OGH 1Ob651/77

OGH1Ob651/7716.11.1977

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Schragel, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. R* K*, Schüler, *, vertreten durch die Mutter und Vormünderin E* S*, Hausfrau, ebendort, diese vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Dr. V* M*, Rechtsanwalt in Klagenfurt, *, vertreten durch Dr. Hans Paternioner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Leistung und Feststellung (Gesamtstreitwert S 146.270,20), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 15. März 1977, GZ 6 R 15/77‑54, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 28. November 1976, GZ 19 Cg 57/75‑48, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0010OB00651.77.1116.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 3.849,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 285,12 Umsatzsteuer, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Unbekämpft steht folgender Sachverhalt fest: Der am 24. 5. 1960 unehelich geborene Kläger wurde am 31. 3. 1967 im Ortsgebiet von Krumpendorf als Fußgänger beim Überqueren der Bundesstraße 17 von dem mit einer Bremsausgangsgeschwindigkeit von 68 km/h herankommenden PKW des F* P* erfasst, zu Boden gestoßen und schwer verletzt. P*, der 36 Meter vor der Unfallstelle die Gefahr erkannte und durch Bremsen reagierte, hätte bei Einhaltung der höchstzulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h in Anbetracht eines Anhalteweges von nur 27,8 m den Unfall verhindern können; er wurde strafgerichtlich verurteilt, den Unfall durch Wahl einer zu hohen Geschwindigkeit verschuldet zu haben. Der Kläger erlitt unter anderem einen offenen Unterschenkelbruch links, der insbesonders zu einer zunehmenden Hemmung des Längenwachstums des linken Beines führte; nicht vorhersehbare Spätfolgen des Unfalles sind nicht auszuschließen. Dem Kläger erwuchs durch Arzt- und Heilungskosten, Fahrtkosten und Beschädigung von Kleidungsstücken ein Schaden von zusammen S 7.270,20.

Am 5. 5. 1967 erteilte die Mutter des Klägers, I* K*, später verehelichte S*, dem Beklagten unter anderem Vollmacht, sie in allen ihren Angelegenheiten vor Strafgerichten zu vertreten und Klagen jeder Art anhängig zu machen. Auf Grund dieser Vollmacht vertrat der Beklagte bei der Hauptverhandlung vom 8. 5. 1967 die Interessen des mj. Klägers als Privatbeteiligtenverteter und erwirkte den Zuspruch eines Teilschmerzengeldes von S l.000,–. Gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen war zur Zeit jedoch die Amtsvormundschaft; die Kindesmutter wurde erst mit Beschluss des Bezirksgerichtes Villach vom 11. 2. 1969, P 398/68, zur Vormünderin des Klägers bestellt. Am 2. 12. 1970 übergab sie dem Beklagten neuerlich eine von ihr unterfertigte Prozessvollmacht. Der Beklagte machte die Schadenersatzansprüche des Klägers gegen F* P* und dessen Haftpflichtversicherer, die „ANKER“ Versicherungs-AG, die auf Verlangen der Kindesmutter bzw des Beklagten zwei weitere Akontozahlungen von insgesamt S l0.000,‑- auf die dem Kläger zustehenden Schadenersatzansprüche geleistet hatte (zuletzt im Juni 1968 S 5.000,-‑), gerichtlich nicht geltend.

