OGH 7Ob513/77

OGH7Ob513/7717.2.1977

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neperscheni als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick, Dr. Petrasch, Dr. Kuderna und Dr. Wurz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, Hausbesitzerin, *, vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei R*, Kaufmann, *, vertreten durch Dr. Wilfrid Raffaseder, Rechtsanwalt in Freistadt, wegen Aufkündigung, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 26. November 1976, GZ 14 R 74/76‑26, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Freistadt vom 10. August 1976, GZ C 227/76‑21, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0070OB00513.77.0217.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Begründung:

Die Klägerin kündigte dem Beklagten das in F*, im Parterre gelegene Geschäftslokal samt Zubehör unter Heranziehung des zweiten Tatbestandes des Kündigungsgrundes nach § 19 Abs 2 Z 10 MietG auf, weil er die Geschäftsräumlichkeiten gegen ein unverhältnismäßig hohes Entgelt an die E* Gesellschaft m.b.H. untervermietet habe. Der Beklagte selbst zahle an die Klägerin nur einen monatlichen Mietzins von 300,-- S, während er an Untermietzins monatlich 3.000,-- S erhalte.

Der Beklagte beantragte Aufhebung der Kündigung. Er wendete ein, er habe nicht die Geschäftsräumlichkeiten an die Z* Gesellschaft m.b.H. untervermietet, sondern das von ihm in den Geschäftsräumen betriebene Unternehmen der genannten Gesellschaft verpachtet.

Das Erstgericht erklärte auch im zweiten Rechtsgang die Kündigung für wirksam. Hiebei stellte es fest, daß sowohl der Vater des Beklagten als auch dieser selbst in dem Lokal ein Herrenkonfektionsgeschäft betrieben und hauptsächlich Anzüge, Krawatten, Hemden und dergleichen verkauft haben. Nur nebenbei sind im Geschäft auch Pullover und Socken verkauft worden. Der Großteil des Geschäftsbetriebes bezog sich auf Stoffwaren. Mit „Pachtvertrag“ vom 26. 6. 1974 hat der Beklagte der Z*, Gesellschaft m.b.H. den Geschäftsraum vermietet. Diese Firma hat am 29. 7. 1974 das Geschäft eröffnet. Durch etwa 4 Wochen vor der Neueröffnung war das Lokal geschlossen. Der Beklagte hatte über einen Zeitraum von ca. 2 Monaten vor der Schließung des Geschäftslokales einen Räumungsverkauf von Herrenkonfektionsware zu billigsten Preisen durchgeführt, nachdem er vorher erfolglos sein Warenlager an verschiedene Kaufleute zu verkaufen versucht hatte. Die Firma Z* betreibt in dem Lokal den Verkauf von Strickwaren, Pullovern, Strumpfwaren und Socken. Herrenkonfektionsgegenstände, wie Anzüge, Hosen, Sakkos, Hemden oder Krawatten, sind seit der Neueröffnung in dem Lokal nicht mehr erhältlich. Seit der Neueröffnung lautet die Geschäftsaufschrift „J*“. Der vom Beklagten zu leistende monatliche Mietzins beträgt 300,-- S, wogegen die Firma Z* an den Beklagten unter Zugrundelegung einer Wertsicherung monatlich 3.000,-- S zu zahlen hat. Die Firma Z* betreibt ihre Geschäfte in dem Lokal auf Grund einer eigenen Gewerbeberechtigung.

Rechtlich vertrat das Erstgericht den Standpunkt, ungeachtet der Vereinbarung einer Betriebspflicht der Firma Z* handle es sich nicht um die Verpachtung eines lebenden Unternehmens an sie, weil Voraussetzung für eine solche Verpachtung die Identität des Betriebsgegenstandes wäre. Eine solche Identität sei nicht gegeben. Der Beklagte habe im Mietobjekt mit Herrenkonfektionswaren gehandelt, während die Firma Z* dort den Handel mit Wollwaren und Strümpfen betreibe. Der Vertrieb von Strickwaren durch den Beklagten sei nur nebenbei erfolgt und habe nicht den Hauptgegenstand seines Unternehmens gebildet. Auf die mangelnde Identität der beiden Unternehmen deute auch der Abverkauf des Warenlagers zu Billigstpreisen durch den Beklagten hin, zumal sämtliche Gegenstände, die den früheren Gegenstand des Betriebes ausgemacht hätten, veräußert und lediglich jene Gegenstände, die in das Sortiment des neuen Pächters paßten, übernommen worden seien. Nicht unberücksichtigt könne auch bleiben, daß der Beklagte sein Gewerbe auf Grund einer eigenen Gewerbeberechtigung betrieben habe und daß der Pachtzins rächt im Verhältnis zur Umsatzhöhe des vom Beklagten früher betriebenen Geschäftes, sondern auf Grund der Erfahrungswerte der anderen von der Firma E* betriebenen Geschäfte ermittelt worden sei. Ändere sich der Betriebsgegenstand in einer Art wie im vorliegenden Fall, so könne auch nicht von einer Übertragung des Kundenstockes gesprochen werden. Unabhängig von der von den Vertragspartnern gewählten Bezeichnung des Vertrages als Pachtvertrag und der darin festgelegten Betriebspflicht handle es sich in Wahrheit doch um eine Weitervermietung des Mietobjektes durch den Hauptmieter an einen Untermieter. Der vom Untermieter zu entrichtende Zins sei im Verhältnis zum Zins, den der Hauptmieter zu entrichten habe, unverhältnismäßig hoch, sodaß der von der Klägerin geltend gemachte Kündigungsgrund gegeben sei.

