären und verlangt die Zahlung von S 8.803.207,89 samt Anhang.

Die klagende Partei stützte ihr Begehren darauf, daß die Zahlungsunfähigkeit der A* bereits vor dem 20. August 1974 eingetreten sei. Das am 20. August 1974 fällig gewesene Taggeld sei eine unbesicherte Forderung der beklagten Partei gewesen. Die beklagte Partei habe keinen vertraglichen Anspruch auf Besicherung dieser Forderung gehabt. Punkt 23 Abs 1 der AGB sei zwischen der A* und der beklagten Partei nicht als Vertragsbestandteil vereinbart gewesen. Die AGB seien auf Interbankgeschäfte überhaupt unanwendbar und müßten auf jeden Fall zwingendem Recht weichen. Durch die Vereinbarung vom 20. August 1974 sei lediglich das fällige Taggeld in eine mit Jahresende fällige befestigte Kontokorrentverbindlichkeit abgeändert worden. Darin sei kein neues selbständiges Rechtsgeschäft zu erblicken, bei dessen Abschluß eine im synallagmatischen Austauschverhältnis übliche Sicherheit versprochen und eingeräumt worden sei, sondern es handle sich lediglich um einen banktechnischen Vorgang mit dem Ziel, eine bisher unbesicherte Forderung zu besichern. Da dieser Vorgang in die 60-Tagefrist vor Anordnung der Geschäftsaufsicht falle, seien die Sicherungsabtretungen nach § 30 Abs 1 Z 1 KO anfechtbar. Im übrigen sei der beklagten Partei am 20. August 1974 die Zahlungsunfähigkeit der A* bekannt gewesen; zumindest hätte sie ihr bekannt sein müssen. Es liege daher auch der Anfechtungsgrund nach § 31 Abs 1 Z 2 KO vor.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und wendete ein, daß sie am 20. August 1974 die Zahlungsunfähigkeit der A* nicht gekannt habe. Sie habe auch nicht annehmen müssen, daß die als renommiertes Institut bekannte A* in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sei. Die auf Konto ordinario verbuchte Kreditgewährung sei ein von der Taggeldschuld völlig unabhängiges Bankgeschäft gewesen. Davon abgesehen hätte die beklagte Partei im Sinne des Punktes 23 der AGB einen Vertragsanspruch auf bankmäßige Sicherstellung der Taggeldschuld besessen. Der beklagten Partei habe daher die eingeräumte Deckung durch Forderungsabtretungen gebührt, überdies sei der Anfechtungsanspruch wegen Verstreichens der im § 43 Abs 2 KO normierten Jahresfrist erloschen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es stelle - abgesehen von dem bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt - im Wesentlichen folgendes fest:

Nach den Feststellungen der klagenden Partei war die A* zumindest seit Mai/Juni 1974 zahlungsunfähig. Am 5. August 1974 fand im Bundesministerium für Finanzen eine Besprechung über die Lage der A* statt, an der unter anderem je ein Vertreter der C* und der L* teilnahmen, nicht aber ein Vertreter der beklagten Partei. Den beiden erwähnten Banken, war auf Grund dieser Besprechung die Zahlungsunfähigkeit der A* bekannt. Ein Filialleiter der C* und der Chef Syndikus der L* machten davon der „klagenden Partei“ (Dkfm. L*) Mitteilung. Zumindest in den ersten Augusttagen 1974 war die Situation der A* in Bankkreisen notorisch.

In der Zeit zwischen 1. Juli (richtig 7. Jänner) bis 12. August 1974 - wurden der A* von der beklagten Partei 14 kurzfristige unbesicherte Taggeldkredite (= Ultimogeld) gewährt. Am 19. August 1974 wären S 10.000.000,-- kurzfristig depiliertes Taggeld fällig gewesen. An diesem Tag sprach Direktor R* von der A* bei der beklagten Partei vor und ersuchte dringend um Verlängerung des Taggeldkredites. Er begründete dies damit, daß die A* wegen Abdispositionen im Auslandsgeschäft nicht in der Lage sei, die fällige Taggeldverbindlichkeit aus eigenen Mitteln abzudecken. Die beklagte Partei lehnte dieses Ersuchen zwar ab, bot aber eine Kreditgewährung auf gedeckter Basis an; der Grund hiefür waren die Abdispositionen im Auslandsgeschäft bei der A*.

