European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0040OB00557.77.1206.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird, soweit sie sich gegen die in Ansehung der Zweitklägerin ergangene Entscheidung richtet, zurückgewiesen.
Die Zweitklägerin hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
2) zu Recht erkannt:
Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben. Der Beklagte ist schuldig, dem Erstkläger die mit S 2.401,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 177,91, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Mit seiner am 11. Juni 1976 zu C 480/76 des BG Lienz eingebrachten Klage begehrte der Erstkläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Betrages von S 62.590,-- sA mit der Begründung, daß er mit Kaufvertrag vom 19. Oktober 1973 vom Beklagten ein in der KG I* gelegenes Grundstück im Ausmaß von 1138 m2 um S 91.040,-- (S 80,-- pro m2) gekauft habe. Im Kaufvertrag sei vereinbart worden, daß der Käufer berechtigt sei, vom Kaufvertrag zurückzutreten, wenn sich herausstellen sollte, daß eine Bauführung auf der Kaufliegenschaft faktisch oder rechtlich nicht möglich sei. Der. Besitzübergang an der Kaufliegenschaft hätte bei Verbücherung des Kaufvertrages erfolgen sollen. Die Verbücherung des Kaufvertrages sei bisher nicht erfolgt; sie sei nicht durchführbar gewesen, weil der Beklagte nicht in der Lage gewesen sei, die Kaufliegenschaft lastenfrei zu stellen. Der Erstkläger habe den Kaufpreis von S 91.040,-- bezahlt. Im Frühjahr 1975 habe sich – nach Bezahlung des Kaufpreises – herausgestellt, daß das gekaufte Grundstück nicht im Verbauungsgebiet der Gemeinde I* liegen werde und nicht bebaut werden könne. Der Erstkläger habe daraufhin mit Schreiben vom 21. Jänner 1976 gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Vertrag erklärt und von ihm die Zahlung eines Betrages von S 125.414,56 gefordert (Kaufpreis samt Zinsen, Vermittlungsgebühr, Grunderwerbssteuer und Vermessungskosten). Am 22. Februar 1976 sei es zwischen dem Erstkläger und dem Beklagten zu einem Vergleichsgespräch gekommen. Dabei sei vereinbart worden, daß der Kaufvertrag vom 19. Oktober 1973 aufrecht bleibe, der Kaufpreis aber von S 80,-‑ auf S 25,-‑ pro m2 herabgesetzt werde. Die Rückzahlung des Differenzbetrages von S 62.590,-- hätte zinsenfrei nach drei Monaten erfolgen sollen. Der Beklagte habe trotz Fälligkeit keine Zahlung geleistet.
Die Zweitklägerin begehrte mit ihrer am 27. Juli 1976 zu C 636/76 des BG Lienz eingebrachten Klage die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Betrages von S 57.145,-- sA. Sie stützte ihr Begehren darauf, daß sie vom Beklagten mit Kaufvertrag vom 19. Oktober 1973 ein anderes Grundstück in der KG I* im Ausmaß von 1039 m2 um S 85.120,-- (S 80,-- pro m2) mit den gleichen Nebenabreden gekauft habe. Auch sie habe den Kaufpreis bereits bezahlt und auch bezüglich ihres Grundstückes habe sich im Frühjahr 1975 die Unmöglichkeit der Verbauung herausgestellt. Sie habe mit Schreiben vom 5. Jänner 1976 den Rücktritt vom Vertrag erklärt und vom Beklagten die Zahlung von S 115.920,10 verlangt (Kaufpreis, Zinsen, Vermittlungsgebühr, Grunderwerbssteuer, Vermessungskosten). Auch sie habe mit dem Beklagten am 22. Februar 1976 eine Vereinbarung dahin geschlossen, daß der Kaufpreis auf S 25,-- pro m2 herabgesetzt werde und daß die Rückzahlung des Differenzbetrages von S 57.145,-- binnen drei Monaten zinsenfrei erfolgen solle. Auch ihr habe der Beklagte trotz Fälligkeit keine Zahlung geleistet.