Wie schon seinerzeit im ersten Rechtsgang hob das Berufungsgericht auch dieses im zweiten Rechtsgang ergangene Urteil des Erstgerichtes, nunmehr unter Rechtskraftvorbehalt, auf. Es billigte zwar vollinhaltlich die Rechtsansicht des Erstgerichtes, führte jedoch aus, die Beurteilung der Frage, ob zwischen dem Unternehmen des Beklagten und dem nunmehr in den Mieträumen betriebenen Unternehmen Identität bestehe, erfordere die Aufklärung sämtlicher Umstände, aus denen maßgebliche Schlußfolgerungen gezogen werden könnten. Insbesondere könnte eine Einsichtnahme in die Buchhaltung und die dazugehörigen Geschäftsunterlagen durch einen Sachverständigen Umstände zu Tage fördern, die eine weitgehende Gewähr für eine objektive Ermittlung des Betriebsgegenstandes bieten. In der Ablehnung des diesbezüglichen Beweisangebotes durch das Erstgericht sei sohin ein Verfahrensmangel zu erblicken.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Klägerin. Sie stellt den Antrag, ihn aufzuheben und dem Berufungsgericht aufzutragen, das Urteil des Erstgerichtes zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gerechtfertigt.

Wie beide Untergerichte richtig erkannt haben, ist der Kündigungsgrund des § 19 Abs 2 Z 10 MietG nicht gegeben, wenn ein lebendes Unternehmen verpachtet wird. Liegt jedoch der Schwerpunkt der Transaktion in der Überlassung eines Bestandrechtes, so ist eine Untervermietung im Sinne der erwähnten Gesetzesstelle anzunehmen (MietSlg 26.274, 24.315, 22.383 ua). Voraussetzung für die Verpachtung eines lebenden Unternehmens ist aber die Identität des verpachteten Unternehmens mit demjenigen, das auch in der Folge im überlassenen Lokal betrieben werden soll (MietSlg 25.316). Wird dagegen das Unternehmen des bisherigen Mieters vom Dritten faktisch aufgelassen und das Bestandobjekt in Wahrheit ausschließlich dem Zwecke des bisherigen Unternehmens des Dritten dienstbar gemacht, kann von der Verpachtung eines lebenden Unternehmens keine Rede sein (MietSlg 9.700). Ein lebendes Unternehmen ist eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff des good will gehört. Indizien für die Verpachtung eines lebenden Unternehmens sind im allgemeinen, daß der vereinbarte Pachtzins in einem Verhältnis zur Höhe des Umsatzes steht, daß neben den Geschäftsräumlichkeiten auch ein Warenlager, die Konzession oder sonstige Gewerbeberechtigung überlassen werden und dergleichen. Allerdings müssen nicht unbedingt alle diese Merkmale vorhanden sein (MietSlg 21.510, 16.410 ua). Nicht entscheidend ist die Bezeichnung des Vertrages als „Pachtvertrag“. Auch von einer Betriebspflicht, die ein wesentliches Merkmal einer Unternehmenspacht ist, kann nur dann die Rede sein, wenn tatsächlich ein wirtschaftliches Interesse an der Weiterführung des Unternehmens besteht, nicht aber schon dann, wenn durch eine praktische Leerfloskel im Vertrag Betriebspflicht vereinbart wird, ohne daß dem ein echtes Substrat zugrunde liegt (MietSlg 25.316). Sicherlich ist auch die Überlassung eines Kundenstockes ein Indiz für die Verpachtung eines lebenden Unternehmens. Der Umstand allein jedoch, daß das Geschäft des Dritten zum Teil von denselben Kunden besucht wird wie das seinerzeitige Geschäft des Mieters – in einem kleineren Ort übrigens eine nahezu selbstverständliche Tatsache – ändert nichts daran, daß bei Fehlen der sonstigen Voraussetzungen eine Unternehmenspacht nicht vorliegt (MietSlg 20.435).