Auf Grund des von der beklagten Partei am 20. August 1974 eingeräumten Kontokorrentkredites floß der A* keine Kreditvaluta zu. Er wurde vielmehr zur Abdeckung der ungesicherten Taggeldverbindlichkeit verwendet. Diese Vorgänge wurden sowohl bei der beklagten Partei als auch bei der A* entsprechend verbucht.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß gemäß § 10 Abs 4 GeschäftsaufsichtsG die 60-tägige Frist des § 30 Abs 1 KO, soweit sie vom Antrag auf Konkurseröffnung zurückzurechnen wäre, von dem Tag zu berechnen sei, an dem die Geschäftsaufsicht in Wirksamkeit getreten sei. Die angefochtenen Sicherungsabtretungen fielen daher in die kritische Frist. Sie stellten eine inkongruente Deckung dar, weil die Gewährung eines Kontokorrentkredites zur Abdeckung der Verbindlichkeit aus dem Taggeld nur einen banktechnischen Buchungsvorgang bedeute. Punkt 23 der AGB begründe keine unterschiedliche Qualifikation dieser beiden Kreditarten. Im Ergebnis habe die beklagte Partei den aus dem Taggeld geschuldeten Betrag weiterkreditiert. Daher liege eine nachträgliche Einräumung von Sicherheiten vor, die in die kritische 60-Tagefrist falle. Durch diese Sicherstellung sei die beklagte Partei vor den anderen Gläubigern objektiv begünstigt worden. Die Abtretungen seien daher den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam. Das Anfechtungsrecht des Masseverwalters sei nicht erloschen, weil die Jahresfrist des § 43 Abs 2 KO ab der Konkurseröffnung und nicht ab der Anordnung der Geschäftsaufsicht zu berechnen sei. Da das Klagebegehren schon im Sinne des § 30 Abs 1 Z 1 KO berechtigt sei, sei auf den Anfechtungstatbestand des § 31 Abs 1 Z 2 KO nicht mehr einzugehen. Allerdings habe der beklagten Partei am 19. August 1974 die eingetretene Zahlungsunfähigkeit der A* bekannt sein müssen, weil nur damit die plötzliche Ablehnung der Gewährung eines weiteren unbesicherten Taggeldkredites durch die beklagte Partei erklärbar sei und diese von der Situation der A*, die zumindest in den ersten Augusttagen 1974 in Bankkreisen notorisch gewesen sei, genaue Kenntnis haben mußte.

Der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung der beklagten Partei gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,-- übersteigt.

Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen der von der beklagten Partei geltend gemachten Verfahrensmängel. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes mit der Einschränkung, daß es - ohne Beweiswiederholung - seinerseits Feststellung traf, daß die Finanzlage der A* in Wiener Bankkreisen am 19. August 1974 notorisch war.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, daß der Umstand, daß in den betroffenen Verkehrskreisen der Wiener Kreditinstitute die Zahlungsunfähigkeit der A* bereits allgemein bekannt gewesen sei, den Schluß zulasse, daß der beklagten Partei die Zahlungsunfähigkeit der A* zumindest hätte bekannt sein müssen. Habe doch der Direktor der A* erklärt, den Kredit wegen Abdispositionen im Auslandsgeschäft nicht aus eigenen Mitteln der A* zurückzahlen zu können. Bereits dies hätte die beklagte Partei zu entsprechenden Erkundigungen veranlassen müssen. Sie habe nicht vor Tatsachen, die in Bankkreisen allgemein bekannt gewesen seien, die Augen verschließen dürfen. Damit sei der Anfechtungstatbestand nach § 30 Abs 1 Z 2 KO erfüllt, sodaß sich eine Prüfung des Anfechtungsgrundes nach § 30 Abs 1 Z 1 KO erübrige.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei. Sie bekämpft es seinem gesamten Inhalt nach aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die klagende Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

In Ausführung des Revisionsgrundes nach § 503 Z 2 ZPO rügt die beklagte Partei, daß das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung von den Feststellungen des Erstgerichtes abgewichen sei, wenn es festgestellt habe, daß die Finanzlage der A* am 19. August 1974 in Wiener Bankkreisen notorisch war. Dem ist zu entgegnen, daß das Erstgericht die Feststellung getroffen hat, daß die Situation der A* zumindest in den ersten Augusttagen 1974 in Bankkreisen notorisch war. Wenn das Berufungsgericht in Erledigung der diesbezüglichen Tatsachenrüge der beklagten Partei zu der oben wiedergegebenen Feststellung kam, dann hat es in Wahrheit die Feststellung des Erstgerichtes - mit einer für die Beurteilung dieses Rechtsstreites unwesentlichen geringfügigen zeitlichen Einschränkung - übernommen, ist aber nicht zu von den Feststellungen des Erstgerichtes abweichenden entscheidungswesentlichen Tatsachenfeststellungen gelangt. Unter diesen Umständen kann aber nicht davon gesprochen werden, daß das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes abgewichen wäre; der gerügte Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

