OGH 3Ob533/77

OGH3Ob533/7717.5.1977

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Winkelmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Kinzel, Dr. Reithofer, Dr. Stix und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* S*, Firmengesellschafter, *, vertreten durch Dr. Walter Strigl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei T*gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Franz Eckert und Dr. Friedrich Eckert, Rechtsanwälte in Baden, wegen Nichtigerklärung von Generalversammlungsbeschlüssen (Streitwert S 500.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. 2. 1977, GZ 3 R 300/76‑31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 2. 11. 1976, GZ 14 Cg 278/75‑26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0030OB00533.77.0517.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.797,76 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 725,76 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Unbestritten ist folgender Sachverhalt:

Der „A* Gesellschaft m.b.H.“, deren Firmenwortlaut auf Grund eines der in der außerordentlichen Generalversammlung dieser Gesellschaft am 18. 8. 1975 gefaßten Beschlüsse in „T* Vertriebsgesellschaft m.b.H.“ geändert wurde, gehören der nunmehrige Kläger A* S* mit einer Stammeinlage von S 49.000,--, Dr. H* J* mit einer Stammeinlage von gleichfalls S 49.000,-- und die A* S* Handelsgesellschaft m.b.H. mit einer Stammeinlage von S 2.000,-- als Gesellschafter an.

Nach dem Gesellschaftsvertrag entfällt bei Beschlußfassungen der Gesellschaft auf je S 1.000,-- einer Stammeinlage eine Stimme, für die Einberufung von Generalversammlungen, den Inhalt der Tagesordnung, für Abänderungen des Gesellschaftsvertrages und Abänderungen des Unternehmensgegenstandes enthält der Gesellschaftsvertrag keine besonderen Vorschriften, insoweit gelten daher die gesetzlichen Bestimmungen. Der Punkt 13 des Gesellschaftsvertrages lautet: „Die Bekanntmachungen der Gesellschaft erfolgen durch Übersendung eingeschriebener Briefe an die einzelnen Gesellschafter unter der der Gesellschaft zwecks Eintragung in das Anteilsbuch zuletzt bekanntgegebenen Adresse“.

Geschäftsführer dieser nunmehr beklagten Gesellschaft mit Kollektivvertretung sind Dr. H* J* und Dkfm. J* S*, letzterer als Nachfolger des Ende August 1974 aus der Geschäftsführung ausgeschiedenen Klägers.

Der Kläger begehrt mit seiner am 10. 9. 1975 (also jedenfalls innerhalb der Frist des § 41 Abs 4 GesmbHG) eingebrachten Klage die Nichtigerklärung der von der Beklagten in der außerordentlichen Generalversammlung vom 18. 8. 1975 gefaßten Beschlüsse auf Änderung des Firmenwortlautes und des Unternehmensgegenstandes, in erster Linie mit der Begründung, die beiden Geschäftsführer der Beklagten hätten die an den Kläger gerichtete Einladung zu dieser Generalversammlung an die Anschrift B*, gesendet, obwohl beide genau gewußt hätten, daß der Kläger seit mehr als einem Jahr nicht mehr dort wohne; außerdem sei den Geschäftsführern, insbesondere Dkfm. S*, bekannt gewesen, daß der Kläger am 7. 8. 1975 zu einem Auslandsurlaub abgereist sei, am Urlaubsort nicht erreichbar sein und erst nach dem 18. 8. 1975 nach Wien zurückkehren werde. Wegen dieser untauglichen und gegen Treu und Glauben verstoßenden Art der Einladung habe der Kläger vom Termin der außerordentlichen Generalversammlung, der übrigens im Gegensatz zu früheren Gepflogenheiten nicht einvernehmlich festgesetzt worden sei, erst nach Urlaubsrückkehr am 25. 8. 1975 Kenntnis erlangt, er sei bei der am 18. 8. 1975 abgehaltenen Generalversammlung mit der bewußt unrichtigen Protokollierung, daß er „trotz ordnungsgemäßer Ladung“ nicht erschienen sei, ausgeschaltet worden, die „Generalversammlung“ habe der Geschäftsführer und Gesellschafter Dr. H* J* im Alleingang bestritten.

Die Beklagte beantragt Klagsabweisung, weil der Kläger in der letzten Generalversammlung vom 6. 12. 1974 selbst die B* Anschrift als seine Anschrift angegeben habe und daher das Einladungsschreiben mit Recht an diese Anschrift gesendet worden sei. Wenn der Kläger vor Antritt seines Urlaubes keine Vorkehrungen für die Ermöglichung einer Zustellung getroffen habe, gehe dies auf sein Risiko; im übrigen sei dem Kläger das Vorhaben einer Änderung des Firmenwortlautes ohnedies bekannt gewesen, er habe auch kein Interesse an der Beibehaltung des ursprünglichen Firmenwortlautes (zur Behauptung des Klägers, die Geschäftsführer der Beklagten hätten vom Auslandsuraub und der Unerreichbarkeit des Klägers Kenntnis gehabt, wurde von der beklagten Partei bezeichnenderweise prozessual zunächst überhaupt nicht Stellung genommen, und knapp vor Prozeßende in erster Instanz – AS 145 – lediglich behauptet, daß in Gegenwart des Dkfm. S* „nicht über die genauen Urlaubsdaten des Klägers gesprochen“ worden sei).

