European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0040OB00507.77.0517.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
I.) Dem Rekurs gegen den Beschluß ON 18 wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
II.) Dem Rekurs gegen den Beschluß ON 24 wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht die Fällung einer neuen Entscheidung nach Beweisaufnahmen aufgetragen.
Begründung:
Das Rekursgericht wies den von der beklagten Partei gegen den Beschluß des Erstgerichtes, mit dem dieses die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit verworfen hatte, erhobenen Rekurs mit der Begründung zurück, der für die beklagte Partei einschreitende Rechtsanwalt habe trotz Aufforderung durch das Rekursgericht eine ihm von der beklagten Partei angeblich erteilte Prozeßvollmacht nicht nachgewiesen, sodaß der von diesem Rechtsanwalt unterfertigte Rekurs nicht als von der beklagten Partei eingebracht angesehen werden könne. Die von diesem Rechtsanwalt vorgelegte Vollmacht trug nämlich nur die Unterschrift „H*“, ohne daß die Firma der beklagten Partei im Sinne des § 18 Abs 2 GesmbHG beigesetzt worden wäre. Die beklagte Partei habe diesen Mangel innerhalb der vom Rekursgericht eingeräumten Frist nicht behoben.
Gegen diesen dem Beklagtenvertreter am 11. Februar 1977 zugestellte Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den Aufhebungsbeschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die Fällung einer sachlichen Entscheidung über den Rekurs der beklagten Partei aufzutragen.
Gleichzeitig brachte die beklagte Partei, nachdem bereits am 22. Februar 1977 eine firmenmäßig gezeichnete Prozeßvollmacht vorlegt worden war, beim Rekursgericht einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Vorlage einer ordnungsgemäß gefertigten Prozeßvollmacht ein. Sie führte in diesem Antrag aus, ihr Rechtsvertreter habe nach Einlangen des vom Rekursgericht erteilten Verbesserungsauftrages seiner seit 15 Jahren in Anwaltskanzleien beschäftigten Kanzleileiterin den Auftrag erteilt, die Vollmacht durch Beifügung der Firmenbezeichnung zu ergänzen und gemeinsam mit einem vom Beklagtenvertreter gefertigten Schriftsatz an das Rekursgericht zu senden. Er sei davon überzeugt gewesen, daß die Angestellte seinen Auftrag – wie stets – peinlich genau befolgen werde. Die Kanzleileiterin habe jedoch versehentlich die Vollmacht ohne Ergänzung an das Rekursgericht übersendet.
Das Rekursgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag ab. Die Prozeßpartei habe, so führte es aus, die Handlungen ihres Vertreters grundsätzlich selbst zu verantworten. Daraus ergebe sich, daß Fehler des beauftragten Rechtsanwaltes oder seines Kanzleipersonals einen Wiedereinsetzungsgrund nicht bilden. Die Partei müsse das Verschulden ihres Anwaltes vertreten. Im vorliegenden Fall treffe den Beklagtenvertreter Jedoch schon nach seinem eigenen Vorbringen ein Verschulden, weil er es pflichtwidrig unterlassen habe zu prüfen, ob die Vollmacht durch Beisetzung des Firmenwortlautes ergänzt worden sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die Fällung einer neuen Entscheidung nach Beweisaufnahme aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der erstgenannte Rekurs ist nicht berechtigt; der letztgenannte Rekurs hingegen ist zulässig (8 Ob 49, 50/71; RiZtg. 1965, 162; SZ 24/299 ua) und berechtigt.
I.) Zum Rekurs gegen den Beschluß ON 18:
Die beklagte Partei hält den Ausführungen des Rekursgerichtes lediglich die nicht näher begründete Auffassung entgegen, das Fehlen des Firmenwortlautes rechtfertige nicht die Annahme eines Vollmachtsmangels. Im übrigen habe die beklagte Partei einen allfälligen Mangel durch Beifügung des Firmenwortlautes inzwischen behoben.
Die beklagte Partei übersieht zunächst, daß die nach der Fällung der Rekursentscheidung erfolgte Behebung des Mangels auf die bereits ergangene Rekursentscheidung nicht zurückwirkt. Maßgebend ist vielmehr die Beantwortung der Frage, ob im Zeitpunkt der Fällung der Rekursentscheidung ein solcher Mangel bestanden hat. Dem Rekursgericht ist aber darin beizupflichten, daß sich die Form der Fertigung der Prozeßvollmacht für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach der Bestimmung des §18 Abs 2 zweiter Satz GesmbHG richtet. Danach geschieht die Zeichnung in der Weise, daß die Zeichnenden zu der Firma der Gesellschaft ihre Unterschrift hinzufügen. Wenn es auch für den Nachweis der Erteilung einer Prozeßvollmacht genügt, daß eine andere Person als der Vollmachtgeber durch Beisetzung ihrer Unterschrift bestätigt, daß sie von der Vollmachtserteilung an den Bevollmächtigten Kenntnis habe (Fasching II, 261), so muß eine derartige Wissenserklärung doch als solche der Bestätigung zu entnehmen sein. Dieser Fall einer Wissenserklärung liegt aber hier nicht vor. Der zeichnungsberechtigte Geschäftsführer der als Vollmachtgeber auftretenden beklagten Partei war daher verpflichtet, in Befolgung der Vorschrift des § 18 Abs 2 zweiter Satz GesmbHG die Firma anzuführen und seiner Unterschrift hinzuzufügen. Da dies trotz des vom Rekursgericht erteilten Verbesserungsauftrages nicht geschehen war, mußte der durch eine Vollmacht nicht gedeckte Rekurs zurückgewiesen werden. Diese Entscheidung des Rekursgerichtes begegnet daher keinen Bedenken.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40, 50, 52 ZPO begründet.