Die von den beiden Vorinstanzen in Wahrheit übereinstimmend getroffene Tatsachenfeststellung, daß die wirtschaftliche Situation (Zahlungsunfähigkeit) der A* in Wiener Bankkreisen am 19. August 1974 notorisch war, ist als solche der Überprüfung im Revisionsverfahren entzogen und für den Obersten Gerichtshof bindend. Die im Rahmen der Rechtsrüge der beklagten Partei aufgestellte Behauptung, die Ableitung dieser Feststellung aus der Aussage des DiplKfm. L* (ON 8 S 49) widerspreche den Regeln der Logik, ist unzutreffend. Die Aussage, daß sich in der zweiten Augusthälfte 1974 die Zahlungsunfähigkeit der A* in Wien herumgesprochen hatte, deckt vielmehr ohne weiteres die Feststellung, daß die Zahlungsunfähigkeit der A* am 19. August 1974, der ja in der zweiten Augusthälfte liegt, in Wiener Bankkreisen notorisch war.

Geht man von dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt aus, dann erweist sich auch die Rechtsrüge der beklagten Partei als unbegründet.

Die beklagte Partei hat die Befriedigungstauglichkeit der vorliegenden Anfechtung weder im Verfahren erster Instanz bestritten noch tut sie dies in ihrem Rechtsmittel. Sie führt vielmehr sinngemäß aus, daß der objektive Tatbestand des § 31 Abs 1 Z 2 KO deswegen nicht erfüllt sei, weil mit der Vereinbarung vom 20. August 1974 ein - selbständiger Kreditvertrag begründet worden sei; die zugleich begründete Besicherung des Rückforderungsanspruches durch Abtretung von Forderungen sei als Zug-um-Zug-Geschäft zu werten und demnach nicht nach dieser Gesetzesstelle anfechtbar. Es fehle aber auch an der subjektiven Komponente dieses Anfechtungstatbestandes, weil die beklagte Partei bei Abschluß des Vertrages vom 20. August 1974 mit der A* deren Zahlungsunfähigkeit weder gekannt habe noch kennen habe müssen.

Beiden kann nicht gefolgt werden.

Lehre und Rechtsprechung zu § 30 Abs 1 KO stimmen darin überein, daß die Sicherstellung oder Befriedigung eines Gläubigers nur dann nach dieser Gesetzestelle angefochten werden kann, wenn die betreffende Forderung zur Zeit ihrer Deckung, wenn auch bedingt oder betagt, bereits bestanden hat; Sicherstellungen, die gleichzeitig mit der Begründung der Schuld gewährt werden und daher einen Teil des die Schuld begründenden Rechtsgeschäftes bilden, scheiden dagegen schon deshalb aus, weil der Gläubiger hier nur das erlangt, was ihm der Schuldner auf Grund der Vereinbarung geben mußte, um das Schuldverhältnis überhaupt ins Leben rufen zu können (Bartsch-Pollak KO3 I 202 §350 KO Anm 16; Petschek-Reimer-Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht 314; SZ 9/146; SZ 10/236; SZ 29/55;SZ 52/127; JBl 1965, 94 ua).

Die gleichen Erwägungen müssen aber auch für die Anfechtung der Sicherstellung oder Befriedigung eines Konkursgläubigers nach § 31 Abs 1 Z 2 1. Fall KO gelten. Auch dieser Tatbestand ist dann nicht gegeben, wenn die Begründung der Forderung und die Bestellung der Sicherheit auf einem einheitlichen Vertrag beruhen, was etwa dann der Fall ist, wenn die Zusicherung eines Kredites vor der Bestellung einer bestimmten Sicherheit abhängig gemacht wird und damit der Sicherstellungsakt ein Teil des die Schuld begründenden Rechtsgeschäftes ist (vgl Petschek-Reimer-Schiemer aaO; 4 Ob 651/75). Sowohl § 30 Abs 1 Z 1 KO als auch § 31 Abs 1 Z 2 1. Fall KO setzen voraus, daß sich die bekämpften Rechtshandlungen auf die bereits bestehende Gläubigerstellung des Anfechtungsgegners auswirken sollen. Betreffen sie jedoch gleichzeitig oder später begründete Gläubigerrechte, dann kommt eine Anfechtung grundsätzlich nicht in Betracht, wenn nicht auf Grund weiterer Sachverhaltsmerkmale ein anderer Tatbestand der Konkursanfechtung erfüllt wird. Andernfalls wäre der infolge seiner Zahlungsunfähigkeit kreditunwürdige Schuldner vom Abschluß zweiseitig verbindlicher vermögensrechtlicher Geschäfte praktisch ausgeschlossen (5 Ob 310/76).