Mit der am 4. 5. 1973 eingebrachten Klage begehrt der Kläger vom Beklagten den Ersatz des genannten Betrages von S 7.270,20 sowie die Bezahlung eines Schmerzengeldes von zunächst S 60.000,-‑ ohne zeitliche Begrenzung, später (AS 202) S 110.000,-- für die bis 31. 5. 1975 erlittenen Schmerzen und schließlich (AS 211) wieder ohne zeitliche Begrenzung S 130.000,-- abzüglich der geleisteten Teilzahlungen von insgesamt S 11.000,-‑; überdies begehrt er unter Hinweis auf die durch den Unfall verursachten Dauerfolgen die Feststellung, der Beklagte hafte für alle künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 31. 3. 1967 dem Grunde nach zur Gänze. Das Alleinverschulden an diesem Unfall treffe mit Rücksicht darauf, dass der minderjährige Kläger noch nicht schulreif und einem Kind unter sechs Jahren gleichzustellen gewesen sei, den Unfallsgegner F* P*. Die Kindesmutter habe den Beklagten nicht nur mit der Wahrung der Interessen des Klägers im Strafverfahren, sondern auch mit der Geltendmachung seiner zivilrechtlichen Ansprüche beauftragt; der Beklagte habe diese Ansprüche schuldhaft verjähren lassen und dies gegenüber dem nunmehrigen Klagsvertreter auch mehrmals mündlich und schriftlich anerkannt. Die Ersatzansprüche gegen den Beklagten selbst seien nicht verjährt, da die Mutter des Klägers erst durch das Schreiben des nunmehrigen Klagevertreters vom 25. 1. 1972 erfahren habe, der Haftpflichtversicherer des F* P* wende Verjährung der Ansprüche aus dem Verkehrsunfall ein.

Der Beklagte bestritt dieses Vorbringen, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und wendete ein, den mj. Kläger treffe am Unfall ein mindestens 50%iges Mitverschulden, da er trotz Sichtbehinderung durch einen von ihm verlassenen Omnibus die Fahrbahn der Bundesstraße betreten und sorglos überquert habe; der Minderjährige sei in der Lage gewesen, dem Verkehrsgeschehen bei Fahrbahnüberquerungen die erforderliche Aufmerksamkeit zu schenken. Als Schmerzengeld seien höchstens S 25.000,‑- angemessen; den Ausdehnungen des Schmerzengeldbegehrens werde jeweils der Einwand der Verjährung entgegengehalten. Das Feststellungsbegehren sei nicht gerechtfertigt; wesentliche Dauerfolgen seien nicht zu befürchten und was die Verdienstentgangsansprüche gegenüber dem Unfallsgegner angehe, so seien diese noch nicht verjährt, da die Verjährungsfrist erst mit dem Eintritt der Erwerbsfähigkeit des Klägers zu laufen beginne. Die Vollmacht vom 5. 5. 1967 sei ungültig gewesen, da die Kindesmutter zu dieser Zeit noch nicht Vormund des Klägers gewesen sei; sie sei dies erst am 11. 2. 1969 geworden und habe dem Beklagten weder in ihrer Eigenschaft als bestellte Vormünderin eine Vollmacht erteilt noch ihm das Bestellungsdekret ausgefolgt. Der Beklagte habe daher für den Kläger gar nicht tätig werden kömen; er sei „nie“ dessen rechtsgültiger Vertreter gewesen, weil die Kindesmutter nicht berechtigt gewesen sei, den Kläger im Rechtsleben zu vertreten. Trotz Kenntnis des Umstandes, dass die Schadenersatzansprüche drei Jahre nach dem Unfall verjähren, habe die Mutter dem Beklagten erst nach Ablauf der am 31. 3. 1970 eingetretenen Verjährung die Vollmacht vom 2. 12. 1970 übergeben, nie jedoch das Bestellungsdekret, so dass die Nachlässigkeit einzig und allein bei ihr liege. Der Beklagte habe seine Ersatzpflicht auch nie anerkannt. Die nun gegen ihn klageweise geltend gemachten Ansprüche seien mit Ablauf des 31. 3. 1973 verjährt, da die Forderung gegen den Unfallsgegner bis 31. 3. 1970 hätte gerichtlich geltend gemacht werden müssen und die Kindesmutter dies aus Mitteilungen des Beklagten gewusst habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (unter unbekämpfter Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens) vollinhaltlich statt. Es negierte mit Rücksicht auf die festgestellte Unreife und Impulshaftigkeit des Klägers dessen Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalles, hielt das begehrte Schmerzengeld von S 130.000,‑- zur Abgeltung allen bis 28. 11. 1976 (Urteilsfällung) erlittenen Ungemachs für angemessen und bejahte wegen der schuldhaft unterlassenen gerichtlichen Geltendmachung die Haftung des Beklagten gemäß § 1299 ABGB für alle dadurch dem Kläger entstehenden Ansprüche gegenüber F* P* und dessen Haftpflichtversicherer. Durch das Schreiben des letzteren vom 18. 6. 1968, in dem aconto der Schadenersatzansprüche des Klägers eine weitere Zahlung von S 5.000,‑- angekündigt und damit die Haftung dem Grunde nach anerkannt worden sei, sowie durch diese Teilzahlung selbst sei die dreijährige Verjährungsfrist der klägerischen Ansprüche unterbrochen und neuerlich in Lauf gesetzt worden; spätestens auf Grund der Vollmacht vom 2. 12. 1970 hätte daher der von der Kindesmutter über ihre Bestellung zum Vormund informierte Beklagte die Schadenersatzklage einbringen und auch die pflegschaftsbehördliche Genehmigung der Klageführung erwirken können und müssen. Auch die gegenständliche Klage sei rechtzeitig erhoben, da die Verjährung der Ersatzansprüche gegenüber dem Beklagten erst nach Ablauf der Verjährung der Ansprüche aus dem Unfall zu laufen beginne. Überdies sei der Beklagte als Rechtsanwalt verpflichtet gewesen, seine Klientin auf ihm gegenüber bestehende Schadenersatzansprüche aufmerksam zu machen; vorher beginne die Verjährungsfrist für diese Ansprüche überhaupt nicht zu laufen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und bestätigte das Ersturteil, im Feststellungsausspruch allerdings mit der Maßgabe, dass dieser zu lauten hat: „Es wird der beklagten Partei gegenüber festgestellt, dass sie dem Kläger für alle künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 31. 3. 1967 auf der Bundesstraße 17 in Krumpendorf, deren Geltendmachung gegenüber dem Schädiger F* P* ab 25. 1. 1972 verjährt war, dem Grunde nach zur Gänze haftet.“ Das Gericht zweiter Instanz übernahm die entscheidungswesentliche Feststellung, der Kläger sei wegen seiner Unreife und Impulshaftigkeit zum Unfallszeitpunkt noch nicht in der Lage gewesen, beim Überqueren der Straße die Vorsichtsmaßregeln zu beachten und sich – in einer Situation wie der vorliegenden – im Straßenverkehr altersentsprechend zu verhalten, als Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung und verneinte bei diesem Sachverhalt ein dem Kläger anzulastendes Mitverschulden an dem Unfall.