II.) Zum Wiedereinsetzungsantrag:
Ein Ergebnis ist dann unvorhergesehen im Sinne des § 146 Abs 1 ZPO, wenn die Partei den Eintritt des Ereignisses nicht mit eingerechnet hat und wenn sie ihn auch unter Bedachtnahme auf die der Partei oder ihrem Vertreter persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (Fasching II, 726). An das Maß der erforderlichen Aufmerksamkeit und Voraussicht ist zwar ein strenger Maßstab anzulegen, doch darf dies nicht zu einer Überspannung der an die Partei oder an deren Vertreter zu stellenden Anforderungen führen. Es ist jenes Maß an Aufmerksamkeit und Voraussicht zu fordern, wie es nach der Lebenserfahrung von einer vernünftigen und durchschnittlich gewissenhaften Person angesichts der Bedeutung der vorzunehmenden Handlung unter den gegebenen Umständen aufgewendet zu werden pflegt und daher zu verlangen ist. Wenn auch der auf Fasching (a.a.O. 730) gestützten Auffassung des Rekursgerichts, soweit es den Rechtsvertreter und dessen Verschulden betrifft, beizustimmen ist, daß die Partei die Handlungen (und Versäumnisse) ihres Vertreters grundsätzlich gegen sich gelten lassen muß und dessen Verschulden zu vertreten hat, so ist doch in jedem Fall genau zu prüfen, ob dem Vertreter ein Verschulden im dargelegten Sinn trifft.
Dies ist aber hier – im Gegensatz zur Auffassung des Rekursgerichtes – zu verneinen. Wenn auch ein Rechtsanwalt grundsätzlich verpflichtet ist, die Befolgung der seinen Angestellten erteilten Weisungen zu überwachen, so darf doch nicht übersehen werden, daß die Führung einer Rechtsanwaltskanzlei die Delegation bestimmter Aufgaben an Angestellte notwendigerweise erfordert. Hiebei gibt es Aufgaben, deren Durchführung den betreffenden Angestellten selbständig überlassen werden kann. Der einer langjährigen Kanzleiangestellten erteilte Auftrag, auf eine Prozeßvollmacht einen bestimmten Firmenwortlaut zu schreiben und dann die auf diese Weise verbesserte Vollmacht mit einem vom Rechtsanwalt schon unterfertigten Schriftsatz an das Rekursgericht wieder zurückzusenden, erfordert, falls der Rechtsanwalt keinen Anlaß hat, an der Zuverlässigkeit seiner Kanzleileiterin zu zweifeln, keine darüber hinausreichende Überwachung. Er kann vielmehr unter der erwähnten Voraussetzung darauf vertrauen, daß dieser Auftrag, der keine besonderen Kenntnisse oder Fähigkeiten der Angestellten voraussetzt und im Rahmen des Betriebes einer Rechtsanwaltskanzlei ein an sich nicht sehr bedeutender Vorgang ist, ordnungsgemäß erfüllt wird. Befolgt eine an sich verläßliche Kanzleileiterin aus einem vom Rechtsanwalt nicht vorhersehbaren Grund diesen Auftrag nicht, liegt ein unvorhergesehenes Ereignis im Sinne des § 146 Abs 1 ZPO vor, an dessen Eintritt die Partei bzw ihren Vertreter kein Verschulden im oben dargelegten Sinn trifft.
Da das Rekursgericht, ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsauffassung, die von der beklagten Partei zur Glaubhaftmachung ihres Vorbringens angebotenen Beweise nicht aufgenommen hat, ist die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses notwendig. Das Rekursgericht wird im Sinne der dargelegten Ausführungen zu prüfen haben, ob und welchen Auftrag der Beklagtenvertreter seiner Kanzleileiterin erteilt hat, ob er keinen Anlaß hatte, an deren Zuverlässigkeit zu zweifeln sowie aus welchen Gründen diese den Auftrag nicht erfüllt hat. Sodann wird es über den Wiedereinsetzungsantrag neuerlich zu entscheiden haben. Gegen den vom Beklagtenvertreter nach seinem Vorbringen geplanten Vorgang, der vom Geschäftsführer der beklagten Partei unterfertigen Vollmacht den Firmenwortlaut beizufügen, bestehen im Hinblick auf das Vorliegen eines durch die Prozeßvollmacht lediglich nachzuweisenden, hier bedenkenfreien internen Auftragsverhältnisses aus rechtlicher Sicht keine Bedenken.
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