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte – abgesehen von früheren Ereignissen, wonach die Gesellschaft bereits bei der außerordentlichen Generalversammlung vom 6. 11. 1973 die Änderung des Firmenwortlautes in „T* Gesellschaft m.b.H.“ beschlossen hatte, diese Änderung jedoch wegen ablehnender Stellungnahme der Handelskammer Wien nicht durchgeführt werden konnte und in der ordentlichen Generalversammlung vom 6. 12. 1974 die Änderung des Firmenwortlautes in „T*gesellschaft m.b.H.“ zur Diskussion stand, aber von der Tagesordnung abgesetzt wurde, weil der Kläger sein diesbezügliches Einverständnis an Bedingungen knüpfte – folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Der Kläger benützte bis zu seiner Ehescheidung im Frühjahr 1974 sowohl die damalige Ehewohnung in B*, als auch die Wohnung W*. Seit Ostern 1974 wohnt er nur mehr in der zuletzt genannten Wohnung in W*, benützte aber noch im Jahr 1974 Briefpapier mit der B* Anschrift auf dem Briefkopf, nach seiner Darstellung zum Aufbrauch des noch vorhandenen alten Briefpapiers. Die Einladung zur ordentlichen Generalversammlung am 6. 12. 1974 wurde dem Kläger unter der W* Anschrift zugestellt, der Kläger nannte allerdings in dieser Generalversammlung auf die Frage, wohin die Post gesendet werden solle, die B* Anschrift (nach dem Akteninhalt erhielt er jedoch von Dr. H* J* dessen ungeachtet im Jänner 1975 ein Schreiben wiederum so wie früher an die W* Anschrift adressiert, siehe Beilage H).

Am 6. 8. 1975 erfuhr der Geschäftsführer der Beklagten Dkfm. J* S*, mit welchem der Kläger schon vorher über eine Urlaubsreise nach Norwegen gesprochen hatte, definitiv davon, daß der Kläger sich am 7. 8. 1975 auf ca. 14 Tage nach Norwegen auf Urlaub begeben und schwer erreichbar sein werde. Dkfm. S* wußte zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nichts von der beabsichtigten Festsetzung eines Termins für eine außerordentliche Generalversammlung mit 18. 8. 1975, welchen Termin der Geschäftsführer Dr. H* J* vorgesehen hatte, ohne „im Zeitpunkt der Festsetzung“ Kenntnis von der urlaubsbedingten Abwesenheit des Klägers zu haben. Als Dkfm. S* das von Dr. J* vorbereitete und von diesem bereits unterfertigte (an den Beklagten unter der B* Anschrift gerichtete) Einladungsschreiben für die außerordentliche Generalversammlung am 18. 8. 1975 in seiner Unterschriftsmappe vorfand, unterzeichnete er dieses Schreiben gleichfalls, ohne Dr. J* von der (ihm bekannten!) Urlaubsabwesenheit des Klägers am 18. 8. 1975 zu informieren.

Solange der Kläger und Dr. J* zusammen Geschäftsführer waren, wurden Termine immer aufeinander abgestimmt; bereits bei der öffentlichen Generalversammlung vom 6. 12. 1974 geschah dies jedoch nicht mehr.

Der Kläger reiste am 7. 8. 1975 nach Norwegen ab und kam erst am 25. 8. 1975 wieder zurück. In der ersten Woche, welche er in einer Hütte bei Kirkenes verbrachte, wäre er telefonisch erreichbar gewesen (die diesbezügliche Telefonnummer war der Beklagten bekannt, insbesondere hatte Dr. J* früher dort selbst den Urlaub verbracht), in der zweiten Woche hielt sich der Kläger in der Wildnis auf und war praktisch unerreichbar.

Der Kläger hatte nach Verlassen der Wohnung in B* beim dortigen Postamt für die unter der Anschrift „B*“, einlangenden Poststücke einen Nachsendeauftrag an die Büroanschrift der Firma „F*“ in W*, gestellt. Die im Büro dieser Firma beschäftigte L* G*, welche durch die Sekretärin Z* den Auftrag erhalten hatte, die an den Kläger gerichtete Post zu sammeln, übernahm am 12. 8. 1975 das (vom Postamt B* weitergesendete) Einladungsschreiben an den Kläger für die Generalversammlung vom 18. 8. 1975, versah das Kuvert mit einem entsprechenden Eingangsvermerk und legte es (ohne es zu öffnen) bis zum Urlaubsende des Klägers gesondert ab.

Die außerordentliche Generalversammlung der Beklagten wurde am 18. 8. 1975 ohne den nicht erschienenen Kläger durchgeführt, er erfuhr von den Vorgängen und den in der Generalversammlung gefaßten Beschlüssen erst nach seiner Urlaubsrückkehr am 25. 8. 1975.

Bei diesem Sachverhalt vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß die Einberufung der Generalversammlung für den 18. 8. 1975 nicht ordnungsgemäß erfolgt und das Klagebegehren daher berechtigt sei.

Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht diese Entscheidung des Erstgerichtes, wobei es aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,-- übersteigt.

Das Berufungsgericht sah die geltend gemachten Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung nicht als gegeben an und billigte auf Grund des festgestellten Sachverhaltes mit ausführlicher Begründung auch die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Erstgericht.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in klagsabweisendem Sinne abzuändern.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falls ist entscheidend, daß nach den von den Vorinstanzen getroffenen tatsächlichen Feststellungen einerseits die Einladung zur gegenständlichen außerordentlichen Generalversammlung von beiden kollektiv zeichnungsberechtigten Geschäftsführern ausging (unterfertigt wurde), andererseits einer dieser beiden Geschäftsführer bereits bei Unterzeichnung des Einladungsschreibens an den Kläger wußte, daß die schriftliche Einladung den Adressaten infolge seines Aufenthaltes an einem völlig abgeschiedenen Ort in Norwegen kaum erreichen könne. Der Umstand, daß die Generalversammlung an sich von Dr. H* J* allein hätte einberufen werden können, ändert nichts an der getroffenen Feststellung, daß die gegenständliche Generalversammlung von beiden kollektiv vertretungsbefugten Geschäftsführern einberufen wurde.

Bei kollektiver Vertretungsbefugnis und tatsächlich kollektiver Vertretung genügt nun nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes die Kenntnis eines der beiden kollektiv handelnden Vertreter, um dessen Kenntnis der vertretenen Gesellschaft zuzurechnen (ebenso insbesondere Gellis, Kommentar zum GesmbHG, 74). Ist aber der beklagten Gesellschaft die Kenntnis zuzurechnen, daß sie die Einladung zur Generalversammlung für den 18. 8. 1975 an einen Gesellschafter sandte, der davon infolge seiner Abwesenheit gar nicht rechtzeitig Notiz nehme konnte, so widersprach diese Einladung ganz eindeutig dem Zweck der für derartige Einladungen normierten Vorschrift des § 38 Abs 1 GesmbHG, die Berufung der Generalversammlung den Gesellschaftern bekanntzugeben (vgl. Gellis, 128 ua); die Einhaltung der leeren Form wurde hier vielmehr geradezu zur Verhinderung des vorgesehenen Zweckes der Einladung mißbraucht. In einem derartigen Fall kommt der Frage, ob ein Kaufmann bei Abwesenheit Vorsorge dafür zu treffen hat, daß ihn Zustellungen erreichen, keine Bedeutung zu.

Demzufolge entsprach die gegenständliche Einladung des Klägers zur außerordentlichen Generalversammlung für den 18. 8. 1975 in Wahrheit nicht dem Gesetz (§ 38 GesmbHG), ohne daß hiebei die Bestimmungen des gegenständlichen Gesellschaftsvertrages (insbes. Pkt 13.) auszulegen wären bzw darauf eingegangen werden müßte, ob die Einladung an die B* Anschrift oder W* Anschrift des Klägers zu richten gewesen wäre. Aus diesem Grund war zufolge §§ 38 Abs 4, 41 Abs 1 Z 1 GesmbHG der Ausspruch der Nichtigkeit der bei dieser Generalversammlung in Abwesenheit des Klägers gefaßten Beschlüsse (auf Abänderung des Firmenwortlautes und Änderung des Unternehmensgegenstandes) berechtigt (vgl. Gellis, 145 ua), und zwar unabhängig davon, ob der Kläger mit dem Inhalt dieser Beschlüsse allenfalls einverstanden gewesen wäre (vgl. hiezu EvBl 1976/247, HS 2213, 2214 ua).

Da somit die rechtliche Beurteilung der Sache durch die Vorinstanzen einwandfrei ist, war der Revision nicht Folge zu geben.

 

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO, allerdings konnte dem Kläger ein von ihm nicht ausgelegter Betrag (bisher nicht entrichtete Gerichtskostenmarken) nicht als Bar-„Auslage“ zugesprochen werden.

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