Diese beiden Rechtssachen wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete ein, daß die Kläger selbst die bücherliche Durchführung der Kaufverträge verhindert hätten. Im Zeitpunkt des Abschlusses der Kaufverträge wäre eine Bauführung der Kläger auf den von ihnen gekauften Grundstücken möglich gewesen, weil eine hinlängliche Zufahrtsmöglichkeit bestanden habe. Erst nach den am 1. Jänner 1975 in Kraft getretenen Bestimmungen der neuen Tiroler Bauordnung sei eine Zufahrt in Form einer Straße erforderlich gewesen. Nach dem derzeitigen Flächenwidmungsplan seien die den Klägern verkauften Grundstücke nicht mehr als Baugebiet vorgesehen. Die Kläger hätten es verabsäumt, rechtzeitig ein formelles Bauansuchen zu stellen. Es müsse angenommen werden, daß in den nächsten fünf Jahren nicht damit gerechnet werden könne, daß die Grundstücke der Kläger in Bauland umgewidmet werden, doch könne dies in der Folgezeit zutreffen. Die Grundstücke der Kläger seien derzeit weder Bauland noch Bauerwartungsland. Dies hätten sich die Kläger aber nur selbst zuzuschreiben; im Jahr 1973 und auch noch 1974 hätte die vorhandene Zufahrtsmöglichkeit genügt, um einem Bauansuchen stattzugeben. Die Kläger hätten es selbst verschuldet, daß die von ihnen erworbenen Grundstücke nicht mehr bebaubar seien. Später führte der Beklagte allerdings aus, daß es sich bei den von den Klägern gekauften Grundstücken um Bauerwartungsland handle (ON 16 S 50).
Richtig sei, daß der Beklagte mit den Klägern am 22. Februar 1976 Vereinbarungen abgeschlossen habe, die als „Kaufvertragsberichtigung“ bezeichnet worden seien. Mit diesen Vereinbarungen habe der Beklagte einer Herabsetzung des Kaufpreises von S 80,-- auf S 25,-- pro m2 zugestimmt. Diese Vereinbarungen seien ungültig und verstießen gegen die guten Sitten. Die Kläger hätten gewußt, daß sich der Beklagte in einer ausgesprochenen finanziellen Notlage befunden habe; dies hätten sie ausgenützt. Im übrigen bedeute der mit den Kaufvertragsberichtigungen vereinbarte Preis von S 25,-‑ pro m2 eine Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, dem Erstkläger den Betrag von S 62.590,-- sA und der Zweitklägerin den Betrag von S 57.145,-- sA zu bezahlen. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Mit Kaufverträgen vom 19. Oktober 1973 kauften der Erstkläger die 1138 m2 große Gp. 540/93 Wald um einen Kaufpreis von S 91.040,-- (S 80,--- pro m2) und die Zweitklägerin die 1039 m2 große Gp. 148 (jeweils KG I*) um einen Kaufpreis von S 83.120,-- (gleichfalls S 80,-- pro m2) vom Beklagten. Die Kläger erklärten ausdrücklich, daß sie die Grundstücke bebauen würden. Während der Erstkläger noch keinen bestimmten Zeitpunkt für den Baubeginn in Aussicht genommen hatte, beabsichtigte die Zweitklägerin die Errichtung eines kleineren Wohnhauses etwa vier bis fünf Jahre nach dem Vertragsabschluß. Im Punkt 3 der Kaufverträge ist festgehalten, daß der Erwerb zum Zweck der Errichtung eines Wohnhauses erfolgt und daß der Käufer für den Fall der faktischen oder rechtlichen Unmöglichkeit der Bauführung berechtigt ist, vom Vertrag zurückzutreten.
Beide Kläger haben die vereinbarten Kaufpreise dem Beklagten zur Gänze bezahlt.
Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wären Bauansuchen der Kläger – die rechtskräftige Zustimmung der Grundverkehrsbehörde vorausgesetzt – von der Baubehörde höchstwahrscheinlich zustimmend erledigt worden. Beide Parzellen waren an sich baureif erschlossen; gewisse Bedenken bestanden nur bezüglich der Versickerungsfähigkeit des Bodens, weil ein Kanalanschluß nicht vorhanden ist. Außerdem war der Zufahrtsweg in einem sehr schlechten verbesserungsbedürftigen Zustand. Ein Bauansuchen wurde aber von den Klägern zunächst nicht gestellt.
Mit den Bescheiden vom 14. Mai 1974 stimmte die Grundverkehrsbehörde I* der Übertragung des Eigentumsrechtes an den verkauften Parzellen zu; der Landesgrundverkehrsreferent erhob dagegen Berufung. Mit Bescheid vom 22. Jänner 1975 wurden die angefochtenen Bescheide jedoch bestätigt und die BH * erteilte am 11. März 1975 die Rechtskraftbestätigung.