Wenn die beklagte Partei allerdings in ihrer Rechtsrüge darzutun versucht, daß zwischen ihrem Rechtsverhältnis zur A* bis zum 19. August 1974 (Einlagehingabe) und ab dem 20. August 1974 (Krediteinräumung) ein rechtlich relevanter Unterschied bestanden habe und daraus ableitet, daß die Besicherung des am 20. August 1974 gewährten Kredites aus den dargestellten rechtlichen Gründen nicht angefochten werden könne, kann ihr nicht gefolgt werden. Die beklagte Partei verkennt hier Sinn und Zweck der Bestimmungen der §§ 30, 31 KO. Diese Bestimmungen wollen die objektive Begünstigung eines Gläubigers durch Befriedigung oder Sicherstellung verhindern; sie sollen dazu dienen, die Gleichbehandlung der Gläubiger - zumindest unter bestimmten Voraussetzungen - zu sichern. Das bedeutet, daß der Gläubiger nicht etwas erhalten soll, was er nicht genau so, wie es gegeben wurde, zu fordern hat. Es kommt also selbst bei einer Novation auf die umgewandelte Schuld an, darauf also, ob der Gläubiger für die frühere Verbindlichkeit jene Sicherstellung zu fordern berechtigt war, die er durch die Umwandlung der Hauptschuld erhalten sollte (SZ 29/55).

Es erübrigt sich daher eine nähere Auseinandersetzung über das Rechtsverhältnis zwischen der beklagten Partei und der A* bis zum 19. August 1974 und ab dem 20. August 1974; nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß auch bei Zwischenbankeinlagen, die selbstverständlich regelmäßig nicht durch Erlag, sondern im bargeldlosen Zahlungsverkehr erfolgen, der Kreditzweck im Vordergrund steht (Schinnerer-Avancini, Bankverträge3 I 32). Entscheidend ist, daß die A* auf Grund ihrer (ungesicherten) (Taggeldverbindlichkeit verpflichtet war, am 19. August 1974 an die beklagte Partei einen bestimmten Geldbetrag zurückzubezahlen und daß diese Zahlungsverbindlichkeit im Einvernehmen zwischen der A* und der beklagten Partei in der Form geregelt wurde, daß die letztere der A* einen (besicherten) Kontokorrentkredit einräumte, der vereinbarungsgemäß zur Tilgung der Taggeldverpflichtung verwendet wurde. Es handelt sich hier in Wahrheit nur um eine Umwandlung des bereits vor dem 19. August 1974 bestehenden Kreditverhältnisse, nicht aber um ein wirtschaftlich selbständiges Geschäft, bei dem Leistung und Gegenleistung gleichzeitig erbracht wurden. In Wahrheit haben die beklagte Partei und die A* durch die dargestellte Vorgangsweise ein Stundungsabkommen getroffen, wobei die Leistungen der beklagten Partei, nämlich ihre Kredithingabe, bereits vor dem Abschluß des Kreditvertrages vom 20. August 1974 erbracht worden waren (5 Ob 9/62 = HS 4248 = BankArch 1965, 167).

Unter diesen Umständen kann aber nicht davon gesprochen werden, daß es sich bei den anläßlich des Abschlusses des Kreditvertrages vom 20. August 1974 bzw später der beklagten Partei von der A* bestellten Sicherheiten um solche gehandelt hätte, von denen die Begründung des Schuldverhältnisses unter einem abhängig gemacht wurde und die sich daher als ein Teil des schuldbegründenden Rechtsgeschäftes darstellten. Damit erweist sich der diesbezügliche Einwand der beklagten Partei als unberechtigt.

Aber auch der Einwand der beklagten Partei, daß sie bei Abschluß des Vertrages vom 20. August 1974 mit der A* und der diesem folgenden Sicherstellung der Forderung die Zahlungsunfähigkeit der A* weder gekannt habe noch kennen habe müssen, kommt Berechtigung nicht zu. Richtig ist nur, daß sich den Feststellungen der Vorinstanzen eine positive Kenntnis der beklagten Partei von der Zahlungsunfähigkeit ihres Geschäftspartners nicht entnehmen läßt.