Mit Zustimmung der Parteien führte das Berufungsgericht eine teilweise Beweiswiederholung durch Verlesung der beiden ärztlichen Sachverständigengutachten durch und traf auf Grund dieser beiden Gutachten nachstehende Feststellungen: Der Kläger litt bis zur Untersuchung im Oktober 1974 komprimiert einen Tag sehr starke, einen Tag starke, 60 Tage mittlere und 90 Tage leichte Schmerzen; auch in der Folgezeit hatte und hat er einen Tag leichte Schmerzen pro Woche zu erdulden, wobei sich das Schmerzengeschehen durch eine allenfalls zur Behebung der Beinverkürzung durchzuführende Operation weiter erhöhen wird. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers am allgemeinen Arbeitsmarkt beträgt 30 % auf Dauer oder bis zu einem operativen Heilverfahren, kann aber bei zunehmender Beinverkürzung noch steigen. Auf Grund dieser Schmerzperioden und unter Bedachtnahme auf die in den vergangenen 10 Jahren eingetretene Geldwertverdünnung und darauf, dass es sich um einen offenen Bruch handelte, dessen Heilungsprognose ungünstig ist und der vor allem zu einer anhaltenden gravierenden Wachstumsstörung und deutlichen Verkrüppelung führte, erachtete das Gericht zweiter Instanz die Ausmessung des Schmerzengeldes mit S l30.000,‑- zur Globalabgeltung des gesamten, auch künftigen Schmerzgeschehens, da auch dieses nach dem Sachverständigengutachten bereits überblickbar sei, für gerechtfertigt. Ausgeklammert blieben lediglich die durch eine etwaige Operation ausgelösten zusätzlichen Schmerzen und solche, die auf nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwartenden, derzeit nicht abschätzbaren Unfallsfolgen basierten.