Zur Erlangung der Lastenfreistellung hatte der Beklagte am 15. Oktober 1973 zu TZ 2095/73 des BG Lienz einen entsprechenden Antrag eingebracht. Dagegen erhoben zwei Buchgläubiger fristgerecht Einspruch, doch wurden diese Einsprüche am 8. Oktober 1974 bzw am 24. Februar 1975 wiederum zurückgenommen.
In der Folge verfaßte der mit der Vertragserrichtung befaßte Realitätenmakler Dr. V* eine entsprechende Grundbuchseingabe, zumal auch die Unbedenklichkeitsbescheinigungen vom 13. Mai 1974 vorlagen.
Zwischenzeitig hatte der Erstkläger jedoch in Erfahrung gebracht, daß es mit der Bebauung Schwierigkeiten geben könne. Mit Schreiben vom 16. März 1975 erteilten die Kläger Dr. V* den Auftrag, die Grundbuchsgesuche vorerst nicht zu überreichen. Am 20. März 1975 suchten die Kläger bei der Gemeinde I* um Einbeziehung der gekauften Parzellen in das Bauland an. Eine gleichlautende Eingabe wurde auch vom Beklagten eingebracht. Dem war vorausgegangen, daß die Gemeinde I* am 21. November 1974 einen vom Amt der Tiroler Landesregierung erstmals für dieses Gemeindegebiet ausgearbeitenen Flächenwidmungsplan aufgelegt hatte. In diesem ist die Gp. 148 als „übrige Fläche im Freiland“ und die Gp. 540/93 als „land- und forstwirtschaftlich genutzte Fläche“ ausgewiesen. Die Anträge der Streitteile um Einbeziehung der Parzellen in das Bauland wurden anläßlich der Gemeinderatssitzung vom 23. September 1975 mehrheitlich abgelehnt. Am 11. Dezember 1975 wurde der Flächenwidmungsplan nach Erledigung weiterer Vorstellungen beschlossen. Damit ist einer Bebauung der von den Klägern gekauften Parzellen mit Wohnhäusern der Boden entzogen. Abgesehen davon wäre die Baubehörde erster Instanz einem Bauansuchen nach dem Inkraftreten der neuen Tiroler Bauordnung am 1. Jänner 1975 nicht mehr näher getreten, weil die Gemeinde I* den mit der ordnungsgemäßen Erschließung mit Zufahrten und der Abwasserbeseitigung verbundenen Belastung ausweichen will. Wenn die Kläger vor dem 1. Jänner 1975 ein Bauansuchen eingereicht hätten, dann wäre darüber vor endgültiger Entscheidung der Grundverkehrsbehörde nicht entschieden worden.
Weil Verhandlungen zwischen den Streitteilen in der Folge zu keinem Ergebnis führten – den Klägern schien die vom Beklagten verlangte Aufzahlung für die Beistellung von Ersatzgrundstücken zu hoch – erklärten die Kläger anfangs 1976 ausdrücklich den Rücktritt vom Vertrag. Der Beklagte entgegnete, daß die Voraussetzungen für einen Vertragsrücktritt nicht vorlägen. Am 22. Februar 1976 trafen sich der Erstkläger, E* als Bevollmächtigte der Zweitklägerin und der Beklagte in I*. Einvernehmlich mit dem Beklagten nahmen die Kläger vom Vertragsrücktritt Abstand. Die Streitteile vereinbarten eine Herabsetzung des Kaufpreises von S 80,--. pro m2 auf S 25,--, wobei der Beklagte die Rückzahlung der Differenzbeträge von S 62.590,-- an den Erstkläger und von S 57.145,-- an die Zweitklägerin bis zum 22. Mai 1977 (richtig 1976) übernahm. Der Beklagte war im Zeitpunkt dieser Vereinbarung, die unmittelbar nach dem Besuch der Sonntagsmesse erfolgte, nicht alkoholisiert. Die Festlegung des Quadratmeterpreises von S 25,-- erfolgte ohne langes Feilschen mit voller Zustimmung des Beklagten.
Der Beklagte ist Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes in der Größe von insgesamt 64,17 ha, wobei seine finanzielle Situation (Schuldenstand ca. S 500.000,--) allerdings etwas angespannt ist. Ein Zwangsversteigerungsverfahren war und ist jedoch nicht anhängig. Die Vermögensverhältnisse des Beklagten waren den Klägern im einzelnen nicht bekannt.
