European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0050OB00907.76.0222.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Das pflegebefohlene Kind lebt mit seinen Eltern A* und B* R* in deren Ehewohnung in *. Die Ehe der Eltern ist zwar aufrecht, ein Ehescheidungsverfahren aber beim Landesgericht für ZRS Wien anhängig. In der von der Frau eingebrachten Ehescheidungsklage wird dem Ehegatten nicht nur die Vernachlässigung der Unterhaltsleistung, sondern auch wiederholte Beschimpfung und tätliche Mißhandlung zum Vorwurf gemacht.
Die Mutter des Kindes beantragte zunächst unter dem Hinweis darauf, daß der Vater diesem nicht den standesgemäßen Unterhalt leiste, die Auferlegung einer monatlichen Unterhaltszahlung von S 2.200,— ab 24. Februar 1976 für das Kind. In der Folge beantragte die Mutter, die Zustimmung des Antragsgegners zur Ausstellung eines Reisepasses für das pflegschaftsbehördlich dadurch zu ersetzen, daß das Pflegschaftsgericht die zur Erlangung eines Reisepasses für das Kind erforderlichen Erklärungen abgebe. Sie beabsichtige, mit dem Kind Urlaube bei Verwandten im Ausland zu verbringen. Der Antragsgegner verweigere aber schikanös die Leistung der hiefür erforderlichen Unterschriften gegenüber der Paßbehörde.
Der Antragsgegner sprach sich gegen beide Anträge aus.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Ermächtigung der Mutter, anstelle des ehelichen Vaters um die Ausstellung eines eigenen Reisepasses für die mj. K* R* anzusuchen ab (1.). Der Unterhaltsantrag wurde zurückgewiesen (2.), die Mutter ab gemäß § 271 ABGB zum besonderen Sachwalter bestellt und ermächtigt, für das Kind im Scheidungsverfahren Unterhaltsansprüche gegen den ehelichen Vater A* R* nach § 382, Z 8 a EO geltend zu machen (3. ). Gemäß § 147 ABGB habe der Vater als gesetzlicher Vertreter der mj. ehelichen Kinder diese in allen Angelegenheiten und sohin auch bezüglich der Ausstellung eines Reisepasses zu vertreten. Das Pflegschaftsgericht könne mit einer solchen Angelegenheit auf der Grundlage des § 142 ABGB erst nach Scheidung der Ehe befasst werden. Da die Ehegatten aber bei noch aufrechter Ehe in der Ehewohnung wohnten, komme selbst eine analoge Anwendung des § 142 ABGB nicht in Betracht. Es könne auch § 178 ABGB keine Grundlage hiefür abgehen, weil die Nichtausstellung eines Reisepasses mangels Antragstellung durch den ehelichen Vater keinen Missbrauch seiner Gewalt darstelle. Der Unterhaltsantrag sei zurückzuweisen, weil er bei Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Kindes gegen den ehelichen Vater die Bestellung der Mutter zum Kollisionskurator nach § 271 ABGB voraussetze, die aber schon deshalb noch nicht möglich sei, weil sie erst nach Zuweisung des Kindes in Pflege und Erziehung der ehelichen Mutter nach § 142 ABGB erfolgen könne. Die hier allenfalls bestehende Gesetzeslücke habe der Gesetzgeber aber durch § 382 Z 8 lit a EO geschlossen. Um eine Antragstellung nach dieser Gesetzesstelle zu ermöglichen, werde die Mutter gemäß § 271 ABGB zum besonderen Sachwalter bestellt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurse der Mutter Folge, hob den erstgerichtlichen Beschluß, der in seinem Punkt 3.) als unbekämpft unberührt blieb, im übrigen auf und trug dem Erstgerichte in diesem Umfang eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung und unter Abstandnahme von dem zu Punkt 2.) gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Das Rekursgericht vertrat in der Paßangelegenheit die Auffassung, daß die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 142 ABGB dahingestellt bleiben könne, weil die Weigerung des Vaters seine Zustimmung zur Ausstellung eines eigenen Reisepasses für das Kind zu erteilen, unter Umständen wohl einen Mißbrauch darstellen könnte, in welchem Fall das Pflegschaftsgericht gemäß § 178 ABGB die angemessenen Verfügungen zu treffen hätte. Hiezu habe das Erstgericht aber unter Berücksichtigung des beiderseitigen Vorbringens den relevanten Sachverhalt erst festzustellen. Dabei sei zu beachten, daß gemäß § 24 Jugendwohlfahrtsgesetz, den Fall der Gefahr im Verzug ausgenommen, vor Entscheidung in den Fällen der § 142 und 178 ABGB die Bezirksverwaltungsbehörde zu hören sei, in deren Sprengel der Minderjährige sich aufhalte, wobei die Missachtung dieser zwingenden gesetzlichen Vorschrift eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darstelle.
