OGH 3Ob504/77

OGH3Ob504/7729.3.1977

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Winkelmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fedra, Dr. Reithofer, Dr. Stix und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Siegfried Rack, Rechtsanwalt in Völkermarkt, wider die beklagte Partei J*, vertreten durch Dr. Friedrich Jeschke, Rechtsanwalt in Wolfsberg, wegen 547.599,36 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 25. November 1976, GZ 6 R 176/76‑13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15. Juli 1976, GZ 24 Cg 408/74‑7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0030OB00504.77.0329.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 11.114,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon 734,40 S Umsatzsteuer und 1.200,-- S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Mit der am 19. Dezember 1974 eingebrachten Klage begehrt der Kläger, den Beklagten zur Zahlung von 547.599,36 S samt Zinsen, zu verurteilen. Aus dem Klagsvorbringen ergibt sich zusammenfassend, daß es sich bei der Klagsforderung um Schadenersatzansprüche des Klägers aus der Zeit vor dem 16. Jänner 1973 handelt, die der Kläger aber erst nach diesem Zeitpunkt geltend machen zu können vermeinte.

Der Beklagte wendete gegen den gesamten Klagsanspruch ein, am 23. November 1973 sei von den Parteien beim Bezirksgericht Bleiburg zu C 119/73 ein Vergleich geschlossen worden, durch den alle gegenseitigen Forderungen verglichen worden seien. Im übrigen bestritt der Beklagte die einzelnen Schadenersatzansprüche und wendete auch deren Verjährung ein.

Der Kläger bestritt dieses Vorbringen des Beklagten und brachte vor, mit dem am 23. November 1973 geschlossenen gerichtlichen Vergleich sei lediglich der Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Rückstellung einer Motorsäge sowie eines Benzinmotors verglichen worden; die in der gegenständlichen Klage darüber hinaus geltend gemachten Ansprüche seien „weder erörtert noch verglichen“ worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit Urteil vom 15. Juli 1976, ON 7, zur Gänze ab. Es traf hierzu folgende Feststellungen:

Am 23. November 1973 kam es zwischen den Streitteilen zu folgenden, beim Bezirksgericht Bleiburg zu C 119/73 gem. § 433 ZPO protokolliertem Vergleich:

„Der Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger eine Motorsäge „Jonsans“ und einen Benzinmotor, 3 PS „Rex“, bis zum 10. Dezember 1973 bei sonstiger Exekution herauszugeben.

Die Magnetspule zum Benzinmotor befindet sich beim Mechanikermeister A* F* in *. Diese Magnetspule wird der Kläger selbst bei F* holen und auslösen.

Damit sind alle noch offenen gegenseitigen Forderungen ausgeglichen.

Die Herausgabepflicht des Beklagten ist mit Übergabe der Motorsäge und des Benzinmotors an K* S*, Bäuerin in *, erfüllt.

Vergleichsinteresse: S 1.000,--.

Vergleichsgebühren und Gerichtsgebühren trägt jeder zur Hälfte.“

Als es zum Abschluß dieses eben zitierten Vergleiches kam, haben beide Parteien vor dem damaligen Verhandlungsleiter, Oberlandesgerichtsrat Dr. Hugo Ramnek erklärt, noch gegenseitige Forderungen zu haben, worauf dieser äußerte, bemüht zu sein, sämtliche Streitigkeiten zwischen den Parteien durch den Vergleich aus der Welt zu schaffen. Damit haben sich sowohl der Kläger als auch der Beklagte ausdrücklich einverstanden erklärt und bei Abschluß dieses Vergleiches bestätigt, daß sie nach Erfüllung desselben keine wie immer gearteten gegenseitigen Forderungen mehr hätten.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht dahin, daß durch den am 23. November 1973 vor dem Bezirksgericht Bleiburg zwischen dem Kläger und dem Beklagten abgeschlossenen Vergleich sämtliche Ansprüche des Klägers gegenüber dem Beklagten, und auch umgekehrt sämtliche Ansprüche des Beklagten gegenüber dem Kläger als erloschen anzusehen seien. Es sei deshalb unnötig, darauf einzugehen, ab welchem Zeitpunkt der Kläger seine Schadenersatzansprüche habe geltend machen können, sowie, ob und in welcher Höhe solche allfällige Ansprüche gerechtfertigt seien oder ob sie infolge Verjährung erloschen seien.