Der Schätzwert der Gp. 148 betrug am 19. Oktober 1973 S 20,-- pro m2, am 22. Februar 1976 S 27,-- pro m2. Der Schätzwert der Gp. 540/93 betrug am 19. Oktober 1973 S 17,80 pro m2, am 22. Februar 1976 S 20,-- pro m2. Wenn die Parzellen als Bauland zu bezeichnen wären, dann wäre ein Quadratmeterpreis von S 80,-- durchaus günstig. Derzeit werden Baugründe in vergleichbarer Lage zum Quadratmeterpreis bis zu ca. S 150,-- gehandelt.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß der zwischen den Streitteilen am 22. Februar 1976 abgeschlossene Vertrag als Novation im Sinne des § 1376 ABGB zu beurteilen sei. Der Beklagte wäre nämlich im Hinblick auf den gerechtfertigten Vertragsrücktritt zur Zurückzahlung des Kaufpreises verpflichtet gewesen, wobei diese Forderung in einen vereinbarten Preisnachlaß umgewandelt worden sei. Der Beklagte berufe sich zu Unrecht auf § 879 Abs 2 Z 4 ABGB, weil weder in seiner Person die erforderlichen Voraussetzungen vorlägen noch der stattgefundene Wertausgleich für den Standpunkt des Beklagten spreche. Auch eine Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes liege nicht vor. Der Besitz der gekauften Liegenschaften wäre erst mit der Verbücherung an die Kläger übergegangen; dies hätte nicht vor dem 11. März 1975 der Fall sein können. Für die Ausübung des Rücktrittsrechtes sei eine Frist zwar nicht vereinbart worden, doch habe sich die Haftung des Beklagten für die Bebauungsmöglichkeit wohl bis zum Zeitpunkt der Verbücherung bezogen. Nach dem 1. Jänner 1975 sei eine Bauführung jedenfalls nicht mehr möglich gewesen sodaß der Vertragsrücktritt im Hinblick auf den Wegfall der für die Kläger wesentlichsten Geschäftsgrundlage als gerechtfertigt angesehen werden müsse.
Dieses Urteil wurde seinem ganzen Inhalt nach vom Beklagten mit Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil der Berufung des Beklagten keine Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen aus, daß der Neuerungsvertrag vom 22. Februar 1976 weder sittenwidrig sei noch durch Ausnützung einer Zwangslage zustandegekommen sei. Damit sei dieser Vertrag rechtsgültig und es seien Überlegungen zur Berechtigung des Rücktrittes der Kläger von den Verträgen vom 19. Oktober 1973 entbehrlich. Gegenstand der Kaufverträge zwischen den Streitteilen seien als Bauland geeignete Parzellen gewesen. Die Vereinbarung eines Rücktrittsrechtes sei nur dann sinnvoll, wenn sie auf einen späteren Zeitpunkt als den des Vertragsabschlusses bezogen werde. Es bleibe daher nur der Schluß übrig, daß der Rücktritt jedenfalls bis zur Verbücherung möglich sein sollte. Unter diesen Gesichtspunkten sei der Rücktritt der Kläger gerechtfertigt gewesen. Der wesentliche Zeitpunkt für die Bewertung bezüglich der Frage der Verletzung über die Hälfte sei nicht der Zeitpunkt des ersten Vertragsabschlusses, sondern der Zeitpunkt des Novationsvertrages. Zu diesem Zeitpunkt seien die beiden Parzellen aber sicher nicht mehr Bauland gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten. Er bekämpft es seinem gesamten Inhalt nach aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung der Begehren beider Kläger abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Kläger beantragender Revision keine Folge zu geben.
Soweit der Klagevertreter seine Revisionsschrift – überdies nach Ablauf der Revisionsfrist – am 15. September 1977 beim Erstgericht durch mündliche Ausführungen zu Protokoll ergänzte, kann auf diese Ausführungen nicht eingegangen werden, weil jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift zusteht; Nachträge und Ergänzungen dazu sind selbst dann unzulässig, wenn sie innerhalb der Rechtsmittelfrist angebracht werden (EvBl 1959/223 uva; zuletzt etwa 5 Ob 25/77).
Die Revision ist, soweit sie sich gegen die in Ansehung der Zweitklägerin ergangenen Entscheidung richtet, unzulässig.
