OGH 6Ob29/76

OGH6Ob29/7627.1.1977

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sperl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Samsegger, Dr. Resch und Dr. Vogel als Richter in der Registersache der Firma M* & Co in Liquidation, *, infolge Rekurses der Gesellschafter 1) L* E*, Kaufmann, 2) O* E*, Geschäftsfrau, beide *, beide vertreten durch Dr. Alfred Lind, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 29. Oktober 1976, GZ 3 R 179/76‑80, womit der Rekurs der Gesellschafter L* und O* E* gegen den Beschluss des Landes- als Handelsgerichtes Graz vom 24. August 1976, GZ 22 HRA 1594/69‑69, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0060OB00029.76.0127.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Äußerung des Gesellschafters Dr. G* I* zum Rekurs der Gesellschafter L* und O* E* wird zurückgewiesen.

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Gesellschafter L* und O* E* aufgetragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Firma M* & Co trat zufolge gemeinsamer Anmeldung aller Gesellschafter vom 31. Jänner 1974 in Liquidation. Im Handelsregister wurden am 1. Februar 1974 die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft und die Gesellschafter als Liquidatoren sowie am 16. November 1974 die Abberufung der bisherigen Liquidatoren und die Bestellung des W* M* und des Dr. K* P* zu Liquidatoren eingetragen. Die beiden zuletzt genannten Liquidatoren wurden am 3. Dezember 1975 im Handelsregister gelöscht und die Gesellschafter als kollektiv vertretungsbefugte Liquidatoren eingetragen. Wegen Uneinigkeit der Gesellschafter wurden diese als Liquidatoren vom Registergericht mit Beschluss vom 4. Dezember 1975 abberufen und Rechtsanwalt Dr. J* F* zum Liquidator bestellt. Der gegen diesen Beschluss vom Gesellschafter Dr. G* I* erhobene Rekurs blieb erfolglos. Sein gegen den Beschluss des Rekursgerichtes erhobener Revisionsrekurs wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 10. Juni 1976, 6 Ob 9/76, zurückgewiesen.

Die Eintragung des Dr. J* F* als Liquidator im Handelsregister erfolgte am 1. Juli 1976.

Der Liquidator Dr. J* F* und der Gesellschafter Dr. G* I* stellten am 10. August 1976 folgende Anträge: 1) E* I* als Komplementärin und die Ehegatten L* und O* E* als Kommanditisten zu löschen und als Alleininhaber (der Firma) den bisherigen Gesellschafter Dr. G* I* einzutragen; 2) verschiedene im einzelnen angeführte „gegenstandslos gewordene Hinweise“ zu löschen und 3) die Änderung der Firmenbezeichnung in „M* Dr. G* I*“ und Dr. G* I* als Alleininhaber (der Firma) einzutragen. Zur Begründung wurde angeführt, dass das von Dr. G* I* an den Liquidator Dr. J* F* am 17. Juli 1976 gestellte Anbot, das in Liquidation befindliche Unternehmen zu übernehmen, vom Liquidator angenommen worden sei.

Die beiden Kommanditisten L* und O* E* stellten am 20. August 1976 den Antrag, den gerichtlich bestellten Liquidator Rechtsanwalt Dr. J* F* aus wichtigem Grunde abzuberufen und gleichzeitig eine andere geeignete Person zum Liquidator zu bestellen. Zur Begründung führten sie aus: „Nach den Umständen des Falles“ lasse die Abwicklung der Gesellschaft durch den bisherigen Liquidator eine gedeihliche Durchführung nicht erwarten. Es seien insbesondere für die vom Liquidator vertretene Gesellschaft, aber auch für die Antragsteller und die bereits zum 31. Jänner 1974 ausgeschiedene Komplementärin E* I* erhebliche Nachteile zu befürchten. Der Liquidator habe in jüngster Zeit Verträge abgeschlossen, welche „ausserhalb seiner gesetzlichen im § 149 HGB festgelegten Geschäftsführungsbefugnis“ lägen und weder durch den Gesellschaftsvertrag vom 27. Mai 1967 noch durch Zustimmungserklärungen aller Gesellschafter gedeckt seien.