Im Belange der Unterhaltsleistung ging das Rekursgericht davon aus, daß im Begehren der Mutter, dem Vater die Leistung von Unterhaltsbeträgen zu ihren Händen aufzutragen, ein Antrag liege, sie zur besonderen Sachwalterin für die Geltendmachung und Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes zu bestellen. Es bestehe kein Hindernis, neben einem Antrag auf Leistung des vorläufigen Unterhaltes für das Kind im Scheidungsverfahren einen gesonderten Antrag auf Festsetzung des Unterhalts für das Kind im Pflegschaftsverfahren zu stellen. Wenn auch beide Entscheidungen denselben Charakter hätten, sei doch die eine nur provisorischer Art und in ihrer zeitlichen Geltung an die Prozeßdauer gebunden, während die andere grundsätzlich dauernden Charakter trage. Es sei daher unzulässig, der Mutter den Weg des Pflegschaftsverfahrens zur Geltendmachung der Unterhaltsansprüche für das Kind zu verwehren. Im übrigen könne die fehlende gesetzliche Vertretungsmacht erst nach einem erfolglosen Verbesserungsverfahren nach § 2 Abs 1 AußStrG, §§ 6, 7 ZPO zur Zurückweisung des Antrages führen.
Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß richtet sich der Rekurs des ehelichen Vaters mit dem Antrag, dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Mutter aufzutragen, in eventu den erstgerichtlichen Beschluß wiederherzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Gemäß dem § 11 Abs 1 Paßgesetz darf für eine nicht eigenberechtigte Person ein Reisepaß nur mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ausgestellt werden. Es trifft zwar zu, daß es gemäß § 147 ABGB in der Fassung des VolljährG, BGBl 1973/108, nach wie vor Recht und Pflicht des Vaters ist, seine minderjährigen ehelichen Kinder als gesetzlicher Vertreter in allen Angelegenheiten und sohin auch in Paßangelegenheiten zu vertreten. Die Bestimmung des § 178 ABGB eröffnet aber die Möglichkeit, einen Mißbrauch diesbezüglicher Befugnisse hintanzuhalten. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes ist die mit den Worten, „wenn der Vater seine Gewalt mißbraucht“ gegebene Tatbestandsumschreibung nicht zu enge auszulegen, sie bezieht vielmehr auf alle erdenklichen Möglichkeiten einer vorsätzlich zur Beeinträchtigung der Interessen des Kindes vorgenommenen Ausübung elterlicher Befugnisse (vgl Wentzel-Plessl in Klang² I/2, 242). Darunter kann durchaus auch die Verhinderung von Auslandsreisen eines Kindes in Begleitung seiner Mutter verstanden werden, wenn zufolge eines tiefgreifenden Konfliktes zwischen den Ehegatten das Kind als Druckmittel im Ehestreit eingesetzt werden soll, um mit schikanösen Maßnahmen in Wahrheit den Ehepartner zu treffen. Ein solches Verhalten wird dem Antragsgegner auch zum Vorwurf gemacht, von ihm aber unter Hinweis auf sachliche Gründe bestritten. Es bedarf daher einer Überprüfung des beiderseitigen Vorbringens, wie dies das Rekursgericht zutreffend dargetan hat. Das Pflegschaftsgericht hätte dann im Rahmen der ihm eingeräumten Befugnis den Umständen angemessene Verfügungen zu treffen, die in der Richtung des der Stattgebung des Antrags der Mutter liegen könnten, wobei allerdings auch zu bedenken ist, ob nicht eine zeitlich beschränkte Gültigkeitsdauer des Reisepasses im Zusammenhang mit den Ergebnissen des Ehescheidungsverfahrens ins Auge zu fassen wäre.
Dem gegenüber vermag der Rekurswerber keine stichhältigen Argumente aufzuzeigen. Sein Vorbringen erschöpft sich weitgehend darin, Vorwürfe gegen seine Ehegattin zu erheben, aus denen geschlossen werden soll, daß eine Reise der Mutter mit dem Kind diesem abträglich wäre. Ob und inwieweit dies der Fall ist und nicht nur ein schikanöses Bestehen des Rekurswerbers auf seinen väterlichen Rechten vorliegt, kann aber erst das Ergebnis einer diesbezüglichen Überprüfung des Sachverhaltes zeigen.
Dem Rekursgericht ist auch darin beizupflichten, daß die Bestimmung des § 142 ABGB nicht für die beantragten Maßnahmen herangezogen werden muß und daher dahingestellt bleiben kann, ob die diesbezüglichen Voraussetzungen überhaupt schon vorlägen.
Wenn der Rekurswerber im Zusammenhang mit dem Hinweis des Rekursgerichtes auf § 24 Jugendwohlfahrtsgesetz vermeint, es sei von Gefahr im Verzuge zu sprechen, weil die Kindesmutter die Weihnachtsferien mit dem Kinde wegfahren wollte und die Erhebung des Jugendamtes einen längeren Zeitraum benötigt hätte, so verkennt er den Zweck dieser Bestimmung, die nicht in erster Linie einer Interessenbeeinträchtigung der Mutter des Kindes begegnen will. Bezüglich des aufgeworfenen verfahrensrechtlichen Problems der Zweigleisigkeit der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen beim Pflegschaftsgericht oder beim Scheidungsgericht trifft es wohl zu, daß nach den Interventionen des Gesetzgebers bezüglich der Neufassung der Bestimmung des § 382 Z 8 lit a EO nach dem Bundesgesetz vom 1. Juli 1975, BGBl 412, die Unterhaltsansprüche der Kinder an ihre Eltern in Zukunft besser geschützt werden sollen (851 der Beilagen zu den sten. Prot. des Nationalrats XIII. GP). Dies bezieht sich allerdings vor allem darauf, daß der Anspruch auf einstweiligen Unterhalt nach § 382 Z 8 EO grundsätzlich allen Kindern in gleicher Weise gewährt werden soll und es nicht auf die Abstammung des Kindes und auch nicht darauf ankommen soll, ob die Ehe der Eltern aufrecht ist oder nicht und ob ein Scheidungsverfahren eingeleitet worden ist oder nicht. Durch den Justizausschuß wurde die Regelung des Buchstaben a leg. cit. etwas erweitert. Es wurde dabei darauf hingewiesen, daß nach der gegenwärtigen Rechtspraxis der einstweilige Unterhalt für den Ehegatten und die Kinder nicht nur im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Leistung des Unterhaltes, sondern auch im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe, also in dem dafür bestimmten Verfahren, bestimmt werden könne. Diese dem Schutz des Unterhaltes der Ehegatten und der ehelichen Kinder förderliche Rechtslage solle beibehalten und ausdrücklich im Gesetze verankert werden (1662 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XIII. GP; Heller-Berger-Stix, Kommentar zur EO, 2762). Daraus ist aber abzuleiten, daß es dem minderjährigen Kind unbenommen bleibt, weiterhin im Pflegschaftsverfahren Unterhaltsansprüche gegenüber den unterhaltsverpflichteten Personen geltend zu machen, zumal dafür Zweckmäßigkeitserwägungen sprechen können. Wenn der Rekurswerber darauf hinweist, daß der Ausspruch des Pflegschaftsgerichtes nicht definitiv sein müsse, weil die Frage des Unterhaltes weitgehend vom Ergebnis des Scheidungsverfahrens abhängig sei, so ist dies bezüglich des Unterhaltsanspruches des Kindes unrichtig.
Es bestehen keine Bedenken, den Antrag der Mutter, den Vater des Kindes zur Leistung von Unterhaltsbeträgen zu ihren Handen zu verpflichten, dahin zu verstehen, daß damit auch ein Antrag verbunden wird, sie zur besonderen Sachwalterin für die Geltendmachung und Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes zu bestellen, wie dies das Rekursgericht zutreffend ausgesprochen hat. Die Mutter des Kindes hat damit hinlänglich erkennbar dargetan, daß sie als besondere Sachwalterin des Kindes im Unterhaltsverfahren gegen seinen Vater auftreten will. Dazu kommt noch, daß aus dem offiziosen Charakter des Pflegschaftsverfahrens die Möglichkeit einer amtswegigen Sachwalterbestellung im Sinne des § 271 ABGB abzuleiten ist (vgl. Wentzel-Plessl in Klang2 I/2, 497; Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht, 42). Das Erstgericht hat dies auch hinsichtlich einer Sachwalterbestellung in Bezug auf ein einzuleitendes Verfahren wegen Leistung des einstweiligen Unterhaltes nach § 382 Z 8 lit a EO getan. Eine sachliche Begründung für die unterschiedliche Behandlung gegenüber einer Sachwalterbestellung im Pflegeschaftsverfahren kann allerdings nicht wahrgenommen werden. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes kann auch eine solche nicht davon abhängig gemacht werden, daß eine Anrufung des Pflegschaftsgerichtes zu Maßnahmen nach § 142 ABGB bereits möglich ist.
Dem unbegründeten Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
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