OGH 6Ob699/76

OGH6Ob699/7620.1.1977

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sperl als Vorsitzenden und durch die Hofrate des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Samsegger, Dr. Resch und Dr. Vogel als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Sigmund Würth, Rechtsanwalt, Josefstädterstraße 66, 1080 Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma J* KG, * (S 33/75 des Handelsgerichtes Wien), wider die beklagte Partei Firma K* Handelsgesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Wilhelm Gogl, Rechtsanwalt in Gänserndorf, wegen S 109.534,16 samt Anhang (Revisionsinteresse S 93.600,-- samt Anhang) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 14. September 1976, GZ 1 R 150/76‑20, womit das Urteil des Kreisgerichtes als Handelsgerichtes Korneuburg vom 8. April 1976 GZ 2 Cg 268/75‑15, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0060OB00699.76.0120.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen.

Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Begründung:

Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 4. 4. 1975, S 33/75‑3, wurde über das Vermögen der J* KG der Konkurs eröffnet und Dr. Sigmund Würth zum Masseverwalter bestellt. Dieser begehrt mit der vorliegenden Klage von der Beklagten Zahlung von S 109.534,16 samt Anhang mit der Begründung, die Beklagte schulde der Gemeinschuldnerin aus der Schlußrechnung vom 23. 4. 1975 diesen Restbetrag für geleistete Baumeisterarbeiten.

Die Beklagte beantragte, das Klagsbegehren abzuweisen. Sie wendete ein, die Gemeinschuldnerin habe Ende Februar 1975 die Arbeiten eingestellt und eine Teilrechnung über S 791.390,60 abzüglich der bisherigen a‑Conto‑Zahlungen der Beklagten von S 630.000,--, somit über den Betrag von S 161.390,60 vorgelegt. Die geleisteten Arbeiten hätten jedoch verschiedene, im einzelnen auf gezählte Mängel aufgewiesen, weshalb zwischen dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin und der Beklagten vereinbart worden sei, daß die Beklagte vorerst S 70.000,-- zu bezahlten habe, während der Restbetrag von S 91.390,60 erst nach Behebung der Mängel zu bezahlen sei. In der Folge seien trotz Zusage der Gemeinschuldnerin keine Verbesserungsarbeiten durchgeführt worden. Nach Konkurseröffnung habe die Beklagte mittels eines Antrages gemäß § 21 KO an das Konkursgericht den Masseverwalter aufgefordert, zu erklären, ob er bereit sei, die Reklamations-sowie die Fertigstellungsarbeiten durchzuführen. Der Masseverwalter habe darauf über das Konkursgericht die Erklärung abgegeben, daß bereits sämtliche Arbeiter entlassen bzw. gekündigt seien und es der Gemeinschuldnerin nicht möglich sei, die Reklamationsarbeiten durchzuführen. Die Kosten der Beseitigung der Mängel betrügen mehr als S 109.534,16. In der Schlußrechnung seien auch 30 Maurerstunden für diverse Fertigstellungs- und Aufräumungsarbeiten mit einem Betrag von S 4.050,-- in Rechnung gestellt worden, obgleich auf Grund der seinerzeitigen Vereinbarung mit der Gemeinschuldnerin die Kosten für solche Arbeiten auszuschließen seien.