Die gegen dieses Urteil des Erstgerichtes erhobene Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung und führte in rechtlicher Hinsicht aus, die Streitteile hätten einen zulässigen Generalvergleich geschlossen, dessen Bereinigungswirkung alle noch offenen gegenseitigen Forderungen erfaßt habe. Da die verglichenen Rechte nicht geflissentlich verheimlicht worden seien, andererseits aber der Kläger bei Vergleichsabschluß in der Lage gewesen sei, an die nunmehr geltend gemachten Rechte zu denken, sei „der vereinbarte Generalausgleich wirksam“. Daß der Kläger – wie er nunmehr behauptete – nicht daran gedacht habe, sei nicht entscheidend. Da er – bei Vergleichsabschluß – daran habe denken können, müsse er die Wirksamkeit des Vergleiches gegen sich gelten lassen.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird vom Kläger darin erblickt, daß das Berufungsgericht einen – bereits in der Berufung gerügten – Mangel des Verfahrens erster Instanz, nämlich die Nichtdurchführung der Parteienvernehmung „nicht wahrgenommen habe“. Damit wird, wie sich aus den weiteren Ausführungen zu diesem Revisionsgrund ergibt, nicht etwa gerügt, daß sich das Berufungsgericht mit der Mängelrüge überhaupt nicht beschäftigt habe, sondern daß das Berufungsgericht die Mängelrüge nicht für gegeben erachtete. Ein in erster Instanz angeblich unterlaufener Verfahrensmangel, der vom Berufungsgericht nicht als gegeben angesehen wurde, kann nach ständiger Rechtsprechung nicht den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO bilden (SZ 41/8 uva). Soweit in Ausführung der Mängelrüge Feststellungsmängel geltend gemacht werden, wendet sich die Revision gegen die rechtliche Beurteilung der Streitsache durch die Vorinstanzen. Diese Frage ist daher im Rahmen des Revisionsgrundes des § 503 Z 4 ZPO zu erörtern.

Auch in der Rechtsrüge wird die Unterlassung der Feststellung gerügt, daß der Kläger am 23. November 1973 bei Abschluß des Vergleiches nicht in der Lage gewesen sei, bereits die mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche geltend zu machen bzw an diese zu denken. Im übrigen bestreitet der Kläger die Ansicht, daß dem Vergleich vom 23. November 1973 „generalbereinigende Wirkung“ zukomme. Es sei lediglich der Anspruch auf Herausgabe der Motorsäge und des Benzinmotors verglichen worden, was sich auch aus der Bezeichnung des Gegenstandes der Rechtssache C 119/73 („wegen Herausgabe“) und deren Streitwert („1.000,-- S“) ergebe. Lediglich der Anspruch auf Herausgabe der Motorsäge und des Benzinmotors sei daher mit dem Vergleich vom 23. November 1973 verglichen worden. Aus der Formulierung im Vergleich „Damit sind alle noch offenen gegenseitigen Forderungen ausgeglichen“ ergebe sich nicht mit zwingender Notwendigkeit, daß der Kläger gegenüber dem Beklagten auf alle weiteren, in der gegenständlichen Klage geltend gemachten Ansprüche verzichtet habe. Ein Verzicht sei aus dieser Formulierung, selbst wenn alle in der Klage geltend gemachten Ansprüche am 23. November 1973 zwischen den Streitteilen erörtert worden wären, nicht abzuleiten, weil ein Verzicht vom Kläger nie ausgesprochen und vom Beklagten auch nicht angenommen worden sei. Wesentlich sei, was die Streitteile beim Bezirksgericht Bleiburg am 23. November 1973 gesprochen und vergleichsweise bereinigt hätten. Feststellungsmängel in dieser Richtung seien auf Grund der Unterlassung der Parteieneinvernahme gegeben. Die Einvernahme des Klägers als Partei hätte ergeben, daß der Kläger der deutschen Sprache nur sehr schlecht mächtig sei, daß er zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bereits 80 Jahre alt gewesen, und darüber hinaus schwerhörig und im Umgang mit Behörden schwerfällig und des Lesens der deutschen Sprache überhaupt nicht mächtig sei.