Im übrigen führte das Berufungsgericht aus, es gehe aus den Feststellungen des Erstgerichtes zweifelsfrei hervor, dass der Beklagte mit der Durchführung der zivilrechtlichen Ansprüche des Klägers beauftragt und sich dieser Tatsache auch bewusst gewesen sei. Soweit der Beklagte unter Geltendmachung unrichtiger Tatsachenfeststellung „aus Vorsichtsgründen überhaupt alle Tatsachenfeststellungen“ des Erstgerichtes bekämpfe, „aus denen es sich ergibt, dass durch ein wie immer geartetes unterlassen oder Versehen seinerseits eine Verjährung der gerechtfertigten Ansprüche des Klägers aus dem Unfall vom 31. 3. 1967 eingetreten wäre“, habe der Beklagte diesen bzw den Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil er nicht erkennbar angeben habe, welche einzelnen Feststellungen er anfechte und welche anderen Feststellungen auf Grund welcher Beweisergebnisse das Erstgericht an deren Stelle hätte treffen müssen. Die Feststellung des Erstgerichtes, die Kindesmutter habe unmittelbar nach Erhalt des Beschlusses über ihre Bestellung zur Vormünderin dem Beklagten diese Tatsache sowie die Daten und die Geschäftszahl des Beschlusses telefonisch mitgeteilt, übernahm das Berufungsgericht als unbedenklich, erachtete diese Feststellung aber aus rechtlichen Gründen als nicht entscheidungswesentlich. Unter Hinweis auf § 9 RAO, §§ 1009, 1299 und 1297 ABGB im Zusammenhang mit der dem Beklagten von der Mutter des Klägers erteilten Vollmacht vom 5. 5. 1967 wäre es Pflicht des Beklagten gewesen, um die erforderliche pflegschaftsbehördliche Ermächtigung zur Prozessführung einzukommen. Der Beklagte hätte bei pflichtgemäßer Besorgung der ihm übertragenen Aufgabe so rechtzeitig tätig werden können und müssen, dass der Eintritt der Verjährung hätte verhindert werden können. Der Beklagte hafte für die Folgen seiner Nachlässigkeit und damit auch für jene Ansprüche, die der Kläger gegen F* P* und dessen Haftpflichtversicherer wegen Verjährung nicht mehr geltend machen könne.

Das Berufungsgericht verdeutlichte den Feststellungsausspruch mit der eingangs wiedergegebenen Maßgabe, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass der Beklagte für jene Schadenersatzansprüche gegen F* P* nicht einzustehen habe, deren Verjährung bei Auflösung des Vollmachtsverhältnisses (25. 1. 1972) noch nicht eingetreten war. Es seien Ansprüche denkbar, deren Verjährung gegen F* P* noch nicht eingetreten sei und daher noch mit Erfolg gegen ihn geltend gemacht werden könnten. So seien etwa Schmerzengeldansprüche des Klägers aus einer möglichen weiteren Operation, deren Vornahme ungewiss sei und die erst durch einen Willensakt des Verletzten (oder hier seiner Angehörigen) ausgelöst würden, noch nicht verjährt, weshalb der Beklagte dafür nicht zu haften habe.

