OGH 5Ob888/76

OGH5Ob888/761.3.1977

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel, Dr. Marold, Dr. Samsegger und Dr. Griehsler als Richter in der Verlassenschaftssache nach dem * 1975 verstorbenen Dr. F* S*, zuletzt in * wohnhaft gewesen, infolge Revisionsrekurses des erbserklärten Erben J* L*, Amtsrat i.R., *, vertreten durch Dr. Walter Strigl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 21. Oktober 1976, GZ 46 R 903/76‑19, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom 23. Juni 1976, GZ 1 A 696/76‑15, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0050OB00888.76.0301.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 30. 4. 1976 die von J* L* auf Grund des Testamentes vom 14. 4. 1960 und mit Beschluss vom 11. 6. 1976 die von P* S*, dem Adoptivsohn des Erblassers, auf Grund des Gesetzes jeweils zum gesamten Nachlass abgegebenen Erbserklärungen angenommen. Beide Beschlüsse sind rechtskräftig.

Die Tagsatzung zur Vernehmung der Parteien zum Zwecke der Entscheidung, welcher der erbserklärten Erben gegen den anderen als Kläger aufzutreten habe (§ 125 AußStrG), beraumte das Erstgericht auf den 29. 6. 1976 an.

Mit Schriftsatz vom 22. 6. 1976 regte J* L* beim Erstgericht zur AZ 1 Nc 242/76 an, die gerichtliche Bewilligung des Adoptionsvertrages zwischen dem Erblasser und P* S* vom l0. 6. 1965 gemäß § 184 Abs 1 Z 4, zweiter Fall, ABGB zu widerrufen. Er behauptete, der Adoptionsvertrag sei ausschließlich oder vorwiegend in der Absicht geschlossen worden, den äußeren Schein einer Wahlkindschaft zur Verdeckung rechtswidriger geschlechtlicher Beziehungen (Homosexualität) zu schaffen. Am selben Tage beantragte J* L* beim Erstgericht, das Verlassenschaftsverfahren bis zur Entscheidung des seines Erachtens nach präjudiziellen Verfahrens, betreffend den angeregten Widerruf der gerichtlichen Bewilligung des Adoptionsvertrages, zu unterbrechen oder wenigstens die für den 29. 6. 1976 anberaumte Tagsatzung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des den Widerruf der gerichtlichen Bewilligung des Adoptionsvertrages betreffenden Verfahrens zu vertagen oder auszusprechen, dass die Frist zur Einbringung der Ebrechtsklage nicht vor Rechtskraft der in diesem Verfahren zu erwartenden Entscheidung beginne. Gleichzeitig begehrte er mit dem Hinweis auf die einander widersprechenden Erbserklärungen die Bestellung eines Verlassenschaftskurators und die Anfechtung des zwischen dem Erblasser und P* S* am 6. 7. 1973 über die Liegenschaften EZ * des Grundbuches über die Katastralgemeinde * und EZ * des Grundbuches über die Katastralgemeinde * sowie über die in einer dem Vertrag angeschlossenen Liste angeführten Fahrnisse abgeschlossenen Kaufvertrages durch die Verlassenschaft.

Mit dem Beschluss vom 23. 6. 1976 hat das Erstgericht u.a. die für den 29. 6. 1976 angeordnet gewesene „Tagsatzung zur Verteilung der Klägerrolle“ auf unbestimmte Zeit erstreckt (Punkt 2 zweiter Halbsatz) und den zum Verlassenschaftskurator bestellten Rechtsanwalt Dr. Anton Neumann „insbesondere angewiesen, wegen eventueller Anfechtung eines Kaufvertrages, den der Erblasser mit P* S* am 6. 7. 1973 abgeschlossen hat, die Klage einzubringen“ (Punkt 3 zweiter Halbsatz).

Das Gericht zweiter Instanz hat in Stattgebung des u.a. gegen diese Aussprüche des Ersgerichtes von P* S* eingebrachten Rekurses den Beschluss in diesem Umfang aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, das Verfahren zur Entscheidung, welcher der erbserklärten Erben gegen den anderen als Kläger aufzutreten habe, fortzusetzen, und darüber, ob dem Prozesskurator eine Ermächtigung zur Prozessführung gegen P* S* in Ansehung des Kaufvertrages mit dem Erblasser vom 6. 7. 1973 zu erteilen sei, nach Ergänzung des Verfahrens neuerlich zu entscheiden.

Zur Begründung dieser Entscheidung führte das Rekursgericht im wesentlichen aus:

Der erbserklärte Erbe habe einen Anspruch darauf, dass über die Verteilung der Parteirollen im Erbrechtsstreit nach Durchführung des gesetzlichen Verfahrens ehestmöglichst entschieden werde; eine Verschiebung dieser Entscheidung auf unbestimmte Zeit sei durch nichts gerechtfertigt, unzulässig und schutzwürdige Interessen des erbserklärten Erben beeinträchtigend.