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes haben die Parteien am 23. November 1973 einen allgemeinen, „alle noch offenen gegenseitigen Forderungen ausgleichenden“ Vergleich im Sinne des § 1389 Satz 2 ABGB geschlossen. Soweit in der Revision vorgebracht wird, die Parteien hätten nur einen Vergleich bezüglich der Herausgabe der Motorsäge und des Benzinmotors geschlossen, geht die Rechtsrüge nicht von den Feststellungen des Erstgerichtes aus; sie ist daher diesbezüglich nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Ein allgemeiner Vergleich, wie er hier vorliegt, erstreckt sich gemäß § 1389 Satz 2 ABGB nicht auf solche Rechte, an die die Vergleichspartner nicht haben denken können, oder die nur einem Partner bekannt waren und von diesem dem anderen Teil geflissentlich verheimlicht wurden (Ehrenzweig, System⁶ I/1, 355; Wolff in Klang² VI, 284; SZ 17/81; EvBl 1976/91, 1 Ob 239/70, 7 Ob 579/580/76). Der Beklagte konnte sich daher zur Abwehr der Klagsansprüche darauf beschränken, auf den Generalvergleich vom 23. November 1973 hinzuweisen. Der Kläger hätte dem Einwand der verglichenen Sache nur durch ausreichende, konkrete und schlüssige Prozeßbehauptungen und entsprechende Beweise begegnen können, daß ihm die Klagsansprüche vom Beklagten im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses geflissentlich verheimlicht worden seien, oder daß er beim Vergleichsabschluß an diese Ansprüche nicht habe denken können. Derjenige, der ein Recht nach Abschluß eines allgemeinen Vergleiches (§ 1389 Abs 2 ABGB) geltend macht, ist nämlich – im Bestreitungsfalle – hinsichtlich des Vorlegers der Voraussetzungen für den Nichteintritt der Bereinigungswirkung des Vergleiches im Sinne der zitierten Bestimmung behauptungs- und beweispflichtig. Derartige konkrete und schlüssige Behauptungen hat der Kläger aber in erster Instanz nicht aufgestellt. Er hat lediglich vorgebracht, die in der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche seien beim Vergleichsabschluß nicht erörtert und verglichen worden. Darauf, ob ein Recht bei Vergleichsabschluß erörtert wurde, kommt es bei Abschluß eines allgemeinen, auf alle Streitigkeiten überhaupt lautenden Vergleiches nach § 1389 Satz 2 ABGB nicht an, sondern nur darauf, ob der Berechtigte an das angeblich aus dem Generalvergleich ausgenommene Recht habe denken können, bzw ob es ihm vom Vergleichspartner verheimlicht wurde. Das weitere Vorbringen des Klägers, die nunmehr eingeklagten Ansprüche seien nicht verglichen worden, stellt gegenüber der vom Beklagten erhobenen Einwendung des Generalvergleiches kein schlüssiges Tatsachenvorbringen zur Widerlegung der Bereinigungswirkung des Vergleiches vom 23. November 1973 in Ansehung der Klagsansprüche dar. Das Vorbringen in der Revision, der Kläger habe in der Klage ausdrücklich bestritten, daß ihm die klagsgegenständlichen Ansprüche am 23. November 1973 bekannt gewesen seien, ist aktenwidrig. Derartige Ausführungen sind in der Klage nicht enthalten.

Es bestand sohin mangels entsprechender Prozeßbehauptungen keine Veranlassung, die Frage des Ausschlusses der Bereinigungswirkung des Generalvergleiches vom 23. November 1973 überhaupt einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen. Ob der Erstrichter in diesem Belange seiner Anleitungspflicht nach § 182 Abs 1 ZPO hätte nachkommen müssen, kann schon deshalb unerörtert bleiben, weil der Kläger eine Unterlassung der Anleitungspflicht nicht als Mangel des Verfahrens erster Instanz in der Berufung gerügt hat. Soweit der Kläger – wie schon im Berufungsverfahren – auch in der Revision wieder darauf verweist, daß er aus mehreren Gründen beim Abschluß des Vergleiches am 23. November 1973 nicht in der Lage gewesen sein soll, seine Interessen gehörig wahrzunehmen, handelt es sich um im Berufungs- und Revisionsverfahren unzulässige und daher unbeachtliche Neuerungen (§§ 482 Abs 2 bzw 504 Abs 2 ZPO).

Der Kläger kann sich somit nicht mit Erfolg dagegen wenden, daß die Vorinstanzen keine Feststellungen darüber getroffen haben, ob der Beklagte beim Vergleichsabschluß dem Kläger dessen nunmehr eingeklagte Ansprüche geflissentlich verheimlichte bzw der Erstrichter die Frage unerörtert ließ, ob die Streitteile damals auf diese Ansprüche „des Klägers nicht hätten denken können“.

Der Revision war sohin ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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