Das Berufungsgericht teilte auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass die Teilzahlung des Haftpflichtversicherers vom Juni 1968 die Verjährungsfrist der Ansprüche des Klägers aus dem Verkehrsunfall unterbrochen habe. Schließlich führte das Berufungsgericht noch aus, selbst wenn der Beklagte der Kindesmutter am 13. 11. 1970 den Standpunkt des Haftpflichtversicherers mitgeteilt habe und die Kindesmutter dabei habe erkennen können, dass aus einem Verschulden des Beklagten die Ansprüche ihres Sohnes nicht zeitgerecht geltend gemacht worden seien, wäre die gegen den Beklagten am 4. 5. 1973 überreichte Klage rechtzeitig erhoben.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrage, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, allenfalls dem Kläger nur einen Betrag von S 23.135,l0 samt 4 % Zinsen seit 28. 8. 1976 zuzusprechen, und das darüber hinausgehende Leistungsbegehren sowie das Feststellungsbegehren abzuweisen, dem Feststellungsbegehren allenfalls nur hinsichtlich der Haftung im Ausmaß von 50 % stattzugeben, oder aber das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Sache an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt Berechtigung nicht zu.

Ein Mangel des Berufungsverfahrens soll darin gelegen sein, dass das Berufungsgericht die in der Berufung erhobene Mängelrüge als nicht gerechtfertigt angesehen hat, die darauf gestützt war, dass das Erstgericht a) dem Antrag des Beklagten nicht entsprochen hat, einen weiteren Sachverständigen aus dem Fache der Kinderpsychologie beizuziehen und b) unterlassen habe, von Amts wegen einen Verkehrspsychologen zu hören.

Das Berufungsgericht hat sich mit dieser Mängelrüge ausführlich auseinandergesetzt und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass gegen das eingeholte Gutachten des Sachverständigen Univ.‑Prof. Prim. Dr. W* keinerlei Bedenken bestehen und es der Zuziehung weiterer Sachverständiger nicht bedürfe. Wird aber ein in erster Instanz angeblich unterlaufener Verfahrensmangel vom Berufungsgericht als nicht gegeben angenommen, dann kann er nicht unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) neuerlich geltend gemacht werden (SZ 22/106, SZ 27/4, EvBl 1968/344, 2 Ob 229/76 u.a.). Es ist daher der Entscheidung die Feststellung der Vorinstanzen zugrundezulegen, dass der Kläger wegen seiner Unreife und Impulshaftigkeit zum Unfallszeitpunkt psychisch noch nicht in der Lage war, beim Überqueren der Straße die gebotenen Vorsichtsmaßregeln zu beachten und sich – in einer Situation wie der vorliegenden –im Straßenverkehr altersentsprechend zu verhalten.

Eine weitere Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erblickt der Beklagte darin, dass das Gericht zweiter Instanz gleich dem Erstgericht seinem Antrag auf Beiziehung eines weiteren ärztlichen Sachverständigen zur Schaffung klarer Unterlagen für die Bemessung des Schmerzengeldes nicht entsprochen habe. Hiezu ist auf obiges Vorbringen zu verweisen und zudem zu sagen, dass das Berufungsgericht mit Zustimmung beider Parteien, also auch des Beklagten, eine Beweiswiederholung durch Verlesung der in erster Instanz eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten durchgeführt und daraus die notwendigen Feststellungen für die Bemessung des Schmerzengeldes getroffen hat. Die diesbezüglichen Revisionsausführungen stellen daher den im Revisionsverfahren unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung dar.

Auch die Rechtsrüge erweist sich als nicht zielführend. Was zunächst das Vorbringen anlangt, bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte ein gleichteiliges Verschulden des Fahrers F* P* und des Klägers angenommen werden müssen, so kann der Beklagte auf die eingehenden und zutreffenden Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die Frage, ob einem minderjährigen Kind ein Verschulden zur Last gelegt werden kann, von dessen Einsichtsfähigkeit abhängt (5 Ob 127/68, ZVR 1972/192 S 369, 2 Ob 243/71, ZVR 1975/197 S 277). Die Verantwortlichkeit Unmündiger, insbesondere von Kindern (§ 21 Abs 2, zweiter Satz ABGB) ist unter Berücksichtigung des Maßes an Einsicht, das bei ihnen zur Zeit des Unfalles vorhanden war, und der Art ihres für den Unfall ursächlichen Verhaltens in jedem Einzelfall zu prüfen; bei Feststellung eines Verschuldens ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit dem Kind nach seinem Alter und seiner geistigen Entwicklung sein Verhalten als Verschulden anzurechnen ist (1 Ob 98/71, ZVR 1972/192 S 369, 2 Ob 243/71, 8 Ob 193/72 u.v.a., zuletzt etwa 1 Ob 554/77). Legt man zugrunde, dass der Kläger wegen seiner Unreife und Impulshaftigkeit zum Unfallszeitpunkt noch nicht in der Lage war, beim Überqueren der Straße die entsprechenden Vorsichtsmaßregeln zu beachten und sich im Straßenverkehr altersentsprechend zu verhalten, dann kann in der Auffassung des Berufungsgerichtes, dass dem Kläger kein Mitverschulden an dem Unfall anzulasten ist, ein Rechtsirrtum nicht erblickt werden.