Dieses Beklagtenvorbringen wurde vom Masseverwalter weder ausdrücklich bestritten noch zugegeben, sondern lediglich behauptet, daß alle Leistungen der Gemeinschuldnerin ordnungsgemäß erbracht worden seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Betrag von S 15.934,16 samt 5 % Zinsen seit 24. 4. 1975 statt und wies das Mehrbegehren von S 93.600,-- samt Nebengebühren ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Im Mai 1974 erteilte die Beklagte der Gemeinschuldnerin auf Grund eines Kostenvoranschlages vom 24. 5. 1974 den Auftrag zur Errichtung einer Maschinenhalle und eines dazugehörigen Bürotraktes in der Gemeinde O*. Es wurde eine a‑Conto‑Zahlung von S 100.000,-- bei Baubeginn und weitere Zahlungen 14‑tägig nach Baufortschritt vereinbart. Die Bauarbeiten wurden vereinbarungsgemäß im Juni 1974 begonnen, bis Ende Februar 1975 fortgesetzt und dann eingestellt. Darnach legte die Gemeinschuldnerin eine Schlußrechnung vom 23. 4. 1975 über einen Betrag von S 682.233,28 zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer von S 109.157,32, somit über den Gesamtbetrag von S 791.390,60 (tatsächlich lautet diese Rechnung auf S 809.534,16). Im Zuge der Überprüfung der Bauarbeiten durch den Sachverständigen Ing. F* ergaben sich „entsprechend dem Vorbringen der beklagten Partei in der Klagebeantwortung“ tatsächlich noch umfangreiche Mängel, die in der Folge von der klagenden Partei nicht behoben wurden und zum Teil noch heute bestehen. Die Mängel „die im Gutachten des Sachverständigen umfassend angeführt sind und auf die ausdrücklich hingewiesen wird – das Sachverständigengutachten wird als unbedenklich und unbestritten übernommen –“ stellen einschließlich unberechtigter Verrechnungen einen Gesamtaufwand von S 93.600,-- dar, der von der Schlußrechnung in Abzug zu bringen ist.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß sich unter Berücksichtigung der unbestrittenen a‑Conto‑Zahlungen von S 700.000,-- noch ein ungedeckter Rest von S 109.534,16 ergebe, von dem nach dem Sachverständigengutachten ein Betrag von S 93.000,-- für berechtigte Mängel, welche auf Grund der Betriebseinstellung nicht mehr behoben werden könnten, abzuziehen seien. Dem Kläger stehe daher nur ein Betrag von S 15.934,16 zu.

Während die Beklagte den stattgebenden Teil des Urteils unbekämpft ließ, erhob der Kläger gegen den abweisenden Teil Berufung aus den Gründen der mangelhaften Tatsachenfeststellung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß gab das Berufungsgericht der Berufung des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil in seinem abweisenden Teil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es vertrat die Ansicht, es müsse zunächst geklärt werden, welche Erklärungen der Masseverwalter hinsichtlich des nach den Behauptungen der Beklagten nicht vollständig erfüllten Vertrages ausdrücklich oder schlüssig abgegeben habe. Darüber fehlten Feststellungen im Ersturteil. Sollte weder ein ausdrücklich erklärter noch ein schlüssiger Rücktritt vom Vertrag vorliegen, so könne der Masseverwalter Erfüllung verlangen, müsse aber auch seinerseits erfüllen. Diese Verpflichtung sei eine Masseschuld. Es wäre dann festzustellen, ob die Beklagte Preisminderung oder Verbesserung verlangt habe. Eine angemessene Entgeltsminderung sei nach der relativen Berechnungsmethode zu ermitteln. Falls sich die Beklagte für die Verbesserung entschieden habe, sei festzustellen, ob sie den Kläger zur Verbesserung aufgefordert und dieser die Verbesserung abgelehnt habe. Unter dieser Voraussetzung könne die Beklagte nämlich das erforderliche Deckungskapital ohne Rücksicht darauf, ob die Verbesserung tatsächlich vorgenommen wurde oder nicht, einklagen oder einredeweise geltend machen. Für den Fall des Rücktritts des Masseverwalters sei dagegen das Klagebegehren auf alle Fälle abzuweisen, da der Masseverwalter weder einen Bereicherungsanspruch noch einen Kondiktionsanspruch, sondern einen Erfüllungsanspruch geltend mache, der jedoch dann auf keinen Fall mehr bestehe.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene „Urteil“ (den Beschluß) dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gerechtfertigt.

