OGH 4Ob532/77

OGH4Ob532/7711.10.1977

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Vogel als Richter in der Rechtssache des Antragstellers Ing. H*, Baumeister, *, vertreten durch Dr. Walter Bacher, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin Stadt *, wegen Einräumung eines Notweges, infolge Rekurses des Zentralverbandes der *, vertreten durch Dr. Alois Bergbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS. Wien als Rekursgerichtes vom 25. Mai 1977, GZ 44 R 238/76‑53, womit der Rekurs des Zentralverbandes der * gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 16. Juni 1976, GZ 1 Nc 151/74‑35, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0040OB00532.77.1011.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Das Erstgericht räumte dem Antragsteller einen Notweg gemäß der Planskizze ON 30, bestehend in der Dienstbarkeit des Fahrweges in einer Breite von 3 m, über die im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden Grundstücke Nr 628 in der EZ * KG * und Nr 588/33 in der EZ * KG * ein. Die Gestaltung des Notweges habe nach den gültigen Regeln des Straßenbaues und den Anweisungen der Magistratsabteilung 28 mit genügend starkem Unterbau und staubfreier Fahrbahndecke zu erfolgen (Punkt 1 des erstgerichtlichen Beschlusses). Es ordnete an, daß der Antragsteller der Antragsgegnerin eine Entschädigung von S 61.800,-- binnen 14 Tagen nach Rechtswirksamkeit des Beschlusses zu bezahlen habe (Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses). Der Beschluß über die Einräumung des Notweges werde erst von dem Zeitpunkt an wirksam, „als dem zu 4 G 1684/74 des BG Döbling anhängigen Kündigungsprozeß rechtskräftig stattgegeben wurde“ (Punkt 3 des erstgerichtlichen Beschlusses). Schließlich traf das Erstgericht noch Anordnungen über die Verbücherung des eingeräumten Notweges (Punkt 4 des erstgerichtlichen Beschlusses).

Der Zentralverband der* (in der Folge kurz Zentralverband genannt) ist Generalpächter sowohl der notwegebedürftigen Liegenschaft des Antragstellers als auch der mit dem Notweg belasteten Grundstücke der Antragsgegnerin. Er hat sich am Verfahren erster Instanz beteiligt und es wurde ihm auch eine Ausfertigung des erstgerichtlichen Beschlusses zugestellt.

Der Beschluß des Erstgerichtes wurde sowohl von der Antragsgegnerin als auch vom Zentralverband mit Rekurs bekämpft.

Das Rekursgericht wies mit dem angefochtenen Beschluß den Rekurs des Zentralverbandes zurück (Punkt 1). Dem Rekurs der Antragsgegnerin gab es teilweise Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung in ihrem Punkt 3) dahin ab, daß es die Rechtswirksamkeit des Beschlusses über die Einräumung des Notweges nicht nur vom Erfolg des Antragstellers in dem gegen den Zentralverband zu 4 C 1684/74 des BG Döbling anhängigen Kündigungsverfahren, sondern auch von der Erteilung einer rechtskräftigen Baubewilligung an den Antragsteller für das Grundstück Nr 588/25 der EZ * KG * abhängig machte (Punkt 2).

Die Zurückweisung des Rekurses des Zentralverbandes begründete das Rekursgericht im wesentlichen damit, daß dieser als Pächter der vom Notweg berührten Grundstücke nicht verfahrensbeteiligt und rekurslegitimiert sei. Aus § 16 Abs 3 NotwegeG lasse sich nicht erschließen, daß jeder, dessen Interessen durch das Verfahren berührt erschienen, Beteiligtenstellung und Rechtsmittelbefugnis habe. Gemäß § 5 Abs 2 NotwegeG seien Personen, denen an der belasteten Liegenschaft obligatorische Rechte zustünden, mit ihren Entschädigungsansprüchen an den Eigentümer verwiesen. Eine dingliche Berechtigung des Zentralverbandes, etwa durch Verbücherung seines Bestandrechtes, sei nicht einmal behauptet worden. Nur in diesem Fall sei seine Beteiligtenstellung zu erwägen. Nur obligatorisch Berechtigte seien nicht Beteiligte des Notwegeverfahrens und damit auch nicht rechtsmittelbefugt.

Auch aus der Bestimmung des § 4 Abs 1 NotwegeG sei zu entnehmen, daß nur die (unmittelbare) Belastung des Eigentümers berücksichtigt werde, nicht aber die (mittelbare) Belästigung obligatorisch berechtigter dritter Personen.

Der Anspruch auf Einräumung eines Notweges sei ein Anspruch aus den nachbarschaftlichen Schranken des Eigentums und demzufolge lediglich zwischen den Eigentümern auszutragen; die bloß mittelbar Berechtigten, bei denen sich der Eingriff gewissermaßen in einer Nebenrichtung auswirke, seien nicht als Verfahrensbeteiligte einzubeziehen. Die obligatorisch Berechtigten seien im Notwegeverfahren bloß darauf verwiesen, daß ihr dinglich berechtigter Vertragspartner im Rahmen seiner Vertragsverpflichtungen nicht nur seine eigenen rechtlichen Interessen, sondern auch die seines Vertragspartners - etwa im Rahmen des § 1096 ABGB - wahrnehmen werde.

Damit kam das Rekursgericht zur Zurückweisung des Rekurses des Zentralverbandes.

Gegen die Zurückweisung seines Rekurses durch das Rekursgericht richtet sich der vorliegende Rekurs des Zentralverbandes, wobei er auch erklärt, „ vorsichtshalber bei Bejahung seiner Rekurslegitimation den Beschluß des Rekursgerichtes auch in seinem Punkt 2) wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit anzufechten.“ Er beantragt, „der Oberste Gerichtshof wolle in Stattgebung seines Rekurses über seinen von der 2. Instanz als unzulässig zurückgewiesenen Rekurs unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund selbst sachlich unter Abänderung der angefochtenen Beschlüsse der Unterinstanzen im Sinne der Abweisung des Begehrens des Antragstellers auf Einräumung eines Notweges entscheiden“ hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Antragsteller hat keine Äußerung im Sinne des § 16 Abs 3 und 5 NotwegeG erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Wenn der Rekurswerber zunächst ausführt, daß seine Unterpächter Eigentümer von Bauwerken im Sinne des § 435 ABGB auf den vom Notweg betroffenen Grundstücken seien, so ist dem zu entgegnen, daß er damit nicht eigene dingliche Rechte an diesen Grundstücken behauptet und daß überdies nach den Verfahrensergebnissen Eigentumsrechte seiner Unterpächter an solchen Superädifikaten durch die Einräumung des Notweges nicht beeinträchtigt werden.

Dem Zentralverband stehen also dingliche Rechte an den von der Einräumung des Notweges betroffenen Liegenschaften nicht zu; er ist Generalpächter dieser Liegenschaften im Sinne der Bestimmungen der §§ 4 ff KleingartenG und hat damit keine dinglichen Rechte an den gepachteten Liegenschaften sondern nur obligatorische Ansprüche gegen seinen Vertragspartner.

Aus dieser Rechtsstellung des Zentralverbandes kann aber seine Beteiligtenstellung im Verfahren nach dem NotwegeG nicht abgeleitet werden.

Nach der Vorschrift des § 5 Abs 2 NotwegeG kommt der Entschädigungsanspruch dem Eigentümer der belasteten Liegenschaft gegen den wegebedürftigen Eigentümer unmittelbar zu. Andere an dieser Liegenschaft Berechtigte (Nutzungsberechtigte, Bestandnehmer usw) sind mit ihren Entschädigungsansprüchen, sofern es sich nicht um dingliche Rechte handelt, zu deren Befriedigung das Entschädigungskapital zu dienen hat (§ 22 NotwegeG), an den Eigentümer derselben verwiesen; bei der Feststellung der Entschädigung ist auch auf diejenigen Nachteile Rücksicht zu nehmen, welche diese Berechtigten durch die Einräumung des Notweges erleiden. Schon aus dieser Vorschrift ergibt sich, daß das Gesetz demjenigen, der gegen den Eigentümer einer von der Einräumung eines Notweges betroffenen Liegenschaft nur obligatoriche Ansprüche hat, im Notwegeverfahren nicht die Beteiligtenstellung einräumt. Denn der Verfahrensregelung nach dem NotwegeG dienten die Bestimmungen des EisenbahnenteignungsG zum Vorbild (Erläuternde Bemerkungen zum Gesetzentwurf, Nr 1292 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses, XI. Session, 1895). Die Bestimmung des § 5 Abs 2 NotwegeG entspricht inhaltlich im wesentlichen der des § 5 EisenbahnenteignungsG. Daß die letztgenannte Vorschrift dem nur obligatorisch Berechtigten nicht die Beteiligtenstellung einräumt, wird in der Rechtsprechung vertreten (vgl SZ 33/73). Die gleichen Überlegungen müssen aber auch bezüglich der Vorschrift des § 5 Abs 2 NotwegeG gelten.

Daß im übrigen das Notwegegesetz davon ausgeht, dass - abgesehen von allfälligen sonstigen dinglich Berechtigten an der belasteten Liegenschaft - nur die Eigentümer der notwegebedürftigen und der belasteten Liegenschaft dem Verfahren beizuziehen sind, ergibt sich nicht nur aus § 5 Abs 2 NotwegeG, sondern auch aus den Vorschriften der §§ 10 Abs 2, 11 Abs 1, 12 Abs 3 und 18 Abs 1 NotwegeG.

Unter diesen Umständen hat das Rekursgericht mit Recht die Beteiligtenstellung und damit die Rekurslegitimation des Zentralverbandes verneint und dessen Rechtsmittel zurückgewiesen.

Dem vorliegenden Rekurs mußte daher der Erfolg versagt bleiben.

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