Gemäß dem § 502 Abs 3 ZPO in der Fassung der Wertgrenzennovelle 1976, BGBl 1976/91 (die beiden vorliegenden Klagen wurden nach dem 1. April 1976 eingebracht) ist gegen ein bestätigendes Urteil des Berufungsgerichtes die Revision unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert S 60.000,-- nicht übersteigt. Werden mehrere Streitsachen (hier die gegen den gleichen Beklagten gerichteten Klagen des Erstklägers und der Zweitklägerin) gemäß § 187 ZPO zur gemeinsamen Verhandlung verbunden, so ist Jeder der verbundenen Ansprüche für sich als Streitgegenstand im Sinne des § 502 Abs 3 ZPO zu betrachten; eine Zusammenrechnung findet hier nicht statt (Fasching Kommentar II 893 und Ergänzungsband 100; MietSlg 22631; SZ 37/22 u.v.a.). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß hinsichtlich der über den von der Zweitklägerin geltend gemachten Anspruch (S 57.415,-- sA) ergangenen bestätigenden Entscheidung des Berufungsgerichte, die Revision gemäß § 502 Abs 3 ZPO unzulässig ist; zulässig ist sie nur hinsichtlich der Entscheidung über den Anspruch des Erstklägers, weil dieser S 62.590,-- sA beträgt und damit über der im § 502 Abs 3 ZPO normierten Wertgrenze liegt.
Die Revision des Beklagten war daher, soweit sie sich gegen die in Ansehung der Zweitklägerin ergangene Entscheidung richtet, als unzulässig zurück zuweisen.
Ein Zuspruch von Kosten an die Zweitklägerin für die erstattete Revisionsbeantwortung kann allerdings nicht erfolgen, weil sie den vorliegenden Zurückweisungsgrund nicht geltend gemacht hat (E MGA ZPO13 § 41 F 37).
Im übrigen – also in Ansehung der über den Anspruch des Erstklägers ergangenen Entscheidung – ist die Revision nicht berechtigt.
Der Erstkläger leitet den geltend gemachten Anspruch ausschließlich aus der am 22. Februar 1976 mit dem Beklagten getroffenen Vereinbarung ab.
Wenn der Beklagte in seiner Revision sinngemäß ausführt, daß er sich bei Abschluß dieser Vereinbarung in einem Geschäftsirrtum befunden habe, weil ihm nicht bekannt gewesen sei, daß die Kläger gar nicht die Absicht gehabt hätten, auf den gekauften Grundstücken zu bauen, weil er nicht gewußt habe, daß der Wert der gekauften Grundstücke bei späterer Bebaubarkeit wieder steigen könne und daß er von den Klägern darüber nicht aufgeklärt worden sei, so macht er damit die Ungültigkeit dieser Vereinbarung wegen Irrtums im Sinne des § 871 ABGB geltend. Auch stellt er in seinem Rechtsmittel die Behauptung auf, von den Klägern im Sinne des § 870 ABGB durch List zum Abschluß dieser Vereinbarung veranlaßt worden zu sein.
Dem ist lediglich zu entgegnen, daß die Ungültigkeit eines Vertrages wegen Irrtums oder Arglist nicht von Amts wegen beachtet werden kann, sondern durch Klage oder Einrede geltend gemacht werden muß. Die diesbezügliche Einrede muß wohl nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden; es genügt, daß die sie begründenden Tatsachen vorgetragen werden (SZ 46/84; MietSlg 26061 ua; zuletzt 1 Ob 39/75). Im vorliegenden Fall hat der Beklagte in erster Instanz nicht nur Irrtum oder Irreführung nicht eingewendet, sondern auch keinerlei Tatsachenbehauptungen aufgestellt, aus denen sich eine derartige Einwendung begründen ließe. Auf seine diesbezüglichen Revisionsausführungen kann daher, weil sie in Wahrheit dem Neuerungsverbot widersprechen, nicht eingegangen werden.
Tatsächlich hat der Beklagte in erster Instanz bezüglich der Vereinbarung vom 22. Februar 1976, deren tatsächliches Zustandekommen er nicht bestritt, nur Sittenwidrigkeit im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB, Nichtigkeit im Sinne des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB und Verkürzung über die Hälfte im Sinne des § 934 ABGB eingewendet.
Diese Einwendungen sind aber, geht man von dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt aus, nicht begründet.
Der Beklagte versucht in seiner Revision darzutun, daß es sich bei der Vereinbarung vom 22. Februar 1976 um keinen Neuerungsvertrag im Sinne des § 1376 ABGB gehandelt habe. Dazu ist auszuführen, daß nach Lehre und Rechtsprechung die bloße Abänderung des in einem früher geschlossenen Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreises – und etwas anderes ist in der Vereinbarung vom 22. Februar 1976 nicht geschehen – eine Änderung des Hauptgegenstandes im Sinne des § 1376 ABGB nicht darstellt (Gschnitzer, Schuldrecht Allgemeiner Teil 95; Wolff in Klang2 VI 265; SZ 44/179). Für den Standpunkt des Beklagten ist daraus nichts zu gewinnen. Denn die hier zu lösende Frage, nach welchem Zeitpunkt das Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zu beurteilen sei, hat nichts damit zu tun, ob die Parteien am 22. Februar 1976 einen neuen Vertrag begründen oder bloß einen alten Vertrag abändern wollten.
Maßgebend für die Beurteilung des Wertverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung kann, mag es sich nun um Wucher oder um Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes handeln, immer nur der Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses sein. Bezüglich der Verkürzung über die Hälfte ist dies im Gesetz ausdrücklich ausgesprochen (§ 934 letzter Satz ABGB); bezüglich des Wuchers ergibt sich das aus dem gleichen Zweck dieses Rechtsinstitutes (siehe dazu Gschnitzer in Klang2 IV/1, 559). Ob die Vereinbarung zwischen dem Erstkläger und dem Beklagten vom 22. Februar 1976 den Bestimmungen der §§ 879 Abs 2 Z 4 bzw 934 ABGB unterstellt werden kann, muß also auf Grund des Wertverhältnisses von Leistung und Gegenleistung in diesem Zeitpunkt beurteilt werden.
Wenn nun der Beklagte in seiner Revision zumindest sinngemäß davon ausgeht, daß das dem Erstkläger verkaufte Grundstück in diesem Zeitpunkt zumindest als „Bauerwartungsland“ zu qualifizieren gewesen sei, so ist ihm zu entgegnen, daß dies nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht zutrifft, weil dieses Grundstück nach dem damals bereits beschlossenen Flächenwidmungsplan als „land- und forstwirtschaftlich genutzte Fläche“ ausgewiesen war (vgl. RZ 1969, 107). Daß der Erstkläger auf Grund irgendwelcher besonderer Umstände damals mit einer in naher Zukunft liegenden Bebauungsmöglichkeit des gekauften Grundstückes rechnen konnte, hat der Beklagte nicht behauptet; völlig unbestimmte Zukunftsaussichten vermögen aber die Qualifikation eines Grundstückes als „Bauerwartungsland“ nicht zu rechtfertigen.
Handelte es sich aber bei dem vom Erstkläger gekauften Grundstück weder um Bauland noch um Bauerwartungsland, sondern um eine land- und forstwirtschaftliche Nutzfläche, so haben die Vorinstanzen unter dieser Voraussetzung den Verkehrswert am 22. Februar 1976 mit S 20,-- pro m2 unbekämpft festgestellt. Wenn daher der Erstkläger und der Beklagte an diesem Tag den Kaufpreis mit S 25,-- pro m2 festsetzen, kann darin mangels eines entsprechenden Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung weder eine wucherische Vereinbarung im Sinne des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB noch eine Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes im Sinne des § 934 ABGB erblickt werden.
Was daran sittenwidrig im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB gewesen sein soll, wenn die Vertragsteile einverständlich den früher vereinbarten Kaufpreis dem durch die nunmehrige eingeschränkte Verwendungsfähigkeit der gekauften Liegenschaft bestimmten geringeren Verkehrswert anpaßten, ist nicht zu erkennen.
Die Revision des Beklagten erweist sich somit in Ansehung der über den Anspruch des Erstklägers ergangenen Entscheidung als unberechtigt; in diesem Umfang war ihr nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die dem Erstkläger zu ersetzenden Kosten der erstatteten Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO Auf den Erstkläger entfallen rund 52 % des gesamten Revisionsstreitwertes von S 119.735,--. Der Erstkläger hat daher Anspruch auf Ersatz von 52 % der auf dieser Basis errechneten Kosten. Gerichtskostenmarken haben die Kläger allerdings für ihre Revisionsbeantwortung nicht beigebracht; der Ersatz derartiger Barauslagen konnte daher dem Erstkläger nicht zugesprochen werden.
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