European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0050OB00026.77.1011.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Im erstinstanzlichen Verfahren waren neben dem nunmehrigen alleinigen Antragsteller H* auf seiner Seite noch weitere zehn Wohnungseigentumsbewerber des von der Zweitantragsgegnerin als Wohnungseigentumsorganisator errichteten Wohnhauses *, beteiligt. Die Antragsteller behaupteten in ihrem am 28. März 1977 eingebrachten Antrag, anläßlich des Vertragsabschlusses sei ihnen mitgeteilt worden, daß in der gegenständlichen Wohnhausanlage nur Wohnungen errichtet würden. Die Wohnungen seien vor einigen Monaten bezogen worden.
Die Einverleibung des Wohnungseigentums im Grundbuch sei noch nicht erfolgt, der diesbezügliche Vertrag aber bereits von den Parteien formgerecht unterfertigt. Die im Hause * ebenerdig links vom Hauseingang gelegene Wohnung habe die Erstantragsgegnerin erworben. Es habe immer geheißen, daß diese Wohnung nur als solche und nicht zu gewerblichen oder „sonstigen beruflichen Zwecken“ verwendet werden solle. Mitte Februar 1976 habe die Erstantragsgegnerin begonnen, die Wohnung umzubauen, um in dieser einen Facharzt oder allenfalls auch einen praktischen Arzt zu etablieren. Durch diese Bauführung werde eine Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen der Antragsteller herbeigeführt, „weil eine als Wohnung gemietete Räumlichkeit als Praxis für einen Arzt“ verwendet werden soll. Es würde zusätzlichen Lärm durch das Kommen und Gehen der Patienten sowie das Zu- und Abfahren mit Personenkraftwagen geben. Es bestehe die Gefahr des Verstellens von den Antragstellern zugewiesenen Abstellplätzen durch Patienten. Die in der Wohnhausanlage wohnenden Kleinkinder, welche zum Teil vor der Anlage herumliefen, könnten mit Infektionsträgern in Verbindung kommen. Darüber hinaus bedinge die Umwidmung der Wohnung in eine Arztpraxis „eine Nutzwertverschiebung“ und sei diese Änderung schon deshalb unzulässig. Gestellt wurden die Anträge, 1.) beschlußmäßig festzustellen, „daß die Umwidmung der gegenständlichen Wohnung in eine Arztpraxis unzulässig ist“; 2.) die Antragsgegner schuldig zu erkennen, den früheren Zustand binnen einer vom Gericht festzusetzenden Frist wiederum herzustellen. Schließlich wurde mit der Begründung, daß die Marktgemeinde * in der letzten Zeit die Umbauarbeiten „äußerst forciert“ habe, beantragt, den Antragsgegnern mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, die Umbauarbeiten sofort einzustellen.
Die Antragsgegner beantragten, den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen. Sie brachten im wesentlichen vor, die Antragsteller seien „bestenfalls“ Wohnungseigentumsbewerber und daher nicht berechtigt, einen Antrag nach § 13 Abs 2 WEG 1975 zu stellen. Es hätte ihnen bekannt sein müssen, daß in der links vom Hauseingang gelegenen Wohnung im Erdgeschoß des Hauses *, eine Arztpraxis eingerichtet werde.
Das Erstgericht wies die Anträge ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
In dem noch nicht verbücherten, aber auch von den Antragstellern unterfertigten Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag ist unter Punkt XXI. die gegenständliche Wohnung welche in das Eigentum der Marktgemeinde * fallen soll, „als Ordination, Röntgenraum, Büro, Warteraum, Bad, WC, WC, Flur, Windfang, Garderobe, Abstellraum und Loggia gewidmet“. Eigentümer der Liegenschaft EZ *, KG *, ist derzeit noch die Zweitantragsgegnerin. Ein Fenster der gegenständlichen Wohnung wird derzeit von der Marktgemeinde * „als Tür mit einem eigenen Zugang ausgebaut“, damit die künftig den Arzt aufsuchenden Patienten nicht den allgemeinen Stiegenaufgang und das Stiegenhaus benützen müssen. Für den Zugang werden einige Quadratmeter gemeinsamer Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus: Zunächst sei davon auszugehen, daß sowohl den Antragstellern als auch der Erstantragsgegnerin gemäß § 26 Abs 2 Z 1 WEG 1975 Parteistellung zukomme. Es liege jedoch keine Widmungsänderung hinsichtlich der gegenständlichen Wohnung vor. Dies sei schon im Wohnungseigentumsvertrag als Arztordination gewidmet gewesen. Die Antragsteller hätten diesen Umstand bei Unterfertigung des Vertrages leicht feststellen können. Wären sie mit dieser Widmung nicht einverstanden gewesen, hätten sie den Vertrag nicht unterfertigen und sich auch nicht um eine Wohnung: in diesem Haus bewerben dürfen. Wenn auch für die Schaffung - eines eigenen Zuganges für die Arztordination einige Quadratmeter gemeinschaftlicher Liegenschaftsanteile in Anspruch genommen würden, diene diese Änderung - einem wichtigen Interesse der künftigen Wohnungseigentümer. Durch diese Maßnahme werde verhindert, daß Kranke den gemeinsamen Stiegenaufgang benützen müßten. Die Bauführung könne daher gemäß § 13 Abs 2 Z 2 WEG 1975 nicht untersagt werden.
Mit Eingabe vom 8. April 1977 zogen mit Ausnahme des H* die übrigen Antragsteller ihren Antrag zurück.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers H* Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß, soweit er sich auf die Anträge dieses Antragstellers bezog, dahingehend ab, daß es die Anträge zurückwies. Das Rekursgericht führte aus:
Nach § 13 Abs 2 WEG 1975 sei der Wohnungseigentümer zu Änderungen einschließlich Widmungsänderungen an der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeiten auf seine Kosten berechtigt, doch dürfe die Änderung weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen, zur Folge haben. Würden für eine solche Änderung auch gemeinsame Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen, müsse die Änderung überdies entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen. Aus den Bestimmungen des § 26 WEG 1975 hinsichtlich des Verfahrens über Anträge auf Duldung und Unterlassung von Änderungen könne nicht abgeleitet werden, daß auch der Wohnungseigentumsbewerber zur Stellung von Anträgen nach § 13 Abs 2 WEG 1975 berechtigt sei. In dieser Bestimmung des Gesetzes werde nur vom Wohnungseigentümer und von im Wohnungseigentum stehenden Wohnungen gesprochen, während die Rechte des Wohnungseigentumsbewerbers in den §§ 23 bis 25 des WEG 1975 geregelt seien. Daß dem Wohnungseigentumsbewerber die Parteistellung nach dem § 26 Abs 2 Z 1 WEG 1975 zukomme, setze voraus, daß überhaupt ein Verfahren nach § 13 Abs 2 dieses Gesetzes möglich sei, also wenigstens an einer Wohnung bereits Wohnungseigentum bestehe und sich der Antrag auf eine im Wohnungseigentum stehende Wohnung beziehe. Die Auffassung von Faistenberer, Barta, Call im Kommentar zum WEG 1975. daß den Wohnungseigentumsbewerbern die Antragslegitimation nach dem § 13 Abs 2 dieses Gesetzes zuerkannt werden müsse, lasse sich aus den Bestimmungen des Gesetzes nicht ableiten. Es wäre am Gesetzgeber gelegen gewesen, dies deutlich zum Ausdruck zu bringen und nicht im § 13 Abs 2 WEG 1975, ausschließlich auf den Wohnungseigentümer und im Wohnungseigentum stehende Räumlichkeiten abzustellen. Ob die gesetzliche Regelung zweckmäßig, und sinnvoll sei, dürfe nicht überprüft werden, weil es nicht Sache der Rechtsprechung sein könne, vom Gesetzgeber klar und unzweideutig getroffene Bestimmungen aus Zweckmäßigkeitsgründen auf im Gesetz nicht vorgesehene Fälle auszudehnen. Sei, wie im vorliegenden Fall, das Wohnungseigentum noch nicht begründet und die Liegenschaft im bücherlichen Alleineigentum des Wohnungseigentumsorganisators, könnten auch gar nicht gemeinsame Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden, weil solche erst nach der Einverleibung des Eigentumsrechtes der Wohnungseigentümer geschaffen würden, bis dahin aber die gesamte Liegenschaft im Eigentum der Wohnungsaktiengesellschaft bleibe. Auch dies spreche dagegen, den Wohnungseigentumsbewerber dem im § 13 Abs 2 WEG 1975 bezeichneten Wohnungseigentümer gleichzustellen. Die Anträge des H* seien daher zurückzuweisen gewesen.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Rekurs des Antragstellers mit dem Antrag, den Beschluß dahingehend abzuändern, daß den Anträgen des Rekurswerbers stattgegeben werde, allenfalls den Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht aufzutragen, unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund in der Sache selbst zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht gerechtfertigt.
Der Rekurswerber bekämpft die Auffassung des Rekursgerichtes über seine fehlende Legitimation, wobei er im wesentlichen sich auf die Ausführungen von Faistenberger, Barta, Call in ihrem Kommentar zum Wohnungseigentumsgesetz 1975 stützt. Er führt aus, es bestehe offensichtlich eine Gesetzeslücke, welche durch Analogie geschlossen werden müsse. Es müsse „vermittels teleologischer Interpretation auf den Zweck der Bestimmungen des Wohungseigentumsgesetzes 1975 abgestellt werden“. Beschäftigten sich die §§ 23 und 24 dieses Gesetzes ausdrücklich mit dem Schutz des Wohnungseigentumsbewerbers, könne daraus nicht geschlossen werden, er solle in allen übrigen Bestimmungen, in denen der Wohnungseigentumsbewerber nicht angeführt sei, „in seinen Rechten beschnitten werden“. Die Schutzfunktion der §§ 23 und 24 WEG 1975 würde ihren Sinn verlieren, wenn vor der Intabulation des Wohnungseigentumsbewerbers dieser von den Möglichkeiten des § 13 WEG 1975 ausgeschlossen werde.
Der Oberste Gerichtshof vermag der von Faistenberger, Barta, Call in ihrem Kommentar zum Wohnungseigentumsgesetz 1975 in Anmerkung 3 zu § 13 vertretenen Auffassung nicht beizutreten. Das Gesetz unterscheidet zwischen dem Wohnungseigentumsbewerber und dem Wohnungseigentümer. Das Fehlen eines Hinweises in den Verwaltungsvorschriften darauf, daß auch ein Wohnungseigentumsbewerber gleich dem Wohnungseigentümer die entsprechenden Rechte und Pflichten habe, kann nicht, wie die zitierten Autoren meinen, als Gesetzeslücke angesehen werden. Das Gesetz wollte vielmehr, wie sich aus seinem § 13 ergibt, die Verwaltungsrechte nur dem Wohnungseigentümer einräumen. Daß zum Schutz des Wohnungseigentumsbewerbers gegenüber dem Wohnungseigentums-Organisator in den §§ 23 und 24 WEG 1975 besondere Anordnungen getroffen wurden, ändert daran ebensowenig wie die Bestimmung des § 18 Abs 1 Z 2 dieses Gesetzes, daß die Fünfjahresfrist für den Verwaltungsvertrag mit dem erstmaligen Bezug der Baulichkeit beginnt.
Es kann aber auch der Ansicht des Erstgerichtes nicht gefolgt werden, die Parteistellung des Antragstellers ergebe sich schon aus der Bestimmung des § 26 Abs 2 Z 1 WEG 1975. Wenn es dort auch heißt, daß in den im Absatz 1 genannten Verfahren, unter welchen in Ziffer 2 Anträge auf Duldung oder Unterlassung von Änderungen nach § 13 Abs 2 WEG 1975 angeführt sind, allen Miteigentümern der Liegenschaft und den Wohnungseigentumsbewerbern, die dem Gericht vom Antragsteller bekanntgegeben oder sonst bekannt geworden sind, Parteistellung zukommt, ist die Antragslegitimation nicht nach der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 26, sondern nach den materiell-rechtlichen Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes 1975 zu beurteilen (vgl Faistenberger-Barta-Call aaO, S 807, Anm 9 zu § 26; Meinhart, Wohnungseigentumsgesetz, 1975, S 209, zweiter Absatz). Die entsprechende materiell-rechtliche Bestimmung gibt aber, wie bereits oben dargelegt, keinen Anhaltspunkt für eine Antragslegitimation des Wohnungseigentumsbewerbers.
Das Rekursgericht hat im übrigen auch zutreffend darauf verwiesen, daß von gemeinsamen Teilen der Liegenschaft im Sinne der Bestimmungen des § 13 Abs 2 und 3 WEG 1975 erst nach der grundbücherlichen Durchführung des Wohnungseigentums-Vertrages ausgegangen werden kann. Wenn der Rekurswerber demgegenüber ausführt, mit der Fertigstellung des Baues entstehe auch dann eine Gemeinschaft, wenn Wohnungseigentum zugunsten der Wohnungseigentümer noch nicht begründet sei, eine Gemeinschaft bedürfe „keines rechtsgeschäftlichen Begründungsaktes“, übersieht er, daß vor der grundbücherlichen Durchführung der Wohnungseigentumsverträge zufolge des das österreichische Recht beherrschenden Eintragungsgrundsatzes der im Grundbuch eingetragene Eigentümer der Liegenschaft ist. Die einzelnen Wohnungseigentumsbewerber haben gegenüber dem Liegenschaftseigentümer nur die ihnen im § 23 WEG 1975 eingeräumten Rechte.
Da in der Entscheidung des Rekursgerichtes ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen ist, mußte dem Rekurs der Erfolg versagt bleiben.
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