Der Rekursantrag auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils ist allerdings verfehlt. Der Rekurs gegen einen Beschluß des Berufungsgerichtes, der das erstgerichtliche Urteil aufhebt und eine neue Verhandlung aufträgt, kann immer nur die Beseitigung der Aufhebung oder die Änderung der im Aufhebungsbeschluß ausgesprochenen Rechtsmeinung, nicht aber die Entscheidung in der Hauptsache begehren (Fasching IV 414; EvBl 1958/154 S. 245; JBl 1974, 79 u.v.a.). Der verfehlte Rekursantrag hindert jedoch die sachliche Erledigung des Rekurses nicht.

Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes ist davon auszugehen, daß ein Rücktritt des Masseverwalters vom Vertrag im Sinne des § 21 Abs. 1 KO nicht vorliegt. Ein solcher Rücktritt wurde vom Kläger in erster Instanz weder behauptet noch läßt er sich aus dem folgenden Prozeßvorbringen des Klägers ableiten. Denn dieser hat ausdrücklich vorgebracht (ON 5 S. 11 d.A.), daß die Gemeinschuldnerin ihre Leistungen ordnungsgemäß erbracht habe, weshalb er folgerichtig auch seinerseits auf gänzliche Erfüllung klagte. Durch die Klage auf Erfüllung hat sich der Masseverwalter aber eindeutig dafür entschieden, nicht vom Vertrag zurückzutreten, sondern Erfüllung zu verlangen und seinerseits zu erfüllen (vgl. SZ 44/69; EvBl 1976/92 S. 180). Wenngleich es daher an einer ausdrücklichen Feststellung des Erstgerichtes fehlt, ist auf Grund des beiderseitigen Vorbringens der Parteien davon auszugehen, daß ein Rücktritt vom Vertrag im Sinn des § 21 Abs. 1 KO nicht vorliegt.

Aber auch darüber, daß die Beklagte nicht etwa Preisminderung, sondern Verbesserung verlangt hat und der Masseverwalter die Verbesserung ablehnte, besteht zwischen den Parteien kein Streit. Auch diesbezüglich hat der Masseverwalter das Vorbringen der Beklagten in erster Instanz nicht bestritten und darüber hinaus sogar in seiner Berufung selbst vorgebracht, daß er es als Masseverwalter abgelehnt habe, die durchgeführten „Mängelrügen“ zu beseitigen, da dazu nicht mehr die Möglichkeit bestanden habe. Auch hier bedurfte es daher keiner ausdrücklichen Feststellung durch das Erstgericht, da auch dieser Umstand unbestritten ist.

Geht man aber davon aus, daß kein Rücktritt vom Vertrag vorliegt, dann war der Masseverwalter seinerseits verpflichtet, an Stelle des Gemeinschuldners die diesem obliegende Vertragsverpflichtung aus der Masse zu erfüllen. Die Verpflichtungen des Gemeinschuldners werden dadurch zu Masseschulden, die gemäß § 47 KO vor den Konkursgläubigern aus der Masse zu erfüllen sind (SZ 44/69). Die in der Judikatur verschieden beantwortete Frage, ob der Beklagte in einem solchen Fall seine gesamte Leistung bis zur Behebung der Mängel zurückhalten kann (so EvBl 1976/92 S. 180) oder nur das zur Behebung der Mängel notwendige Deckungskapital (so SZ 44/69), ist hier nicht von Bedeutung, weil die Beklagte ohnehin nur die Zurückbehaltung des notwendigen Deckungskapitals verlangt.

Damit erweisen sich jedoch die vom Berufungsgericht herangezogenen Aufhebungsgründe nicht für gerechtfertigt. Da der Kläger in seiner Berufung die Feststellungen des Erstgerichtes über die zur Behebung der Mängel erforderlichen Beträge sowie über die unberechtigt verrechneten Beträge nicht bekämpft – die Berufung meint lediglich, der Schaden sei noch nicht fällig, weil seine tatsächliche Höhe erst nach Durchführung der Verbesserungsarbeiten feststellbar sei – erscheint die Rechtssache somit spruchreif im Sinne einer Bestätigung des erstgerichtlichen Urteils.

Dem Rekurs war daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Berufung des Klägers aufzutragen.

Der Ausspruch über die Rekurskosten gründet sich auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte