OGH 3Ob527/77

OGH3Ob527/7726.4.1977

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Winkelmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Kinzel, Dr. Reithofer, Dr. Stix und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*Handelsgesellschaft m.b.H., *, vertreten durch DDr. Augustine Langmayr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei H*, vertreten durch Dr. Werner Winkler, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 186.099,96 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 26. Jänner 1977, GZ 2 R 3/77‑14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 16. November 1976, GZ 8 Cg 336/76‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0030OB00527.77.0426.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 5.508,96 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 336,96 Umsatzsteuer und S 960,– Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Betrages von S 186.099,96 samt stufenweisen Zinsen als Entgelt für mehrfache Warenlieferungen in der Zeit vom Jänner bis September 1974.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung, weil die Klägerin statt der vereinbarten Lieferung zweistufiger Öfen nur einstufige Öfen, ferner eine zu gering dimensionierte Warmwasseraufbereitungsanlage geliefert habe und deren bevollmächtigter Vertreter deshalb entweder einen Austausch bzw Umbau der gelieferten Sachen oder einen entsprechenden Nachlass zugesagt habe.

Die Klägerin erklärte hiezu, der Beklagte habe niemals reklamiert, es sei ihm weder ein Umbau oder Austausch noch ein Preisnachlass zugesagt worden, vielmehr habe der Beklagte die Klagsforderung mehrmals anerkannt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im wesentlichen statt (eine geringfügige Zinsenteilabweisung blieb unbekämpft).

Im erstgerichtlichen Urteil wurde zunächst festgehalten, dass der Beklagte trotz zweimaliger Vorladung zur Parteienvernehmung nicht erschienen und daher von seiner Vernehmung abgesehen worden sei. Auf Grund der übrigen Beweise stellte das Erstgericht fest, dass die Klägerin dem Beklagten über dessen Bestellung mit Rechnungsdaten zwischen 31. 1. und 30. 9. 1974 Waren im Rechnungsbetrag von S 186.099,96 lieferte, dass die Rechnungsbeträge innerhalb von 30 Tagen zu bezahlen gewesen wären, dass der Beklagte auf schriftliche Mahnungen der Klägerin und mehrfache fernmündliche Urgenzen ihres Kundendienstinspektors E* nie eine Mängelrüge erhob, sondern stets Zahlung versprach, sowie dass dem Beklagten weder ein Austausch bzw Umbau noch ein Nachlass zugesagt wurde.

Bei diesem Sachverhalt sah das Erstgericht das Klagebegehren (mit der erwähnten Einschränkung hinsichtlich eines Teiles des Zinsenbegehrens) als berechtigt an.

Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichtes.

Das Berufungsgericht führte zu der wegen Nichtvernehmung des Beklagten als Partei geltend gemachten Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens aus, der Beklagte sei nach dem Akteninhalt zu den Tagsatzungen vom 14. 10. 1976 und 4. 11. 1976 vorschriftsmäßig unter Bekanntgabe des Beweisthemas vorgeladen worden, sein Fernbleiben am 14. 10. 1976 – diese Tagsatzung musste erstreckt werden, weil auch der Zeuge E* nicht erschienen war – sei vom Beklagten mit beruflicher Unabkömmlichkeit entschuldigt worden, ohne dass dieser Umstand bescheinigt worden wäre. Das Nichterscheinen des Beklagten am 4. 11. 1976 sei überhaupt nicht entschuldigt worden, das Vorbringen der Berufung, der Beklagte habe damals wegen eines Autogebrechens nicht erscheinen und auch seinen Vertreter nicht rechtzeitig verständigen können, sei eine unzulässige Neuerung; wenn das Argument des Beklagten, er habe seinen Vertreter von der Verhinderung nicht rechtzeitig verständigen können aber zutreffen sollte, hätte er die Versäumung des als Prozesshandlung anzusehenden Antrages auf neuerliche Erstreckung der Tagsatzung wegen seiner Verhinderung mit Wiedereinsetzungsantrag geltend machen müssen; es handle sich jedoch (auch in diesem Fall) um keinen Verfahrensmangel, wenn der Erstrichter die Tagsatzung nicht nochmals erstreckt, also von einer Vernehmung des Beklagten als Partei Abstand genommen habe. Da der auch vom Beklagten für die Richtigkeit seiner Behauptungen beantragte Zeuge E* eine Mängelrüge des Beklagten entschieden in Abrede gestellt habe und auch keine der vorgelegten Urkunden hiefür einen Anhaltspunkt biete, habe das Erstgericht die Bestimmung des § 381 ZPO zutreffend (im Sinne einer Widerlegung der Prozessbehauptungen des Beklagten) angewendet.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, allenfalls es im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Der Revision ist zwar insoweit beizupflichten, als das in der Berufungsschrift enthaltene neue Vorbringen der Dartuung des behaupteten Berufungsgrundes der Mangelhaftigkeit des Verfahrens dienen sollte, dieses Vorbringen also zufolge § 482 Abs 2 ZPO entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes zulässig war (ebenso JBl 1957, 648, 1958, 150 1968, 89 ua; bei der unberechtigten Anwendung der Vorschrift des § 381 ZPO liegt nämlich ein Verfahrensmangel vor, vgl. hiezu RZ 1961, 183, EvBl 1962/294 ua).

Das Berufungsgericht vertrat jedoch darüber hinaus die Auffassung, dass selbst bei Unterstellung der Richtigkeit dieses Vorbringens („selbst wenn ... zutreffen sollte, dass ...“) kein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens vorliege, es verneinte also auch im Falle der Berücksichtigung des erwähnten zulässigen Neuvorbringens das Vorliegen der behaupteten Mangelhaftigkeit. Die Richtigkeit dieser Ansicht des Berufungsgerichtes, also auch einer Verneinung der behaupteten Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz wegen Nichtaufnahme eines Sachbefundes ist jedoch nach der seit der Entscheidung SZ 22/106 ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbar. An der Auffassung, dass angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen das Berufungsgericht ausdrücklich verneinte, nicht gemäß § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden können, hat der Oberste Gerichtshof trotz verschiedener Kritik (so etwa Fasching IV, 306 f. und Schwind, ÖJZ 1967, 605) aus der Erwägung festgehalten, dass die gesetzlich normierte (§ 519 ZPO) Unanfechtbarkeit der Verneinung von schweren und deshalb mit Nichtigkeit bedrohten Verfahrensverstößen seitens des Berufungsgerichtes umso eher für die Verneinung weniger wichtiger (und daher nur als Verfahrensmängel zu qualifizierender) Verfahrensverstöße gelten muss (ebenso EvBl 1968/344, 1969/263, vgl. auch SZ 41/8, JBl 1972, 312 uva). Dar erkennende Senat sieht sich nicht veranlasst, von der dargelegten Auffassung abzugehen, zumal die Revision des Beklagten insoweit keinerlei Ausführungen enthält.

Zu welchem Ergebnis die Würdigung des Ausbleibens einer zur Parteienvernehmung vorgeladenen Partei führt – hier zur Feststellung, dass die Prozessbehauptungen des Beklagten durch die aufgenommenen Beweise widerlegt sind –, betrifft eine Frage der irrevisiblen Beweiswürdigung (vgl. Fasching III 531, JBl 1955, 282 ua).

Demzufolge liegt der hier allein geltend gemachte Revisionsgrund gemäß § 503 Z 2 ZPO nicht vor.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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