Was die Höhe des zugesprochenen Schmerzengeldes anlangt, so vertritt der Beklagte die Ansicht, dass dieses bedeutend überhöht sei. Er erachtet ein solches von S 50.000,‑- als angemessen. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Gesetz in der Regel die sogenannte Globalbemessung im Auge hat, mit der – wie das Berufungsgericht zutreffend dargetan hat – alles abgegolten wird, was nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auch für die Zukunft überschaubar ist (ZVR 1962/256, 8 Ob 33/76, 2 Ob 229/76 u.a.). Das Schmerzengeld ist die Genugtuung für alles Ungemach das der Verletzte infolge der Verletzung erdulden muss. Es soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen abgelten, die durch die Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen und dem Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ausgleich für die Leiden und statt der ihm entzogenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen. Es sind also nicht nur die Lauer und Intensität der rein körperlichen Schmerzen sondern auch die seelischen Leiden zu berücksichtigen, die wieder in einem engen Zusammenhang mit der Art und Schwere der Verletzungen und deren Folgen stehen (1 Ob 26/76 u.v.a.). Das alles hat das Berufungsgericht bei Ausmessung des Schmerzengeldbetrages berücksichtigt. Im vorliegenden Fall waren die mit der Verletzung verbundenen rein körperlichen Schmerzen nach Dauer und Intensität beträchtlich. Werden dann auch noch die Unfallsfolgen berücksichtigt (offener Unterschenkelbruch links verbunden mit einer anhaltenden Hemmung des Längenwachstums des linken Beines, wobei die letzte Messung (6. 5. 1975) eine Beinverkürzung nach der Messung am 6. 5. 1975 von sieben Zentimetern deutliche Kreuzbandschwäche im Bereich des linken Kniegelenkes im Sinne eines positiven Schubladenphänomens, Athrophie der Oberschenkelmuskulatur mit zehngradiger Streckhemmung im Kniegelenk und Spitzfußstellung, der äußere Gesamteindruck stellt sich auch mit dem Verkürzungsausgleich von sechs Zentimetern und dem orthopädischen Schuh als eine deutliche Verkrüppelung dar, nach dem gegenwärtigen Zustandsbild ist eine deutliche Beeinträchtigung der körperlichen und sportlichen Aktivität gegeben) dann erscheint der zugesprochene Betrag von S 130.000,– mit dem alle Schmerzen, auch zukünftiges Schmerzgeschehen abgegolten ist, nicht überhöht. Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend darauf hingewiesen, dass jene Schmerzen ausgeklammert bleiben, die durch eine etwaige Operation ausgelöst werden, bzw. solche Schmerzen, die auf nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwartenden, aus heutiger Sicht nicht abschätzbaren Unfallsfolgen basieren.

Das Gericht zweiter Instanz hat bei Bemessung des Schmerzengeldes richtigerweise auch auf die mittlerweile eingetretene Geldwertverdünnung Bedacht genommen. Der Ansicht des Beklagten, dass von ihm nur jener Betrag verlangt werden könne, der in dem Zeitpunkt angemessen gewesen wäre, in welchem bei rechtzeitiger Geltendmachung Zahlung durch den Haftpflichtversicherer des F* P* erfolgt wäre, kann nicht gefolgt werden. Wenn der Kläger bis heute, also zehn Jahre nach dem Unfall, noch nicht zu dem ihm gebührenden Schmerzengeld gekommen ist, dann hat dies, wie noch darzustellen sein wird, der Beklagte zu vertreten; ihm trifft daher die seit dem Tage der Verletzung (31. 3. 1967) bis zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz eingetretene Kaufkraftminderung der Währung, so dass diese bei der Bemessung des Schmerzengeldes zu berücksichtigen war.