Die Rechtsprechung sei zwar nicht darin einig, ob dem künftigen Prozessgegner im Außerstreitverfahren das Recht zustehe, die dem Kurator erteilte Prozessermächtigung zu bekämpfen; P* S* sei jedoch nicht bloß künftiger Prozessgegner der Verlassenschaft, sondern auch erbserklärter Erbe und in dieser Eigenschaft Beteiligter, weil der in Aussicht genommene Prozess für die Verlassenschaft Kostenfolgen haben könne. Deshalb stehe ihm das Rekursrecht zu. Gemäß § 129 letzter Satz AußStrG sei eine Genehmigung der Abhandlungsbehörde zur Prozessführung erst zu erteilen, wenn – nach Wichtigkeit des Gegenstandes –die eingeschrittenen Erben oder die sonstigen Beteiligten dazu angehört worden seien. Es bedürfe keiner Erörterung, dass die Anfechtung eines Kaufvertrages über eine Liegenschaft mit einem Gesamtkaufpreis von S 2,1 Millionen eine wichtige Sache darstelle, zumal diese Liegenschaft im Falle eines Prozesserfolges einen Bestandteil des Verlassenschaftsvermögens von enormer Bedeutung darstellte. Das Erstgericht habe daher ohne vorherige Anhörung des P* S* keinen Auftrag zur Prozessführung erteilen dürfen. Ausschlaggebende Kriterien für die Beurteilung der Frage, ob eine Prozessermächtigung zu erteilen sei, seien: 1) ob und weiche Vorteile im Falle eines Prozesserfolges eintreten, 2) ob und welche Aussichten bestehen, diesen Erfolg auch tatsächlich zu erzielen, und 3) ob und auf welche andere kostensparende Weise ein solcher Erfolg herbeigeführt werden könnte. Dies bedeute, dass das Verlassenschaftsgericht bei der Erteilung einer Prozessermächtigung zur Vermeidung überflüssiger Kosten die Erfolgsaussichten einer in Aussicht genommenen Klage sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls entsprechende Ermittlungen anzustellen habe, die allerdings nicht schon den künftigen Prozess vorwegnehmen dürften. Die Prüfung der Anfechtungsklage werde sich auf jeden Klagegrund und jeden Punkt des Klagebegehrens zu erstrecken haben.

Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs des J* L*.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist nicht berechtigt.

1.) Betreffend das Verfahren nach § 125 AußStrG:

Die einander widersprechenden Erbserklärungen sind vom Erstgericht rechtskräftig angenommen worden. Da das Abhandlungsgericht an seine rechtskräftige Entscheidung über die Annahme der Erbserklärungen gebunden ist, kann auch die infolge eines allfälligen Widerrufs der gerichtlichen Bewilligung des Adoptionsvertrages wegfallende Eigenschaft des Angenommenen als gesetzlicher Erbe das Abhandlungsgericht nicht der Pflicht entheben, die nach § 125 AußStrG notwendige Entscheidung zu treffen. Das Abhandlungsgericht ist nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (JBl 1956, 48; SZ 35/92; 7 Ob 520/76) nicht in der Lage, rechtskräftig angenommene Erbserklärungen selbst bei Wegfall der dafür erforderlichen Voraussetzungen zurückzuweisen. Es ist daher eine notwendige Folge der rechtskräftigen Annahme der einander widerstreitenden Erbserklärungen, dass nunmehr die nach § 125 AußStrG gebotene Entscheidung zu treffen ist.

Das Rechtsmittel des J* L* erweist sich daher in dieser Beziehung als unberechtigt.

2.) Betreffend die Ermächtigung zur Prozessführung des Kurators der Verlassenschaft:

Der Rechtsmittelwerber wendet sich hier zunächst gegen die Rekurslegitimation des P* S* und beantragt, die Entscheidung der zweiten Instanz dahin abzuändern, dass der Rekurs des Genannten zurückgewiesen werde.

Es ist dem Gericht zweiter Instanz in der Ansicht beizustimmen, dass P* S* jedenfalls schon auf Grund der rechtskräftigen Annahme seiner Erbserklärung zu Gericht Beteiligtenstellung und damit Rekurslegitimation besitzt.

Im übrigen ist das Rechtsmittel des J* L* gegen den Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichtes auch nicht berechtigt.

Das Rekursgericht hat richtig erkannt, dass die in Anbetracht der Wichtigkeit des Rechtsstreites der Verlassenschaft gegen P* S*, betreffend die Anfechtung des Kaufvertrages vom 6. 7. 1973, unbedingt erforderliche Anhörung der Beteiligten, hier jedenfalls des erbserklärten Erben P* S*, der Entscheidung des Abhandlungsgerichtes darüber, ob die gemäß § 129 AußStrG notwendige Ermächtigung zur Prozessführung erteilt werde, vorangehen muss. Eine Verletzung des Gehörs der Beteiligten begründet unzweifelhaft die Nichtigkeit der Entscheidung. Da P* S* vom Erstgericht vor Fassung des Beschlusses nicht gehört wurde, hat das Rekursgericht diesen Beschluss mit Recht aufgehoben und dem Erstgericht die Ergänzung des Verfahrens und die neuerliche Entscheidung aufgetragen. Die Ansicht des Rechtsmittelwerbers, der Beteiligte P* S* hätte im Rekursverfahren bereits seinen Standpunkt darlegen können und sei daher nicht in seinem Recht auf Gehör verletzt worden, kann nicht geteilt werden, denn es kann nicht gesagt werden, wie die Entscheidung der ersten Instanz ausgefallen wäre, wenn sie das Vorbringen des Beteiligten P* S* dabei zu berücksichtigen gehabt hätte, und wie dann im Falle eines Rekurses des dadurch beschwerten Beteiligten das Gericht zweiter Instanz entschieden hätte. Möglicherweise gleichlautende Entscheidungen der Unterinstanzen wären dann nur im Wege des § 16 AußStrG anfechtbar. Dem gesetzlich vorgesehenen Instanzenzug darf daher in diesem Fall nicht dadurch vorgegriffen werden, dass der Oberste Gerichtshof jetzt schon zu der erst nach Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz zu fällenden Sachentscheidung Stellung bezieht.

Dem Rechtsmittel des J* L* ist deshalb auch in Ansehung der diesbezüglichen Entscheidung des Rekursgerichtes kein Erfolg zu geben.

 

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