Das Registergericht ordnete mit der allen Gesellschaftern zugestellten Verfügung vom 23. August 1976 im Handelsregister folgende Eintragung an: „Die Firma ist infolge beendeter Liquidation erloschen.“ Die Gesellschafter erhoben gegen diese Verfügung, welche am 24. August 1976 vollzogen wurde, kein Rechtsmittel.

Mit Beschluss vom 24. August 1976 wies das Erstgericht den Antrag der beiden Kommanditisten L* und O* E*, den gerichtlich bestellten Liquidator, Rechtsanwalt Dr. J* F* abzuberufen und gleichzeitig eine andere geeignete Person zum Liquidator zu bestellen, ab. Es führte aus: Da der Liquidator in seinem am 18. August 1976 überreichten Nachtrag zu seiner Eingabe vom 5. August 1976 die Erklärung abgegeben habe, dass die Liquidation der Firma beendet sei, sei die Firma „bereits erloschen“. Die Eintragung des Erlöschens der Firma wirke nur „deklaratorisch“. Die Firma erlösche auch ohne Eintragung schon in dem Augenblick, in welchem das letzte Vermögen verteilt sei, bleibe aber, falls in Wahrheit noch unverteiltes Vermögen vorhanden sein sollte, trotz der Löschung bestehen. Da die Firma im Zeitpunkt der Antragstellung bereits erloschen gewesen sei, habe der Antrag keiner aufrechten Erledigung mehr zugeführt werden können.

Das Rekursgericht wies den gegen diesen Beschluss von den beiden Kommanditisten L* und O* E* erhobenen Rekurs zurück. Es führte aus: Da der Löschung der Firma einer Gesellschaft im Handelsregister nur deklarative Bedeutung zukomme, die Liquidation erst dann als beendet angesehen werden könne, wenn das Gesellschaftsvermögen zur Gänze verteilt sei, und es dem Registergericht obliege, zu verhindern, dass im Handelsregister unzulässige Eintragungen erfolgten, wäre das Erstgericht berechtigt gewesen, die vom Liquidator unter Hinweis auf die beendete Liquidation auf der Grundlage des § 157 Abs 1 HGB beantragte Eintragung des Erlöschens der Firma abzulehnen. Gegen die Verfügung vom 23. August 1976, mit welcher die Eintragung des Erlöschens der Firma infolge beendeter Liquidation angeordnet worden sei, hätten die beiden Kommanditisten ein Rechtsmittel ergreifen können. Das Rekursrecht gegen eine Eintragung in das Handelsregister stehe jedem zu, der durch die Eintragung in seinen Rechten verletzt werde. Für den Versuch der beiden Kommanditisten, im Zusammenhang mit ihrem Antrag auf Abberufung des Liquidators Dr. J* F* und Bestellung einer anderen geeigneten Person zum Liquidator „die Frage der Liquidation und damit die Berechtigung der vom Erstgericht seinerzeit vorgenommenen Löschung der Firma einer erneuten Behandlung zuzuführen“, sei in diesem Verfahrensstadium kein Raum mehr. Es könne dahingestellt bleiben, ob die auf Grund der Verfügung vom 23. August 1976 vorgenommene Eintragung im Handelsregister amtswegig gelöscht werden könne oder ob deren Löschung die Durchführung eines Prozesses voraussetze. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei jedenfalls von der Eintragung auszugehen, mit welcher die vom Gericht anzunehmende Tatsache verbunden sei, dass die Liquidation der Firma beendet worden sei und das Amt des Liquidators sein Ende gefunden habe. Daraus folge, dass dem Antrag auf Abberufung des Liquidators Dr. J* F* und Bestellung einer anderen geeigneten Person zum Liquidator die Grundlage entzogen sei. Es müsse daher das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses auf Seite der Rekurswerber verneint werden. Die Entscheidung über ein Rechtsmittel setze voraus, dass zu diesem Zeitpunkt noch eine Beschwer des Rechtsmittelwerbers bestehe.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichtes richtet sich der Rekurs der beiden Kommanditisten L* und O* E* mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht die Sachentscheidung über den Rekurs vom 6. September 1976 aufzutragen.