Ebenso wie in der Berufung meldet der Beklagte auch in der Revision Bedenken gegen die Formulierung des Feststellungsbegehrens an. Der Kläger könne nicht die Haftung des Beklagten aus dem Verkehrsunfall vom 31. 3. 1967 in Anspruch nehmen, weil er diesen nicht verschuldet habe. Der Kläger hätte bestenfalls die Feststellung begehren können, dass ihm der Beklagte für zukünftige Schäden zu haften habe, insoweit dem Kläger aus dem Unfall vom 31. 3. 1967 ein Ersatzanspruch gegenüber F* P* zusteht. Diese Bedenken vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu teilen. Wie das Gericht zweiter Instanz zutreffend aufgezeigt hat, hätte auch F* P* dem Kläger für alle künftigen Schäden aus diesem Verkehrsunfall zur Gänze zu haften; der Rechtsgrund der Haftung des Beklagten kommt aber im Begehren ohnehin nicht zum Ausdruck. Mit Recht verweist das Berufungsgericht darauf, dass es stets die Absicht des Klägers war, den Beklagten nur für jene Schadenersatzansprüche haftbar zu machen, die durch dessen Verschulden wegen Anspruchsverjährung gegenüber dem Schädiger bzw dessen Haftpflichtversicherer nicht mehr geltend gemacht werden können. Da den Kläger, wie aufgezeigt, ein Mitverschulden an dem Unfallsgeschehen nicht trifft, geht auch das Revisionsbegehren fehl, dem Feststellungsbegehren nur hinsichtlich einer Haftung im Ausmaß von 50 % stattzugeben.

Auch der Ansicht des Beklagten, dass die gegen ihn geltend gemachten Ansprüche verjährt seien, kann nicht gefolgt werden. Durch Teilzahlungen wird die Verjährung der Gesamtforderung unterbrochen, wenn sie als solche erkennbar sind; es muss also deutlich sein, dass der Schuldner mit der Zahlung nur einen Teil seiner Schuld abtragen will und den Gläubiger damit nicht gänzlich zu befriedigen glaubt (SZ 37/29, SZ 43/183, Klang in Klang2 VI 653). Die Zahlung muss auf Abschlag für eine weitergehende Verpflichtung gemacht werden (ZVR 1960/80, ZVR 1971/206), also eine „Abschlagzahlung“ darstellen (Ehrenzweig2 I/1 320). Legt man gegenständlich zugrunde, dass der Haftpflichtversicherer („Anker-Versicherungs-AG) in dem Schreiben vom 18. 6. 1968 an den Beklagten (Beil ./8) ausdrücklich ausführte, dass sie „a conto“ der dem Minderjährigen R* K* ... zustehenden Schadenersatzansprüche einen weiteren Betrag von S 5.000,– in den nächsten Tagen ... überweisen“ werde, dann ergibt sich daraus im Sinn obiger Ausführungen, dass die Haftung zumindest dem Grunde nach durch den Haftpflichtversicherer anerkannt und (SZ 43/183 u.a., Ehrenzweig a.a.O.), damit die Unterbrechung der Verjährung nach § 1497 ABGB bewirkt worden ist. Die Verjährungsfrist wurde zufolge dieses Anerkenntnisses neu, und zwar ab 18. 6. 1968 in Gang gesetzt (2 Ob 178/76 u.a.).

