European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0050OB00620.77.0621.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten der Revision sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Am 25. Oktober 1971 schlossen die Beklagten und I* als Miteigentümer – der Erstbeklagte zur Hälfte, die Zweitbeklagte und I* zu je einem Viertel – der Liegenschaft E*, mit der klagenden Partei einen Mietvertrag über im Hause befindliche Geschäftslokale auf die Dauer von fünf Jahren; im Mietvertrag verpflichtete sich die klagende Partei, einen gerichtlichen Vergleich zu unterfertigen, nach Ablauf von fünf Jahren das Bestandobjekt zu räumen und geräumt zu übergeben. Am 25. Oktober 1971 wurde auch zu C 1131/71 des Bezirksgerichtes Eisenstadt ein Vergleich abgeschlossen, mit dem sich die klagende Partei zur Räumung am 31. Oktober 1976 verpflichtete. Mit notariellem Übergabsvertrag vom 1. Februar 197 (verbüchert am 29. Juli 1974) übergab die Zweitbeklagte ihren Viertelanteil an der Liegenschaft ihrer Tochter I*, die gleichzeitig der Zweitbeklagten das Fruchtgenußrecht an ihrem nunmehrigen Hälfteanteil einräumte.
Mit ihrer am 5. Oktober 1976 eingebrachten Klage C 1326/76 des Erstgerichtes begehrte die klagende Partei gegenüber den Beklagten und I* die Feststellung, daß der am 25. Oktober 1971 abgeschlossene Räumungsvergleich ungültig (rechtsunwirksam) sei. In der Tagsatzung vom 4. November 1976 wendete die Zweitbeklagte die mangelnde Passivlegitimation ein, weil sie ihren Miteigentumsanteil I* übergeben habe. Die klagende Partei zog darauf die Klage gegen die Zweitbeklagte zurück. Am 23. November 1976 (C 1613/76 des Erstgerichtes) brachte die klagende Partei die Feststellungsklage gegen die Zweitbeklagte neuerlich ein, weil sie die Klage gegen die Zweitbeklagte nur wegen ihrer Behauptung zurückgezogen hätte, nicht mehr Miteigentümerin des Hauses zu sein; sie sei aber fruchtgenußberechtigt. Das Erstgericht verband die beiden Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und gab dem Klagebegehren den Beklagten gegenüber statt, das Klagebegehren gegen I* wurde rechtskräftig abgewiesen.
Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es auch das Klagebegehren gegen die Beklagten abwies; es sprach aus, daß der durch das Urteil des Berufungsgerichtes getroffene Wert des Streitgegenstandes 2.000,-- S übersteige. Mehrere Miteigentümer als Bestandgeber seien einheitliche Streitgenossen; ein Bestandvertrag könne nur in bezug auf alle Bestandgeber gültig oder ungültig sein. Die Klage hätte daher nur gegen beide Beklagte erhoben werden können. Die klagende Partei habe aber ihre Klage gegen die Zweitbeklagte zunächst zurückgezogen und nur später wieder eingebracht. Durch die Verbindung der Klagen zur gemeinsamen Verhandlung sei weder eine einfache noch eine einheitliche Streitgenossenschaft herbeigeführt worden.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Partei, die den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag geltend macht, das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, daß das Urteil erster Instanz wiederhergestellt werde, oder, falls diesem Anträge nicht Folge gegeben werden sollte, das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsschöpfung zurückzuverweisen.
Die Beklagten beantragen, der Revision keine Folge zu geben und das Urteil des Berufungsgerichtes zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß eine einheitliche Streitpartei (notwendige Streitgenossenschaft) dann gegeben ist, wenn die Gemeinschaftlichkeit der rechtserzeugenden Tatsachen zwangsläufig zu einer Einheitlichkeit der Entscheidung führen muß (SZ 47/93; JBl 1969, 97; SZ 38/32 ua). Nach ständiger Rechtsprechung bilden bei einem Streit um das Bestehen eines Bestandverhältnisses mehrere Miteigentümer als Bestandgeber eine einheitliche Streitpartei, da dieses Verhältnis ihnen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann (MietSlg 23.636 ua, Fasching II 194). Die Prozeßordnung fordert jedoch nicht, daß die an einem Rechtsverhältnis Beteiligten stets gemeinsam klagen müßten; ob dies der Fall ist, richtet sich im wesentlichen nach der materiellrechtlichen Beurteilung des Streitgegenstandes, ob dieser nämlich eine einheitliche Entscheidung erfordert (JBl 1969, 339). Notwendige Streitgenossenschaft liegt im Zweifel nur vor, wenn bei Nichterfassung aller Teilhaber die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch verschiedene Entscheidungen zu besorgen wäre; ob eine derartige Gefahr besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (RZ 1968, 108).
Im vorliegenden Fall wird nicht die Feststellung begehrt, daß ein Bestandverhältnis besteht, sondern daß ein Räumungsvergleich ungültig (rechtsunwirksam) sei; das Bestehen eines Bestandverhältnisses ist nur eine Vorfrage.
Das Prozeßgericht hat die Verfahren über übereinstimmende Klagebegehren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und eine einheitliche Entscheidung getroffen; eine Gefahr unlösbarer Verwicklungen ist nicht zu ersehen. Daß durch die bloße Verbindung von Klagen zur gemeinsamen Verhandlung weder eine einfache noch eine einheitliche Streitgenossenschaft begründet wird (MietSlg 27.647; JBl 1957, 321; Fasching II 892), ist dann aber für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Belang. Die Abweisung der Klagebegehren aus dem vom Berufungsgericht herangezogenen Grund hält damit der Oberste Gerichtshof für nicht gerechtfertigt. Eine abschließende rechtliche Beurteilung der Sache ist dem Obersten Gerichtshof verwehrt, da das Berufungsgericht zu den Darlegungen des erstgerichtlichen Urteils und den weiteren der Berufung nicht Stellung genommen hat und die Berufung nicht nur die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes bekämpft, sondern auch Aktenwidrigkeit geltend macht. Es steht daher noch nicht fest, von welchem Sachverhalt ausgehend die rechtliche Beurteilung stattzufinden hat. Es ist demnach das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO
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