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht einen Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens lediglich darin erblickt, daß das Erstgericht dem vom Beklagten in der Tagsatzung vom 3. 6. 1976 gestellten Beweisantrag nicht entsprochen hat. Der Beklagte hat dort die Einsicht in seine Buchhaltung und die Erstellung eines Sachverständigengutachtens zum Beweise dafür beantragt, daß er bereits Jahre vor dem Pachtvertrag die Herrenkonfektion aufgelassen bzw eingeschränkt und den Schwerpunkt seines Unternehmens auf Wäsche und Strickwaren verlegt habe. Das Berufungsgericht hat die Aufklärung dieses Umstandes für wesentlich erachtet. Es kann nun dahingestellt bleiben, ob die faktische Verschiebung des Schwerpunktes auf eine bestimmte Warengruppe innerhalb einer nach wie vor aufrechten Konzession durch den Konzessionsinhaber tatsächlich eine Änderung seines Unternehmensgegenstandes darstellt. Das Berufungsgericht übersieht nämlich, daß Voraussetzung für die Annahme einer Unternehmenspacht nicht Identität des Unternehmensgegenstandes, sondern Identität des Unternehmens selbst ist. Es gibt zahlreiche Unternehmen mit dem gleichen Gegenstand, ohne daß zwischen ihnen Nämlichkeit bestünde. Selbst wenn der Beklagte ein Unternehmen mit gänzlich gleichem Inhalt wie die nunmehrige Bestandnehmerin geführt hätte, was er nicht einmal behauptet, würde dies noch immer nicht zur Annahme einer Unternehmenspacht führen, wenn nicht dieses Unternehmen in Bestand gegeben worden wäre, sondern wenn die Bestandnehmerin in den überlassenen Räumen ihr eigenes Unternehmen betreibt, sei es auch, daß dieses denselben Gegenstand hat wie das seinerzeitige Unternehmen des Bestandgebers.

Geht man von der Richtigkeit der erstrichterlichen Feststellungen aus, so kann bereits jetzt ausgeschlossen werden, daß zwischen dem seinerzeitigen Unternehmen des Beklagten und dem nunmehr in den Bestandräumen betriebenen Unternehmen Identität besteht. Die Bestandnehmerin arbeitet in den Räumen mit eigener Gewerbeberechtigung. Der Bestandzins wurde ohne jeden Bezug auf das in den Bestandräumen betriebene Unternehmen, sondern nur unter Zugrundelegung der von der Bestandnehmerin in anderen Geschäften erzielten Umsätze kalkuliert. Die Bestandnehmerin hat nicht etwa das Warenlager des Beklagten übernommen, vielmehr hat dieser Abverkäufe in einem Ausmaß durchgeführt, das praktisch einer Liquidation gleichkommt. Daran ändert auch nichts, daß er der Bestandnehmerin jene Warenbestände überlassen hat, die in deren Sortiment, wieder nur abgestellt auf die Bedürfnisse ihrer bisherigen Geschäftsführung, paßten.

Aus allen diesen Umständen würde sich das erstgerichtliche Urteil, falls dessen Feststellungen richtig sind, als zutreffend erweisen. Wenn daher die Feststellungen des Erstgerichtes übernommen werden, ist dessen Urteil zu bestätigen. Das Berufungsgericht hat, ausgehend von der Rechtsmeinung, es seien noch Erhebungen über den Unternehmensgegenstand des Beklagten erforderlich, eine Stellungnahme zur Beweisrüge der Berufung unterlassen. Da, wie bereits aufgezeigt, solche Erhebungen entbehrlich erscheinen, ist in der Unterlassung einer Stellungnahme zur Beweisrüge ein Mangel zu erblicken. Aus diesem Grunde mußte das berufungsgerichtliche Urteil aufgehoben und diesem eine neuerliche Entscheidung aufgetragen werden, wobei die Beweisrüge zu behandeln sein wird. Gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß die erstrichterlichen Feststellungen unbedenklich sind, wäre das Urteil des Erstgerichtes zu bestätigen.

Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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