 

Was aber die vom Beklagten behauptete sogenannte „zweite Verjährung“ anlangt, worunter er die verspätete Klagseinbringung ihm gegenüber versteht, so ist auch diese nicht eingetreten. Der Anspruch des Klägers unterliegt gemäß § 1489 ABGB der dreijährigen Verjährungsfrist. Diese Frist beginnt, wie schon die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, erst dann zu laufen, wenn der Geschädigte den Eintritt des Schadens und die Person des Schädigers kennt. Dies ist aber erst dann der Fall, wenn dem Geschädigten der gesamte, seinen Anspruch begründende Sachverhalt soweit bekannt ist, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben kann (SZ 18/171, SZ 20/236, SZ 40/40, ZVR 1956/127, 7 Ob 718/76 u.a.). Zu den anspruchsbegründenden Tatsachen gehört aber bei geltend gemachter Verschuldenshaftung auch die Kenntnis des Geschädigten von jenen Umständen, aus denen das Verschulden des Schädigers hervorgeht, es sei denn, dass sich dieses aus der offenkundigen Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens selbst ergibt (8 Ob 213/76, 7 Ob 518/76 u.v.a.). Hievon kann jedoch, wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Entscheidung 1 Ob 682, 683/76 zutreffend ausgeführt hat, keine Rede sein, wenn die Erkennbarkeit der für das Verschulden maßgebenden Zusammenhänge eine besondere Fachkunde erfordert, über die der Geschädigte als Laie nicht verfügt. In einem solchen Falle beginnt die Verjährungsfrist solange nicht zu laufen, als die Unkenntnis des Geschädigten über die für das Verschulden des Schädigers maßgebenden Umstände andauert, mag auch der Schaden und die Person des Schädigers bereits bekannt gewesen sein (7 Ob 357/65, 7 Ob 78/70, 7 Ob 518/76). Nach den Urteilsfeststellungen hat der Beklagte der Mutter des Beklagten noch am 13. 10. 1970 schriftlich geraten, klageweise vorzugehen, und zwar mit dem Hinweis, dass sich der Haftpflichtversicherer zu lange Zeit lasse. Angesichts dieser Empfehlung konnte die – keine juristische Vorbildung besitzende – Mutter des Klägers niemals auf den Gedanken kommen, dass die Ansprüche gegenüber dem Haftpflichtversicherer zufolge eines schuldhaften Fehlverhaltens des bestellten Vertreters bereits verjährt sind. So gesehen ist aber die gegen den Beklagten am 4. 5. 1973 überreichte Klage rechtzeitig erhoben.

Soweit der Beklagte darzutun versucht, mit Rücksicht auf die Einbringung der Klage am 4. 5. 1973, in der zunächst ein Schmerzengeld von S 60.000,‑- gefordert wurde, sei die über diesen Betrag hinausgehende, in der Folge vorgenommene Ausdehnung des Schmerzengeldanspruches wegen Verjährung abzuweisen, übersieht er, dass der Kläger innerhalb der Verjährungszeit erfolgreich eine Feststellungsklage eingebracht hat. Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, unterbricht die Einbringung einer zum Erfolg führenden Feststellungsklage die Verjährung aller künftigen aus dem betreffenden Rechtsverhältnis abgeleiteten Ansprüche des Klägers, so dass insbesondere einer Ausdehnung des Begehrens auf Zahlung eines Schmerzengeldes unter dieser Voraussetzung auch nach Ablauf der Verjährungszeit die Einrede der Verjährung nicht mit Erfolg entgegengehalten werden kann (ZVR 1972/31, ZVR 1974/171, 2 Ob 198/76 u.a.).

Es stellt eine schuldhafte Verletzung der einem Rechtsanwalt im Sinne der §§ 1009, 1299 ABGB obliegenden Verpflichtung zur sorgfältigen und sachgemäßen Besorgung der Geschäfte seines Mandanten dar, wenn die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen eines bei einem Kraftfahrzeugunfall Verletzten gegenüber der gegnerischen Versicherung, oder (und) dem Schädiger durch den Ablauf der Verjährungsfrist deshalb vereitelt wird, weil eine rechtzeitige Klageführung unterblieben ist (5 Ob 528/77). Die Revision des Beklagten erweist sich daher als nicht gerechtfertigt.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO

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