Der Gesellschafter Dr. G* I* erstattete zu diesem Antrag eine Äußerung, in welcher er beantragt, den Rekurs der Kommanditisten „als unzulässig zurückzuweisen“.

Der Rekurs ist ein einseitiges Rechtsmittel. Da im Außerstreitgesetz eine Äußerung zum Rekurs nicht vorgesehen ist, war die Äußerung des Gesellschafters Dr. G* I* zurückzuweisen.

Der Rekurs ist, da eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG nicht vorliegt, das Rekursgericht vielmehr den gegen den erstgerichtlichen Beschluss gerichteten Rekurs wegen Fehlens einer Beschwer der Rechtsmittelwerber als unzulässig zurückgewiesen hat, ohne Beschränkung auf bestimmte Anfechtungsgründe zulässig. Er ist auch gerechtfertigt.

Zutreffend wiesen beide Vorinstanzen unter Heranziehung von Rechtsprechung und Lehre darauf hin, dass der Eintragung der Löschung einer Firma im Handelsregister nur deklarative Bedeutung zukommt und die Liquidation einer Gesellschaft erst dann als beendet angesehen werden kann, wenn das Gesellschaftsvermögen zur Gänze verteilt ist. Ergeben sich aus einem nach Vollzug einer solchen Eintragung gestellten Antrag Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der der Eintragungsverfügung zugrundegelegenen Annahme, dass die Liquidation durch Verteilung des gesamten Gesellschaftsvermögens beendet ist, kann die Entscheidung über einen solchen Antrag nicht mit dem bloßen Hinweis auf die Rechtskraft der Eintragung im Handelsregister abgelehnt werden. Das Gericht hat vielmehr als Vorfrage zu prüfen, ob die der Eintragung zugrundegelegte Annahme tatsächlich zutrifft. Eine solche Prüfung hat das Erstgericht nicht vorgenommen, sondern die Ansicht vertreten, die Firma sei durch die vom Liquidator abgegebene Erklärung, dass die Liquidation der Gesellschaft beendet sei, „bereits erloschen“ und damit auch das Amt des Liquidators beendet.

Das Rekursgericht weist in seinem Zurückweisungsbeschluss auf die Pflicht des Registergerichtes hin, zu verhindern, dass im Handelsregister unzulässige Eintragungen erfolgen. Es folgert daraus, dass im vorliegenden Fall das Erstgericht berechtigt gewesen wäre, die vom Liquidator Dr. J* F* unter Hinweis auf die beendete Liquidation beantragte Eintragung des Erlöschens der Firma abzulehnen. Damit gibt es zu erkennen, dass die Eintragung des Erlöschens der Firma nicht gerechtfertigt war. Wenn das Rekursgericht dessen ungeachtet von einem fehlenden Rechtsschutzinteresse der beiden Gesellschafter L* und O* E* ausgeht, weil diese die Eintragungsverfügung des Registergerichtes nicht mit dem ihnen zustehenden Rechtsmittel bekämpft haben, übersieht es, dass der auf Grund dieser Verfügung vollzogenen Eintragung nur deklarative Bedeutung zukommt. Mit dem Hinweis auf den Bestand dieser Eintragung allein kann daher das Rechtsschutzinteresse nicht verneint werden. Es bedarf vielmehr der Prüfung der von den Gesellschaftern L* und O* E* gegen die Richtigkeit der dieser Eintragung zugrundegelegten Annahme vorgetragenen Behauptungen. Hat das Erstgericht eine solche Prüfung nicht vorgenommen und bekämpfen die Antragsteller dieser Vorgehen in ihrem Rekurs, kann von einem Fehlen einer Beschwer nicht ausgegangen werden.

In Stattgebung des Rekurses war daher der angefochtene Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs aufzutragen.

 

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