Bei Beurteilung der Rechtsfrage (siehe dazu SZ 40/146 ua), ob und wann der beklagten Partei die Zahlungsunfähigkeit der A* bekannt sein mußte, ist davon auszugehen, daß der im § 31 Abs 1 Z 2 KO normierte Tatbestand des Kennenmüssens dann erfüllt ist, wenn die Unkenntnis des Anfechtungsgegners auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht (vgl Bartsch-Pollak aaO 212; Petschek-Reimer-Schiemer aaO 316); es genügt leichte Fahrlässigkeit des Anfechtungsgegners (4 Ob 603/70; 7 Ob 151/72).

Wenn nun nach den Feststellungen der Vorinstanzen Direktor R* von der A* am 19. August 1974 der beklagten Partei erklärte, die A* könne das fällige Taggeld in der Höhe von S 10.000.000,-- wegen Abdispositionen im Auslandsgeschäft nicht zurückzahlen, so mag es zutreffen, daß die beklagte Partei aus dieser Erklärung allein die Zahlungsunfähigkeit der A* noch nicht entnehmen konnte, obwohl es sicher im Geschäftsverkehr zwischen Banken nicht häufig vorkommen wird, daß sich eine Bank außerstande erklärt, eine fällige Taggeldeinlage einer anderen Bank zurückzuzahlen. Diese Erklärung des Direktors der A* hätte aber die beklagte Partei zumindest bei Anwendung von ihr zu verlangender gehöriger Sorgfalt veranlassen müssen, bei anderen Banken Erkundigungen über die Bonität der A* einzuholen. Derartige Erkundigungen hätten für die beklagte Partei, wenn ihr schon die ansonsten zu diesem Zeitpunkt bereits in den übrigen Wiener Bankkreisen notorische Zahlungsunfähigkeit der A* nicht selbst bekannt war, zweifellos zu dem Ergebnis geführt, daß sie es mit einem bereits zahlungsunfähigen Geschäftspartner zu tun hatte. Daraus ergibt sich aber, daß die beklagte Partei, wenn sie bei Abschluß des Vertrages vom 20. August 1974 - mit der A* tatsächlich nicht in Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit ihres Geschäftspartners war, diese Unkenntnis jedenfalls durch eine Vernachlässigung der von ihr zu verlangenden gehörigen Sorgfalt verschuldet hat. Unter diesen Umständen hat aber das Berufungsgericht auch das Vorliegen der subjektiven Komponente des Anfechtungstatbestandes nach § 31 Abs 1 Z 2 KO mit Recht bejaht.

Der weitere von der beklagten Partei im Verfahren erster Instanz erhobene rechtliche Einwand, daß das Anfechtungsrecht der klagenden Partei gemäß § 43 Abs 2 KO erloschen sei, wird in der Revision nicht mehr ausgeführt. Die Vorinstanzen haben seine Berechtigung mit Recht verneint. Der Anschlußkonkurs über das Vermögen der A* wurde am 21. März 1975 eröffnet, die vorliegende Klage am 19. September 1975 eingebracht. Die Jahresfrist des § 43 Abs 2 KO ist auch dann von der Konkurseröffnung an zu berechnen, wenn ein Ausgleichsverfahren unmittelbar vorangegangen ist (SZ 28/75 ua). Auch die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Geschäftsaufsicht (BGBl II 1934/204) ändern nichts daran, daß der Lauf der Frist des § 43 Abs 2 KO erst mit der Konkurseröffnung beginnt. Denn die Vorschrift des § 10 Abs 4 GeschäftsaufsichtsG bezieht sich nur auf Fristen, die von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzurechnen sind, nicht aber auf solche, deren Lauf erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt. Um eine solche handelt es sich aber bei der Frist des § 43 Abs 2 KO. Es kann also auch keine Rede davon sein, daß im vorliegenden Fall das Anfechtungsrecht des Masseverwalters nach dieser Gesetzesstelle erloschen wäre.

Wenn unter diesen Umständen das Berufungsgericht den Anfechtungstatbestand nach §31 Abs 1 Z 2 KO als erfüllt angesehen hat, kann darin eine unrichtige rechtliche Beurteilung nicht erblickt werden.

Der Revision der beklagten Partei mußte daher der Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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